Das Karriere-Interview zum 10-jährigen Jubiläum mit Stine Goya

Wer sich seit 10 Jahren in der Modebranche hält, der muss ein Geheimnis haben. Warum wir nach einer Dekade immer noch von den femininen Entwürfen von Stine Goya verzaubert sind, verrät die Designerin im Interview

Stine Goya war eine der ersten dänischen Designerinnen, die mich so richtig um den Finger gewickelt haben: Ihre Moodwelt, ihre Kleider, die Farben und Ideen – auf ihre Designs habe ich lange gespart und diese dann mit ganz viel Stolz getragen. Bei der Kopenhagen Fashion Week war sie stets mein Highlight auf dem Schauenplan, bei Interviews verzückte sie mit ihrer liebevollen, zurückhaltenden Art. Auf der Messe schrieb ich meine Order schon im Kopf auf.

Irgendwann zog sich die inzwischen zweifache Mama etwas zurück und zeigte keine Laufstegschau mehr, weil ihr der Mehrwert fehlte; die Zuschauer saßen nur noch hinter ihren Handybildschirmen, applaudierten kaum, tauchten nicht mehr in ihre Welt ein, weil sie gedanklich schon den nächsten Termin durchspielten. Ich verlor zwischenzeitlich auch ein wenig die Begeisterung, denn das Modekarussell drehte sich einfach zu schnell weiter, an jeder Ecke lockten neue Entdeckungen. Und wenn ich nun auf Stines 10-jähriges Label-Bestehen blicke, das sich genau mit meinem 10-jährigen Modeblog-Jubiläum deckt und das sie kürzlich mit uns bei einem Brunch in Berlin feierte, dann ist das schlicht und ergreifend der Lauf der Zeit. Die Kunst liegt darin, langfristig zu bestehen, Visionen zu haben, die über kurzfristige Hypes hinaus gehen. Wieder aufzustehen, wenn eine Kollektion oder eine Saison mal nicht so bahnbrechend war wie die zuvor.

Das sagt auch Stine selbst: Sich treu zu bleiben ist die grösste Herausforderung. Wofür sie heute belohnt wird, denn ihre Marke ist wieder auf der Überholspur, Expansionen in weitere Märkte sind geplant, im August steht wieder eine Jubiläums-Laufstegshow an.

Gründerin Journelles

In Berlin haben wir uns nicht nur ausgiebig übers Mama-Sein und die damit verbundenen Herausforderungen unterhalten, sondern auch auf ihr Jubiläum angestoßen. Später gab es dann noch ein paar Karriere-Fragen per Mail hinterher. Los geht’s!

Stine, du feierst dieses Jahr dein zehnjähriges Jubiläum mit deinem eigenen Label. Das hast du sofort nach deinem Abschluss am Central Saint Martins College gegründet. Warum hast du nicht erstmal Erfahrung bei anderen Labels gesammelt?

Nach meinem Abschluss war es an der Zeit für mich nach Dänemark zurückzukehren. Ich habe über sieben Jahre in England gelebt. Als ich dann ein Angebot vom dänischen Magazin Cover bekam, als Fashion Editor zu arbeiten, habe ich die Chance wahrgenommen und bin gegangen. Ein Glück, denn dadurch habe ich viele wichtige Kontakte in der Modebranche und in der Presse geknüpft.

Nach einem Jahr habe ich mich dann dazu entschieden, mein eigenes Label zu gründen. Ich wollte die Modeindustrie mitgestalten und im skandinavischen Markt gab es eine Lücke was künstlerische und verspielte Mode angeht. Gesagt, getan.

Was ist seitdem der ultimative Bestseller bei Stine Goya?

Das müsste unser „Reflection Dress“ sein. Die feminine und fließende Silhouette steht den meisten weiblichen Figuren und ist daher bei vielen Frauen ein Favorit.

Worauf bist du im Rückblick auf deine Karriere besonders stolz?

Ich bin auf viele Dinge stolz und vor allem dankbar. Seit diesem Jahr gibt es uns unfassbare zehn Jahre. Besonders in den letzten drei Jahren sind wir immer schneller gewachsen und haben unsere Anzahl an Mitarbeitern verdoppelt, weil wir immer mehr Anklang bei den Kunden finden.

Zehn Jahre sind eine sehr lange Zeit. Wird dir nie langweilig und gehen dir nicht manchmal die Ideen aus?

Ehrlich gesagt? Nein! Es war interessante Reise – mit Höhen- und Tiefen, aber ich war eines nie: gelangweilt. Ich habe so viele Ideen, daher freue ich mich auch schon auf die zehn nächsten Jahre.

Unter skandinavischem Stil stellt man sich oft schlichte, monochrome Looks vor. Deine Entwürfe sind aber verspielt und sehr feminin. Woher kommt dieser Einfluss?

Prints und Farben waren schon einfach immer mein Ding! Der Start dafür war mein Studium am Central Saint Martins College, wo ich mich auf Prints spezialisiert habe. Ich mag den Gedanken, dass meine Designs mehr als Klamotten sind – und sie ganze Geschichten erzählen können.

