The State of Fashion 2021: Branchen-Insights und 5 Tendenzen für die Zukunft der Modewelt

Die mit der Corona-Pandemie einhergehenden Einschränkungen im Alltag machen vor der Fashion-Branche keinen halt, doch etwas Gutes hat es auch: Unser Verhalten als KonsumentInnen und wirtschaftliche Akteure wird sich nachhaltig verändern. Was muss sich ändern? The Business of Fashion Chefredakteur und CEO Imran Amed und Achim Berg, Leiter der Apparel, Fashion and Luxury Practice von McKinsey & Company gaben im Zoom Talk diese Woche erste Beispiele einer neuen Zukunft.

Ein verlängerter Lockdown, geschlossene Geschäfte, fehlende Umsätze, Reisebeschränkungen und der Ausfall von Events: COVID hat die ohnehin schwierige Situation der Modebranche noch einmal verschärft. Hinzukommen besondere Arbeitsbedingungen (Homeoffice, Kurzarbeit) und Herausforderungen wie etwa der Klimawandel, der wie ein Damoklesschwert über den globalen Entwicklungszielen der Branche schwebt. Kurzum: Es muss umgedacht werden!

Nachdem sich das Virus im vergangenen Frühling rasant ausgebreitet hatte, suchten Unternehmen weltweit nach Lösungen und neuen Ideen. Vom plötzlichen Hype um Instagram Reels und IGTV (habt ihr schon unsere neue Folge Journelles TV gesehen?) über rein digitale Modenschauen bis hin zu Podiumsdiskussionen via Zoom, was als Überbrückung gedacht war, entwickelt sich laut Berg jetzt zum langfristigen Trend. Auch der jährliche „The State of Fashion Report 2021“, der von BoF und McKinsey herausgegeben wird, macht die wachsende Bedeutung digitaler Kanäle deutlich.

Darüber hinaus gewinne Themen wie soziale Gerechtigkeit und Fairness künftig noch mehr an Bedeutung. „2021 wird ein Jahr, in dem sich die Spreu vom Weizen trennt. Es kommt darauf an, wie innovativ ein Unternehmen ist“, erklärt Berg gegenüber Amed im Zoom-Gespräch. Unabhängig davon hänge außerdem viel von äußeren Einflüssen (Impfquote, Wetter, Mutationen) ab.

Reisen werden bis weit ins Jahr reduziert sein, sowohl international als auch national. Es wird dauern bis sich das Ganze wieder normalisiert“, meint Berg. 

Neue Formate: einige unserer Highlights

2021 wird ein Jahr, in dem sich die Spreu vom Weizen trennt. Es kommt darauf an, wie innovativ ein Unternehmen ist – Achim Berg, McKinsey & Company

Die beliebtesten Shopping-Destinationen in den USA und Europa, von der New Yorker 5th Avenue bis hin zur Oxford Street in London, sind leergefegt. „Das Stadtzentrum wirkt wie eine Geisterstadt“, erzählt BoF Chefredakteur Amed. Das Büro des Unternehmens liegt in der britischen Hauptstadt. Wie hier in Deutschland arbeiten zahlreiche Briten jedoch seit Monaten von Zuhause aus. Der Lockdown ist dort sogar nochmal eine Nummer härter, das Gesundheitssystem überlastet, die Wirtschaft am Tiefpunkt.

Berg könnte demnach Recht behalten, wenn er sagt, dass viele Stores über kurz oder lang schließen möchten. Ein Beispiel: Topshop. Die Mega-Modekette macht einen seiner größten Filialen auf der sonst belebten Oxford Street dicht. Die Retail-Landschaft wird sich verändern auch hier in Deutschland. Doch was passiert mit den ganzen leerstehenden Flächen?

