Shitstorm, FOMO und jetzt Phubbing: Was sich hinter dem neuen Phänomen verbirgt und wie Digital Detox helfen kann

So können wir in Zukunft unser Handy- und Social-Media-Verhalten ändern ...

Hach, sie und ich. Ich und sie. Wir beide! Wir verbringen sehr viel Zeit miteinander. So viel, dass sie mich langsam müde macht, anstrengt und mir die Kraft raubt. Man könnte fast sagen: Sie schadet mir.

Keiner gibt gerne zu, dass er ein Problem hat. Doch es ist an der Zeit, sich einiges einzugestehen: Jede Nacht schlafe ich ein – mein Handy keinen Meter von mir entfernt. Morgens schalte ich den Alarm auf meinem Telefon aus. Automatisch schaue ich direkt, was auf Instagram los ist, checke meine E-Mails und Nachrichten. Und das Morgen für Morgen, Tag für Tag. Die Zeit vor dem Bildschirm fühlt sich gut an: ein einfaches und gedankenloses Abschalten. Je länger ich jedoch auf meinen Bildschirm schaue, desto abgestumpfter fühle ich mich. Dann schaltete ich den Bildschirm schnell aus – nur um das Handy zwei Minuten später wieder in die Hand zu nehmen. Bin ich etwa digital abhängig?

Text von Alexandra Kutek

Bei jedem Geräusch wird das Handy reflexhaft gezückt. Man telefoniert damit täglich, googelt den Fahrplan, schreibt über Whatsapp fast im Minuten-Takt, scrollt durch seinen Feed auf Instagram, Facebook und Co. Bei manchen rattert, blinkt oder pfeift es minütlich, ja fast sekündlich. Uh, Britney Spears kommt nach Berlin, eine Bekannte hat übermorgen Geburtstag, Freunde veranstalten einen Grill-Abend. Man verteilt Likes, versendet Emoticons.

Seit längerem ist das Handy fast zu einem Familienmitglied geworden. Es darf mit zur Arbeit, zum Einkaufen, liegt beim Essen neben dem Teller oder mit auf dem Handtuch am Strand. Man redet sich ein, dass man das Handy schließlich braucht, falls die Polizei gerufen werden muss oder man sich verfahren hat.

Ja, der digitale Einfluss auf unseren Alltag ist nicht zu verkennen. „Hast du schon das neue Bild von Beyoncé gesehen?“ oder „Google doch mal kurz, wie wir fahren müssen.“ Sätze, die unseren Alltag dominieren. Wie oft sehe ich Menschen eine Straße überqueren, während sie auf ihr Handy starren. Oder Freunde nebeneinandersitzen, die sich anschweigen und auf ihr Handy gucken.

Lassen wir uns gerade das reale Leben klauen?

Was bedeutet nun Phubbing?

Immer häufiger widmet man seinem Smartphone mehr Aufmerksamkeit als seinem Gegenüber. Dafür wurde nun ein neues Wort entwickelt: Phubbing kommt aus dem Englischen und ist eine Kombination aus Phone und snubbing (jemanden beleidigen). Das passiert, wenn Menschen, statt dem Gegenüber ihre Aufmerksamkeit zu schenken, auf ihr Handy starren.

Noch so ein neues Wort, das in Verbindung mit der Digitalisierung und Social Media entstanden ist. Damit reiht sich Phubbing zu Begriffen wie Shitstorm, ein Sturm von Negativ-Reaktion auf ein Thema, eine Person oder eine Firma, oder wie FOMO, Fear of missing out – die Angst, etwas zu verpassen bzw. sich vom sozialen Leben ausgeschlossen zu fühlen. Social Media normalisiert hohe Lebensstandards – Unsicherheit, Neid und Unzufriedenheit sind die Folge.

Doch wieso schauen wir trotzdem immer wieder auf unser Handy? Psychologen haben herausgefunden: Wenn wir auf unser Handy gucken, bekommen wir ab und zu ein gutes Gefühl – sei es eine nette Nachricht oder eine interessante News. Mit diesem Schuss von Glückshormonen Dopamin und Serotonin assoziieren wir unterbewusst unser Handy mit einer Belohnung (ähnliches spielt sich im Körper bei Drogenabhängigkeit ab). Oder das genaue Gegenteil geschieht: Die Angst etwas zu verpassen erhöht die Anzahl von Neurotransmittern wie das Stresshormon Cortisol. Daher checken wir wie Junkies immer wieder unser Telefon.

Außerdem beruhigt uns das Handy laut Forschern, wenn wir uns unwohl oder unsicher fühlen – wenn man etwa beim Arzt wartet und sich die Zeit vertreibt oder unter fremden Menschen ist und sich in die virtuelle Welt flüchtet.