Du lebst in Kopenhagen. Ist es auch die perfekte Modestadt?

Kopenhagen ist mein Zuhause. Es ist der Ort, in dem ich mein Designstudio habe und ich mag die Mischung aus Metropole und kleiner Stadt. Kopenhagen reflektiert mein Label nicht direkt, aber mich und ich lebe schließlich hier.

Was war bislang die größte Herausforderung, lange im Business erfolgreich zu bleiben?

Es ist nie einfach, ein kleines unabhängiges Label zu gründen, aber ich kann nach zehn Jahren sagen, dass sich alle Mühen gelohnt haben. Es macht Spaß, sein eigenes Label wachsen zu sehen und zu merken, dass man mit seiner Leidenschaft erfolgreich sein kann – während man auf dem Weg so viele talentierte Menschen trifft.

Deine contemporary Mode liegt in einem erschwinglichen Preissegment. Bleibst du bewusst so nahbar? Wie vereinbarst du Preis und Qualität?

Preise sind immer ein schwieriges Thema. Für manche Menschen sind wir zu teuer, für andere ist der Preis bezahlbar und gerechtfertigt. Wir wissen auch, dass wir im Vergleich zu anderen dänischen Brands relativ hochpreisig sind. Gemessen an europäischen High-End-Brands sind wir aber erschwinglich. Wir halten es so: Wir haben seit Jahren das gleiche Preislevel und unsere Kunden wissen das zu schätzen.

Wie hat sich dein Stil in der letzten Dekade geändert?

Meine Kollektionen haben immer noch dieselbe DNA, wie vor zehn Jahren, als ich anfing. Die Grundidee ist trendunabhängig. Natürlich verändert man sich mit der Zeit trotzdem ein bisschen. Insbesondere, weil du über die Jahre immer mehr Erfahrungen sammelst. Aber ich glaube, ich bin meiner Design-Linie immer treu geblieben.

Ich als Designerin habe mich verändert, bin viel organisierter und habe gelernt, die Dinge ruhig anzugehen. Ich bin eine Perfektionistin und ich mag es nicht, Dinge zu präsentieren, auf die ich nicht zu 100 Prozent stolz bin – und für Perfektion braucht man Zeit.

Würdest du heute noch einmal genauso alles machen?

Vieles würde ich noch einmal genauso machen, aber natürlich habe auch ich Fehler gemacht – Gott sei dank! Ohne Fehler gibt es auch keine Entwicklung. In Sachen Distribution war ich zum Beispiel von Anfang an sehr vorsichtig. Das war gut für die DNA des Labels, aber natürlich wächst man dadurch national und vor allem international sehr viel langsamer – vielleicht langsamer, als das Potenzial von Stine Goya gewesen wäre.

Mittlerweile gibt es schon drei eigene Boutiquen in Dänemark. Wann eröffnen international die ersten?

Stine Goya wächst auf sehr organische Art und Weise. Wir denken über alles sehr sorgfältig nach, übereilen nichts. Unser größter Fokus liegt auf dem britischen und deutschen Markt, wo wir ein großes Potenzial für unser Label sehen, das merken wir auch anhand von Kunden und Presse. Weitere Läden sind natürlich aufregend und interessant und unsere Läden in Kopenhagen und Aarhus laufen gut, aber dafür müssen wir uns zu 100 Prozent sicher sein.

Wir kennen uns ja auch schon ewig. Wie siehst du die Zusammenarbeit mit Bloggern und Influencern? Inwiefern hat sich dadurch deine Arbeit verändert?

Unser Label wurde in einer Zeit gegründet, in der die ersten Blogs international relevant wurden, deswegen hat sich die Zusammenarbeit immer sehr natürlich und logisch angefühlt. Blogger, Influencer und Social Media waren immer ein wichtiger Teil unserer Reise.

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Wie groß ist heute eigentlich dein Team?

Als ich anfing, gab es nur mich. Heute besteht das Team aus 12 Mitarbeitern in unserem Head Office und wir werden immer größer.

Deine Welt besteht nicht nur aus Kleidung, sondern auch aus Schuhen, Schmuck und Accessoires? Designst du alles selbst?

Ja, ich bin persönlich sehr nah an allen Designprozessen, aber ich habe auch Unterstützung bei den Entwürfen. Wir sind ein sehr gutes Team! In der Zukunft müssen wir wahrscheinlich unser Team mit jemandem erweitern, der mich in den jeweiligen Bereichen unterstützen kann.

Wir haben viel über die Herausforderung gesprochen, Mutter von zwei Kindern und gleichzeitig Geschäftsfrau zu sein. Wie bekommst du alles gewuppt?

Work-Life-Balance! Ich glaube, dass ich diese Herausforderung mit vielen arbeitenden Eltern teile. Ich versuche meine Zeit weise und effizient einzuteilen – ich arbeite im Office und bin zu 100 Prozent Mutter, wenn ich bei meinen Kindern zu Hause bin. Bisher mache ich das, glaube ich, ganz in Ordnung, aber das wird immer eine Herausforderung bleiben.

Was sind deine konkreten Pläne mit Stine Goya für das nächste Jahr?

