Kolumne: It-Bags! Warum wir auf teure Luxushandtaschen verzichten und kleinere Labels bevorzugen

Handtaschen für über 1000€? Nein, wir bevorzugen zur Zeit kleinere Labels

Wir besitzen meist mehr davon, als wir brauchen: Schöne Handtaschen sind praktisch, werten unseren Look auf oder geben den wichtigsten Schliff.

Bis heute werden Handtaschen häufig nur als oberflächlich angesehen, dabei waren und sind sie für Frauen auch ein Symbol der Emanzipation. Das Tragen der Handtasche war ein Zeichen der Unabhängigkeit. Frauen verdienten ihr eigenes Geld, führten ihre eigenen Bankkonten und trugen ihren Haus- sowie Autoschlüssel, ihre Papiere, Zigaretten, Make-up und alles, was Frau so brauchte, mit sich. Sie hatten ein Recht auf Selbstbestimmung und Eigentum.

„Handtaschen sind die tragbare Form der Emanzipation! Die Tasche stellt einen mobilen Lebensraum dar – je mehr Frauen Heim und Herd verließen, um sich ins Berufsleben zu stürzen, desto wichtiger wurde sie als Transportvehikel, aber auch als Notfallkoffer und Finanzzentrum“, sagt Wirtschaftspsychologin Dr. Ute Rademacher von der Hamburger Agentur Colibri Research.

Text von Alexandra Kutek

 

Über Jahrzehnte wuchs die Handtasche in ihrer Größe und entwickelte sich in Form, Farbe sowie Verzierung weiter. Die Handtasche ist zu einem der wichtigsten Produkte in der Mode geworden, sie ist neben Parfumlizensierungen oftmals die Cash Cow der großen Luxuslabels.

Doch statt It-Bags von Gucci, Chanel oder Chloé suchen wir immer mehr nach Handtaschen von kleineren Labels,  die nicht gleich auf den ersten Blick „It-Bag“ schreien. Der Trend geht weg von großen Modehäusern hin zu unbekannteren Marken. Oder zumindest zu einer Kombination beider Varianten.

Jessies Handtasche ist von Dragon Diffusion.

Woher kommt dieser Trend?

Der Erfolg der It-Bags von Luxusmarken nimmt ab, seitdem die Preise soweit ins Astronomische gestiegen sind, dass viele nicht mehr bereit sind, sie zu zahlen. Die meisten Designerhandtaschen haben die 1.000-Euro-Marke längst überschritten. Diese Entwicklung hat auf dem Markt eine Lücke geschaffen, die das New Yorker Label Mansur Gavriel mit als Erstes für sich nutze und füllte.

Die Designerinnen, Rachel Mansur und Floriana Gavriel, gründeten das Label 2012 und verkauften die ersten Taschen rund ein Jahr später. Die beiden Frauen wussten gut, wie man Hypes erzeugt. Es gab Wartelisten für die Bucket Bags (Jessie war eine der ersten stolzen Besitzerinnen und besuchte die Gründerinnen auch im Atelier) und Back-in-Stock-Benachrichtigungen lösten bei so manchen fast eine Ohnmacht aus. Das Erfolgsrezept? Eine qualitative Verarbeitung, hochwertiges Leder und ein zeitloses Design.

Zum anderen eine sehr starke Instagram-Präsenz, die die Aufmerksamkeit des Konsumenten auf sich zieht. Und ein weiterer wichtiger Faktor für den Erfolg: Die Handtaschen mit einem Preis von im Durchschnitt 500 Euro sind noch weit entfernt von den Price-Tags von Gucci, Celine und Co. – und sind damit bezahlbarer.

Mit seinem rasanten Wachstum sticht Mansur Gavriel zwar heraus, ist heute aber kein Einzelfall mehr. Denn das wirtschaftliche Wachstum bei Handtaschen in der mittleren Preisklasse nimmt immer mehr zu. Dazu gehören neben Simon Miller (Jessie trägt ihre dunkelblaue Bonsai Tasche ständig), Staud, Manu Atelier oder Cult Gaia. Sie alle verbindet ähnlich wie bei Mansur Gavriel ein unverkennbares Design, ein bezahlbarer Preis und eine starke Instagram-Präsenz.

Cult Gaia wurde 2012 von Jasmin Larian gegründet und konnte allein vergangenes Jahr ein Wachstum von 850 Prozent zum Vorjahr verzeichnen. Und das lag größtenteils an dem „Ark“-Model, das in den vergangenen Saisons einen wahren Hype ausgelöst hat.

Jesssies Handtasche ist von Danse Lente (andere Farbe hier).

Obwohl es solche Handtaschen schon lange in Indonesien gibt, war das Design der Handtaschen für viele erfrischend neu; außerdem für um die 150€ bezahlbar. „Wir verkaufen in einer Woche das, was wir damals in einem Jahr verkauft haben“, sagt Larian auf Business of Fashion. Sie habe zudem den Rat, ihre Preise zu erhöhen, ignoriert.