Das Problem liegt nicht an unseren Handys, sondern an unserer Beziehung zu ihnen:

Wir leben im digitalen Dauerstress. Und je mehr Aufgaben das Smartphone für uns übernimmt, desto unersetzlicher wird es. Laut Bitcom nutzen acht von zehn Deutschen das Smartphone, davon entsperrt laut Untersuchungen {in der Süddeutschen} der durchschnittliche Nutzer sein Gerät pro Tag rund 80 Mal – also ungefähr alle zwölf Minuten. Tendenz steigend. Und das auch gerne grundlos, selbst wenn das Telefon schweigt. 42% der Deutschen nutzen ihr Handy sogar auf der Toilette. Laut der Zeit sterben mindestens 300 Deutsche jährlich, weil ein Autofahrer nicht die Finger vom Handy lassen konnte.

„Das Problem liegt nicht an den Handys, sondern an unserer Beziehung zu ihnen“, schreibt Catherine Price in ihrem Buch „How to Break Up with Your Phone“. Es geht nicht darum, auf das Handy völlig zu verzichten. Es geht lediglich um Grenzen – um Grenzen, die es in jeder gesunden Beziehung gibt. Und dabei kann der digitale Detox, also eine digitale Entgiftung, helfen!

Jessie hat zum ersten Mal eine digitale Sommerpause gewagt. Auf E-Mails gab es eine Abwesenheitsnotiz, auf Journelles wurde drei Wochen kein neuer Artikel hochgeladen und auch auf Instagram war Jessie mehr als eine Woche abstinent. Das tat gut! Und mittlerweile gibt es sogar Hotels und Restaurants, die technische Geräte verbieten, um dem Immer-Erreichbar-sein-Trend entgegenzuwirken.

Nun ist es ja schön und gut im Urlaub für ein paar Tage oder Wochen aufs Handy zu verzichten – doch kaum im Alltag zurück, greifen wir wieder zu oft zum Telefon.

Daher gibt es hier einige Tipps, wie man eine digitale Entgiftung im Alltag versuchen kann – und dabei muss es nicht gleich so drastisch sein, quasi Digital Minimalism:

1. Digital-Detox-Apps

Es gibt Apps, die helfen sollen, den Handygebrauch einzuschränken. Quality Time, Menthal oder Offtime zeichnen auf, wie häufig man sein Smartphone einschaltet und was man macht. Am Ende des Tages kommt die Bilanz. Das kann ein Weg sein, um sich bewusst zu werden, was man da eigentlich tut. Die Apps sind ein Mittel zur Selbsterkenntnis. Und die ist ja bekanntlich der erste Schritt!

 

2. Handy-freie Räume

Wer sich mehr zutraut, der sollte Smartphone-Sperrgebiete zu Hause einrichten. Da bietet sich das Schlafzimmer an. Oder wie wäre es für den Anfang mit dem Esstisch?

 

3. Flugmodus

Wer die Finger von dem Handy einfach nicht lassen kann, der kann eine zusätzliche Hürde einbauen. Ist das Handy im Flugmodus, muss man einiges mehr am Smartphone tippen, um zu prüfen, wie die Whatsapp-Welt aussieht. Die Hemmschwelle ist dann oft zu hoch, also lässt man das Telefon doch in Ruhe.

4. Handy-freie Zeit

Cathrine Price schlägt einen „Digital Sabat“ vor. Gemeinsam mit ihren Freunden legt sie das Telefon einmal im Monat für 24 Stunden weg. Für Menschen, die unter der ständigen Erreichbarkeit leiden, wirkt es nach einiger Zeit befreiend. Wem das zu radikal ist, der kann mit kürzeren Pausen anfangen. Das Handy ein oder zwei Stunden vor dem Schlafengehen nicht zu benutzen, kann schon helfen.

Statt der ständigen Angst vorm Verpassen sollten wir uns alle einfach mal entspannt zurücklehnen und das Hier und Jetzt genießen.

JOMO! „Joy Of Missing Out“, die Freude am Verpassen, ist so etwas wie die Antwort auf FOMO und die digitale Sucht. Viel Glück dabei!

 

Kommentare (7) anzeigen

7 Antworten auf „Shitstorm, FOMO und jetzt Phubbing: Was sich hinter dem neuen Phänomen verbirgt und wie Digital Detox helfen kann“

Hach, sie und ich. Ich und sie…sie schadet mir. Wer ist denn sie? Die Handy? Leider ist mir der Bezug nicht klar geworden. Auch dass man 2 Beiträge mit „Hach“ beginnt (#Celinebyhedislimane), überzeugt mich stilistisch nicht so richtig. Vielleicht habe ich es aber einfach nicht verstanden 😉 Ansonsten finde ich die Artikel gut geschrieben und inhaltlich interessant.
Liebe Grüße

Ha, ha. Ich hab genau das Gleiche gedacht. Wer sein Handy so weit personalisiert, ihm ein zugedachtes Geschlecht zu verpassen, der hat in der Tat ein Problem. 😀

Ups, erwischt 😉 Auf das „hach“ sollte ich wirklich in Zukunft verzichten. „Ich und es“ klang auch komisch, aber ich gebe dir da Recht, ein anderer Anfang wäre vielleicht besser gewesen 😉 Danke für dein Feedback! Liebst, Alex

Bei der Kolumne erkennt man sich selbst leider nur zur gut. Aber ich versuche nun mal so ein App und werde wahrscheinlich entsetzt sein, wieviel Zeit ich mit meinem Handy verbringen. liebe Grüße Jen

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.