Ich möchte in Zukunft mit dem Label weiter wachsen und eine größere Auswahl an Produkten anbieten. Die Leute erkennen ein Stine-Goya-Piece auf den ersten Blick – diese Brand Identity möchte ich weiter ausbauen und natürlich weiterhin authentisch bleiben.

Stine Goya

Gegründet: 2007 in Kopenhagen

Bekannt für: viel Farbe, bunte Prints und Kleider

Onlineshop: www.stinegoya.com

Good to know: In der Limited Edition „The Goya Book“ zeigt die dänische Designerin die Geschichte des Labels

Du zeigst dieses Jahr im August endlich wieder auf der Kopenhagen Fashion Week. Warum warst du in der vergangenen Zeit nicht jede Saison präsent?

Aus der Sicht der Firma haben wir beschlossen, dass wir unseren Fokus auf andere Dinge legen müssen, damit unser Business wachsen kann. Jetzt ist es an der Zeit, zurückzukehren. Ich freue mich schon sehr, auf der Kopenhagen Fashion Week im August zu zeigen – die eigene Kollektion präsentieren zu können, das hat immer etwas Magisches an sich.

Bilder via copenhagenfashionweek.com

Was sind deine 3 Tipps, ein eigenes Label zu gründen?

  1. Geht raus in die Welt und sammelt zuerst Erfahrungen.
  2. Wenn ihr bereit seid, sucht euch einen Partner, der sich mit BWL und finanziellen Sachen auskennt.
  3. Bleibt eurer Design-DNA immer treu.

Vielen Dank für das Interview, liebe Stine, und alles Gute zum 10-jährigen!

Von Jessie

Ich bin Jessie Weiß, 32 Jahre jung, lebe verheiratet in Berlin, bin Mama von Levi (1), schwanger mit dem zweiten Kind sowie Gründerin von Journelles. Ich liebe Phoebe Philo, Stella McCartney und Isabel Marant, kann aus anatomischen Gründen nicht auf hohen Schuhen laufen, habe einen Céline-Taschentick, tanze und höre leidenschaftlich gern Hip Hop, kann mir selten Ironie verkneifen, leider immer noch kein Französisch sprechen, obwohl ich Paris für die schönste Modestadt der Welt halte, gucke am liebsten Jimmy Fallon, Jan Böhmermann, Game of Thrones oder entspanne beim Serienmarathon auf Netflix, bin ein kleiner Workaholic mit Multitaskingtalent, professionelle Instagram-Durchscrollerin, in jeder Lebenslage tollpatschig, habe ein Faible für skandinavisches Interior und einen Kissen-Tick, bin groß im Wellness machen und wäre daher noch lieber professionelle Hoteltesterin. Mode ist meine grosse Liebe, aber meine Kohle investiere ich eher in Reisen und Essen – und neuerdings fast ausschliesslich in mein Kind.

Als alter Bloghase – 2007 habe ich LesMads mitbegründet – ging im Oktober 2012 mein persönlicher Traum in Erfüllung: Ich habe mich mit "Journelles" selbstständig gemacht. Das Blogazine ist mein digitales Zuhause, News-Plattform, Modetagebuch und tägliche Anlaufstelle für spannenden Content rund um die Themengebiete Interior, Reisen, Beauty und sowohl High Fashion als auch Contemporary Labels und Highstreetmode.

Nebenbei habe ich die Modesendung It's Fashion auf EinsPlus von der ARD moderiert, berate Firmen im Social-Media-Bereich, halte Vorträge und reise um die Welt, um euch täglich den schönsten Content zu präsentieren. Im Juni 2015 habe ich mein eigenes Modelabel JOUUR. gegründet.

2016 ist mein Sohn Levi auf die Welt gekommen. Baby-Themen werden seither auf Mini Journelles behandelt und das nun auch wieder intensiver, da unser zweites Kind unterwegs ist.

Journelles ist inzwischen gewachsen: Wir sind ein sechsköpfiges Redaktionsteam im Berliner Prenzlauer Berg und haben im Sommer 2018 unseren ersten temporären Concept-Store, den Journelles Marché, eröffnet.

Mein Credo: Mode muss Spaß machen, auf Augenhöhe funktionieren und sollte sich nicht so ernst nehmen.

Mehr über mich findet ihr im Presse-Bereich, auf Instagram und ab und an auf YouTube. Subscribe!

Aktuelles Presse-Feature:

VOGUE.DE: "Influencer im Portrait: Jessica Weiß - Alles, nur kein Stillstand"

Kommentare (1) anzeigen

Eine Antwort auf „Das Karriere-Interview zum 10-jährigen Jubiläum mit Stine Goya“

Sehr tolles Interview! Und auch der farbenfrohe Stil ist wirklich so schön! In letzter Zeit gibt es einige dänische Labels, die auch ein bisschen weniger monochrom sind und eine feminine Note haben… Nanna Fjord (Schmuck), Mermaid Stories (Uhren), Limi Copenhagen (Taschen), … Danke auch für die Karriereinterviews, die sind immer sehr inspirierend! 🙂

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.