Berg zeichnet drei mögliche Retail-Szenarien:

  1. 2021 bedeutet den Anfang vom Ende reiner Shopping-Meilen. Vor allem Luxusunternehmen, die es sich leisten können, werden sich an den besten High Traffic Standorte konzentrierter ansiedeln. Das gilt insbesondere für Großstädte wie Berlin, New York oder London
  2. In Deutschland werden kleine und mittlere Städte kurzfristig einen Aufschwung erleben. Großstädte werden dagegen auf Dauer unattraktiver, wovon kleine Boutiquen profitieren könnten 
  3. Der Trend vom Erlebnis-Shopping breitet sich aus. Bedeutet: Gewinner sind diejenigen, deren Shop-Konzepte ausgefeilter und Kundenfokussierter bzw. individueller sind

Im Grunde hat die Corona-Krise eine längst überfällige Revision der Modebranche nur beschleunigt. Der stationäre Handel muss nahbarer, authentischer werden. In Zukunft ginge es Berg zufolge zudem weniger um Brands (Stichwort Logo-Mania), sondern um das Produkt und die Message bzw. die Menschen, die dahinter stecken. Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein werden in diesem Zusammenhang immer essentieller „und zwar nicht als Ad-on einer Marke, sondern als Basis, um das sich das ganze Konzept dreht“, ergänzt Amed von BoF.

Ein wichtiger Aspekt sei außerdem der Unterschied zwischen dem asiatischen und europäischen sowie amerikanischen Markt. China habe die Pandemie laut Berg weitaus schneller in den Griff bekommen. Hierzulande und in den USA sind die Zahlen jedoch weiterhin sehr hoch. Gerade erst wurde der Lockdown bis Mitte Februar verlängert und die Maßnahmen ausgeweitet. Berg prognostiziert daher, dass sich die Modeindustrie erst im kommenden Sommer langsam anfangen wird zu erholen.

5 Tendenzen für die Modewelt der Zukunft

(basierend auf der „The State of Fashion 2021“ Studie von The Business of Fashion und McKinsey & Company)

  1. Digitalisierung wird weiter vorangetrieben: Die Corona-Pandemie hat einen Großteil der Modebranche dazu gezwungen, auf digitale Formate umzusteigen. AI, Zero Waste Tech, Augmented Reality und eine verbesserte Workforce-Technologie verändern schon jetzt unsere Zukunft.
  2. Nachhaltigkeit wird Schlüsselthema 2021: Nachhaltigkeit bleibt das Buzzword für die Fashion-Szene. Wenn Unternehmen Erfolg haben wollen, müssen sie den globalen Klimazielen und dem wachsenden Interesse der Verbraucher an umweltbewussten Konzepten nachgeben und entsprechende Strategien entwickeln.
  3. Fairness und soziale Gerechtigkeit stehen im Fokus: In Krisenzeiten fokussieren wir uns auf das Wesentliche. Für die Modebranche bedeutet das eine Re-Evaluation des gesamten Systems und wer daran beteiligt ist. Da sich viele Menschen gerade in einer Notlage befinden, wird auch die Wertschöpfungskette eines Unternehmens künftig genauer unter die Lupe genommen. Sicherheit, Gerechtigkeit, Würde und Fairness werden das A und O für den Erfolg einer Marke.
  4. ROI im Einzelhandel: „Buy, Use, Repair“ ist ein Konzept auf das schon jetzt viele Unternehmen setzen. Statt massenhaft in neue Kleidung zu investieren, wird sich der Wunsch nach weniger, dafür besser vergrößern. Modemarken wie Patagonia entwickeln schon jetzt Konzepte, die in Sachen Profitabilität umdenken und Kollektionen nachfrageorientiert produzieren (Stichwort „Made to order) bzw. Möglichkeiten zur Aufarbeitung/Recycling/Secondhand anbieten.
  5. Die moderne Arbeitswelt: Dass viele von uns im Homeoffice arbeiten ist spätestens seit 2020 völlig normal. Auch in dieser Hinsicht müssen Unternehmen langfristig umdenken. Mitarbeiter werden, wo möglich, mehr Flexibilität einfordern. Die Arbeitswelt wird revolutioniert, dadurch aber auch neue Möglichkeiten der Interaktion und Zusammenarbeit geschaffen.

Header-Foto: Dries van Noten SS 2015 fotografiert von Jessie

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.