
Natürlich könnte ich jetzt alles auf mein Baby schieben. Dass ich mir nicht eine einzige Modenschau der neuen Saison ausführlich angesehen habe. Nicht mal auf Instagram aktuelle Stories zu Showrooms, Präsentationen oder Runway Reports angeklickt habe. Und partiell stimmt es auch, denn mein Alltag verkraftet höchstens die modische Auseinandersetzung mit dem Inhalt meines Kleiderschrankes, wenn ich innerhalb von zwei Minuten ein Outfit zusammen stelle, das stilltauglich sein muss und in dem man sich nicht gänzlich langweilt. Woher kommt aber auch die berufliche Modeunlust, zumal ich mich ja täglich mit ihr auseinander setze?
Ich habe das Gefühl, dass der Schauenrythmus immer kürzer wird. Die Looks immer mehr. Die Inszenierung aufwändiger Laufstegpräsentationen so langsam an Reiz verlieren und man schlichtweg nicht mehr den Bezug zum Alltag findet – und der dominiert momentan einfach. Wenn dieses Kribbeln sich nicht von allein einstellen möchte, muss man sich aktiver mit diesem Minitrauma auseinander setzen. Ich habe mich also einen ganzen Nachmittag eingeschlossen und bin komplett in die Pariser Modewelt eingetaucht – für euch stelle ich nun meine absoluten Highlights zusammen, zeige euch, was mich bewegt hat und kann vorab schon mal so viel verraten: Das Kribbeln ist wieder da.
(PS: Ihr habt es euch sicher schon gefragt: Ja, ich beherrsche Photoshop wie ein Pro!)
Workwear bei Céline
Genau da setzt Phoebe Philo in dieser Saison an: Sie schlägt für die Saison Praktikabilität vor, die an klassische Workwear erinnert. Weniger Volantkleider, dafür riesige Decken, die über dem Arm getragen werden (ich sehe mich schon mit der Krabbeldecke durch den Kiez spazieren), grosse Taschen mit breiten Trägern (Spielzeug, Wickeltasche, Laptop? Alles findet darin seinen Platz) und weite Mäntel und Trenchcoats, um dem Dreckswetter auch ohne Regenschirm zu trotzen. Die Céline-Kollektion ist auf den ersten Blick nicht mal im klassischen Sinne hübsch. Aber sie ist so herrlich nah dran der Realität – minus den Preisschildern.
The bigger the better
Was mir besonders leicht fällt? Große Statement-Ohrringe zu Hoodies oder simplen Denim-Looks tragen. Dann fühlt man sich automatisch besser angezogen, nicht zuletzt weil die Klunker gut ablenken. Wenn es nach Acne Studios geht, bleibt es auch in der kommenden Saison beim auffälligen Geschmeide.
Boho Chic Braids
Der erste Look bei Valentino hat mich gleich gekriegt: Mittelscheitel samt schmalen Zöpfen, die einfach rechts und links runterbaumeln. Das bekomme ich sogar mit meinen zwei linken Händen hin.
Balenciaga, ah ja!
Auf den Trichter mit der Praktikabilität kommt Demna Gvasalia bei Balenciaga, die dieses Jahr 100.-jähriges Bestehen feiern, nur partiell. Die riesigen asymmetrisch geschnittenen Jacken sind spannende Showpieces, könnten aber auch bei einer Abschluss-Show der Royal Academy of Arts in Antwerpen laufen. Nur die riesigen Taschen zeugen auch hier von dem Bedürfnis, sein halbes Leben mit sich herum schleppen zu wollen. Immerhin ein Look ist inspirierend: der warem knallrote Rollkragenpullover zum Blümchenrock.
Und weil sogar Couture-Looks am Ende der Ready-to-wear-Show gezeigt wurden, zeige ich euch meinen Favoriten, bei dem ich laut gelacht habe: ein flauschiges Ganzkörperkondom mit passender It-Bag. Herrlich.
Meine Lieblingslooks bei Valentino? Voilà:
Carven, why so shy?
Seitdem Guillaume Henry (inzwischen bei Nina Ricci) vor wenigen Jahren das französische Traditionshaus Carven wie einen Phoenix aus der Asche auferstanden ließ, konnte jüngst ein reger Designerwechsel kaum für Ruhe oder gar eine gute erkennbare Linie sorgen. Das soll sich mit dem neuen Chef Serge Ruffieux, zuvor bei Dior, nun ändern. Aber bis der sein Debut feiert, hat das anonyme Designteam übernommen – und das mit Bravour! Irgendwo zwischen Céline und Chloé, ein Herz für die Schuhe und die subtile Eleganz!