Was früher für einige Kundinnen eher ein Grund war, die Handtasche nicht zu kaufen, weil sie einfach zu billig war, ist heute ein gutes Argument. Das Konsumverhalten hat sich geändert. Teure It-Bags galten als Statussymbol, weil man damit so schön zeigen konnte, dass man sich nicht nur auskennt, sondern die Preise auch bezahlen kann. Heute sind viele nicht mehr bereit – oder schlicht in der Lage –  so viel Geld für ein einzelnes Teil auszugeben. Man nimmt lieber die Preisklasse, die nicht ganz so weh tut, trotzdem individuell ist und sich von der Qualität der  Luxushandtaschen nicht groß unterscheidet.

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Ein wichtiges Schlagwort? Individualität

Doch nicht nur das veränderte Konsumverhalten ist ein Grund für diese Entwicklung. Ein wichtiges Schlagwort lautet: Individualität. „Es war noch nie cooler, eine unbekanntere oder aufstrebende Marke zu tragen“, sagt Lisa Aiken, Retail-Fashion-Director bei The Net-a-Porter Group. Das spiegelt sich auch in den Verkaufszahlen wider. „Man sieht das gut im Umsatz. Ich freue mich, dass Frauen überall auf der Welt so offen für neue Marken sind – und in die Qualität investieren, obwohl das Label noch sehr jung ist“, sagt uns Elza Wandler, die 2017 das Taschenlabel Wandler gegründet hat.

Kleidung ist und bleibt auch ein Ausdrucksmittel, um unsere Individualität auszudrücken. Allerorts ist das Individuum und der persönliche Geschmack gefordert. Wir unterwerfen uns nicht mehr jedem Modediktat und entscheiden selbst, welchen Trend wir mitmachen wollen und welchen nicht. Bestimmte früher die It-Bag den modischen Auftritt, sollen sich die Handtaschen heute unserem Stil unterordnen – und zu uns passen. Das geht natürlich besser, wenn die Taschen eher zurückhaltend und zeitlos gestaltet sind.

So gibt es bei Wandler etwa keine Modelle mit Mustern, keine all zu auffälligen Details. Der Look ist clean und elegant, Form sowie Farbkombinationen haben Charakter. Die niederländische Designerin macht es einem glücklicherweise nicht schwer, die traumhaften Taschen zu übersehen. Feminin, elegant und bunt: „Ich liebe es Farben zu wählen, die nicht alltäglich sind, wie zum Beispiel Hortensia in Sugar. Das Pink ist sehr intensiv, aber in Kombination mit diesem cleanen und eleganten Schnitt toll“, sagt Elza Wandler.

Und genau das trifft den Zeitgeist. Man sucht nach etwas Einzigartigen, etwas, das heraussticht, an dem man sich nicht so schnell satt sieht, einen doch nicht langweilt. Heute ist es einfach wichtiger, die „richtige“ Handtasche für sich zu tragen, als die teuerste.

Unsere liebsten Modelle aus den Onlineshops:

Kommentare (5) anzeigen

5 Antworten auf „Kolumne: It-Bags! Warum wir auf teure Luxushandtaschen verzichten und kleinere Labels bevorzugen“

Ja, genau das wollte ich auch gerade schreiben ..
PB0110 sind super cool, und bestechen durch ihre Qualitäten und Farben .

Perfekt, ich suche gerade nach einer neuen Tasche, aber habe auch keine Lust auf ein großes Label. Jetzt bin ich inspiriert! Meine letzte Tascheninvestition war eine Tasche von Alesya Orlova aus Hamburg. Die haben traumhafte Taschen und haben mich auch qualitativ überzeugt.

Liebes Journelles-Team,
zunächst ein großes Lob an Jessie und das restliche Team. Ich bin ein „stiller“ Fan und folge Journelles schon von Anfang an! Ihr macht einen großartigen Job und gerade Jessie ist eine supersympathische, liebe und herzliche Person (auch wenn ich sie leider nicht persönlich kenne)! Bitte weiter so! Das Thema Taschen ist natürlich nicht einfach…. man beobachtet immer mehr, dass sich viele deutsch und/oder österreichische Bloggerinnen 1 od 2 Chanel-Taschen „gönnen“ usw. – das ist natürlich alles ein Wahnsinn! Auch wenn natürlich jede modebewusste Frau von einer Chanel 2.55 oder einer anderen träumt 🙂 Ich kann daher sehr gut nachvollziehen, dass man weg möchte von diesen superteuren Designertaschen und sich der Trend – hoffentlich – ändert. Ich selbst habe natürlich auch Designertaschen wie zB von Louis Vuitton (hier steigen die Preise leider auch von Jahr zu Jahr), aber ich habe etliche Taschen von Coccinelle (hier gibt es wunderschöne Ledertaschen um € 300-400,-) oder auch Gianni Chiarini (ist ein ital. Label aus Florenz und hat ebenfalls wahnsinnig schöne Taschen). Ich habe mir jetzt noch eine coole Tasche von Essentiel Antwerp bestellt (die haben sehr ausgefallene und preiswerte Modelle) und bin schon sehr gespannt. In diesem Sinne, herzliche Grüße aus dem spätsommerlichen Wien!

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.