Ich wär gern eine Punk Prinzessin
Aber nur, weil Rodarte es so wunderhübsch neu inszenieren. Könnte sein, dass mich die Kunstwerke daneben auch einfach um den Finger gewickelt haben. Es handelte sich hierbei um die erste Pariser Kollektion, zumal das Geschwistergespann Laura und Kate vorher in New York gezeigt hat.



Nonchalant mit Baskenmütze
Maria Grazia Chiuri ist schon jetzt eine Institution für Dior. Erst die „I am a feminist“-Shirts, nun der unverblümte Denim-Look gepaart mit nonchalanten Kleidchen zur Baskenmütze und Crossbody-Bag. Ich würde mit der Mütze albern aussehen, aber an anderen: parfait!
Eindeutige Lieblingslooks zum direkten Nachstylen
Wir hätten hier die schönste Farbkombination: Rosa und Beige bei Nina Ricci, noch dazu so fließend leicht und elegant in der Ausführung. Dann das schönste Spitzenkleid bei Stella McCartney. Sowie das perfekte schwarze Boho-Kleid von Sonia Rykiel.
In der zweiten Zeile geht es weiter mit meinem einzigen Lieblingslook von Louis Vuitton. Ich liebe die Einzelteile, aber das Styling braucht noch ein wenig Zeit zum prozessieren. Notiert ist aber: Der Rolli darf auch unter leichten Kleidchen hervor blitzen!
Wen man eindeutig noch mehr auf dem Schirm haben sollte? Kim Ellery mit ihrem gleichnamigen Label. Die Silhouette, der Schmuck und die Knöpfe gleichen immer mehr Céline. Dieses Kleid ist so cool – ob für die Galerieeröffnung oder ein Dinner mit Freundinnen.
Und fragt mich nicht, wieso ich das Sesamstraßenoutfit von Miu Miu an Kendall Jenner so gut finde. Ich kann es nicht beantworten, würde aber sofort eine Cocktailparty darin besuchen wollen!
Nina Ricci
Stella McCartney
Sonia Rykiel
Louis Vuitton
Ellery
Miu Miu
All RED
Wenn wir künftig dem scheidenden Givenchy-Designer Riccardo Tisci huldigen wollen, so geht das mit einem All-Red-Outfit. Seine letzte Kollektion für das Haus ist ein Best-Of seiner Looks der jüngsten Jahre. Gut, dass er die Saison gleich mit auf die Models plakatiert hat.



Last but not least: The cool kid
Off-White haben wir euch letzten August im Labelwatch vorgestellt und die neue Herbst/Winterkollektion 2017 dürfte Beweis genug sein, dass wir es hier mit dem coolsten Label der Saison zu tun haben. Irgendwo zwischen Streetwear und Luxus: diese drei Looks sind der Wahnsinn!



6 Antworten auf „Modemüdigkeit ade: Jessies Lieblinge für die neue Saison direkt aus Paris“
Tolle Zusammenfassung – danke 🙂
Sehr gut gelungener Artikel!
Mir geht es momenang ähnlich mit der ganzen Überflutung, überall gibt es immer wieder etwas Neues!
Und bei deinen Photoshop-Inszenierungen musste ich regelrecht schmunzeln 🙂
Aufjedenfall siehst du besser aus in den Looks als die Models ;)…. und ich denke ein ganz bisschen ist die „Modeunlust“ auch der neuen Situation mit Baby zu verdanken. Man erkennt eben was wirklich wichtig ist und damit meine ich nicht die Shown in Paris! Aber keine Sorge, wenn du mit dem Stillen durch bist, kommen die Hormone auch wieder auf Normalkurs und die Modelust kehrt sicher zurück;). LG Nina
Mochte ich sehr: „… herrlich nah dran an der Realität. Minus den Preisschildern.“ Hihi. Und seufz.
???Das Ganzkörper-Kondom ist so GROSSARTIG! Mir fiel dabei spontan eine Packung Kresse-Sprossen ein, die im Kühlschrank noch auf Verzehr wartet… Liebe Grüße
su
Ein Kind raubt schon viel Energie. Aber aufgeben darf man nicht! Auch bei mir gibt es lustlose Tage. Motivation ist das Wichtigste!
Sobald die Sonne etwas öfter scheint, funktioniert alles von ALLEIN! 😉
Christina