Wie Tijen Onaran Frauen in der Gründungsphase als Business Angel unterstützt – mein Interview für She’s Mercedes

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Gründerin Journelles

Als ich mich kürzlich mal wieder mit meinem wenig aktiven LinkedIn-Kanal beschäftigt, Kontakte hinzugefügt und Business-Feeds abonniert habe, wurde mir immer wieder ein Kontakt vorgeschlagen: Tijen Onaran. Eigentlich kein Wunder, denn Tijen hat das Netzwerken perfektioniert und über das Thema persönliche Markenbildung sogar einen Bestseller – „Nur wer sichtbar ist, findet auch statt“ – geschrieben. Gleichberechtigung ist ihr großes Ziel: Mit ihrem Unternehmen „Global Digital Women” hat sie viele Firmen hinsichtlich der Rekrutierung von Frauen auf Führungsebenen beraten, sogenannte „unconscious bias“-Workshops gegeben – um beispielsweise in Bewerbungsgesprächen unbewusste Voreingenommenheit in Bezug auf Geschlecht, Hautfarbe oder Religion zu vermeiden – und ist durch ihre eigens veranstalteten Netzwerktreffen selbst Start-Up-Investorin geworden.

Sie ist eine der wichtigsten Botschafterinnen Deutschlands, wenn es um Diversität und weibliche Sichtbarkeit in der Digitalwirtschaft geht. Mit dem „Digital Female Leader Award” rief sie 2016 den bedeutendsten Preis für weibliche Nachwuchs- und Führungskräfte ins Leben und gibt damit Gründerinnen und Unternehmerinnen aus den Bereichen Finanztechnologie, Nachhaltigkeit, Bildung, digitale Transformation oder auch aus dem Lifestyle-Segment und Gesundheitswesen eine Bühne.

 

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Derzeit arbeitet Tijen an ihrem eigenen Venture Capital Fond für von Frauen gegründete Start-Ups, denn: Rund 97 Prozent aller Venture Capitals – das sind Gesellschaften, die sich mit investiertem Geld an verschiedenen Start-Ups beteiligen – werden von Männern geführt. Und die wiederum investieren statistisch gesehen auch öfter in Männer. Der „Wirtschaftsinsider“ hat in einer Studie herausgefunden, dass mehr Investorinnen auch zu mehr Gründerinnen führen. Derzeit sind es nur knapp 15 Prozent in Deutschland. Wie wird man also ein weiblicher Business Angel, welche finanziellen Mittel braucht es dafür und wie kann man Tijen von einer Gründungsidee überzeugen? Ich habe Tijen, die zwischen München und Berlin pendelt, Lockdown-bedingt via Zoom getroffen und ihr all die Fragen stellen können und zudem vier starke Tipps im Gepäck, wie künftige Gründer*innen Investor*innen finden.

Viel Spaß beim Lesen!

„Es geht nicht darum, dass Frauen mitspielen dürfen, sondern dass sie die Spielregeln mitbestimmen.“

Ihre eigenen Erlebnisse und Eindrücke in der Politik haben ihr gezeigt, wie wichtig das Thema Gender-Diversität in Unternehmen auch noch im Jahr 2021 ist. Als Kind türkischer Eltern wächst Tijen Onaran in Karlsruhe auf und kandidiert bereits mit Anfang 20 für die FDP in Baden-Württemberg. „Da habe ich plötzlich gemerkt, dass ich eine Exotin bin – die erste Frau mit Migrations-Vordergrund, die erste ohne typisch liberalen Hintergrund“, erzählt sie. Das „Störgefühl” in der Männerdomäne kann ihr auch ihre Mentorin, die damalige EU-Abgeordnete Silvana Koch-Mehrin, nicht nehmen. Sie kann sie aber dazu ermutigen, Feminismus zu leben: Sich nicht nur darüber im Klaren zu sein, dass etwas falsch läuft, sondern es aktiv zu verändern.

Tijen ruft vor sieben Jahren einen Stammtisch ins Leben, für den sie Frauen aus Politik, Wirtschafts- und Verbandswelt für einen lockeren Austausch zusammenbringt. Jeden Monat in einem ausgewählten Kreis, anfangs nur mit etwa zehn Personen. Das Vernetzen, damals noch via Facebook-Gruppe, hat sich ausgezahlt: Heute hat Tijen neben fast 60.000 LinkedIn-Kontakten auch offline ein starkes Netzwerk aufgebaut. „Der Austausch war für mich immer sehr wichtig. Man braucht Menschen, die an dich glauben, selbst wenn du es nicht tust.“ Daraus ist die Idee für ihr eigenes Business entstanden: Mit „Global Digital Women” (GDW) gründet Tijen gemeinsam mit ihrem Mann ein Unternehmen, das Firmen hinsichtlich Gender-Diversität berät. Mit ihrem inzwischen 15-köpfigen Team unterstützt sie bei der Rekrutierung von Frauen in Führungspositionen, Diversity Consulting, Stellenausschreibungen oder gibt Workshops.

 

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Über Nacht ist ihr Unternehmen aber nicht gewachsen: „Besonders am Anfang ist fast jeder Tag ein Rückschlag. Man schickt 50 E-Mails täglich raus und es kommt wochenlang so gut wie nichts zurück. Ich habe mich dann mit kleinen Dingen motiviert. Eine neue LinkedIn-Anfrage, ein Like für meine Instagram-Inhalte, auch überhaupt eine Antwort auf meine Mail waren für mich kleine Erfolge.“ In einem Erfolgstagebuch schreibt sie sich alle noch so kleinen Meilensteine auf, um motiviert zu bleiben.

Durch das Verschriftlichen merkt sie, dass die Gründung zwar zunächst zäh verläuft, ihre Idee aber doch allmählich Zuspruch bekommt: „Mit der ersten Zusage kamen weitere Zusagen, Vernetzungen und neue Möglichkeiten.“ Ihr Durchhaltevermögen und ihre Beharrlichkeit haben Tijen durch den nicht allzu glamourösen Start-Up-Alltag geholfen. „Man redet in Deutschland oft nur über Erfolge, aber nicht darüber, wie hart es am Anfang sein kann.“ Ihr Wille, die Start-Up-Welt nachhaltig attraktiver für Frauen zu gestalten, treibt sie an – und daraus ist schließlich die Idee für ihren eigenen Venture Capital Fond entstanden.

Über eine Bekannte lernt Tijen bei einer Ausgabe ihres Digital Female Leader Awards Jaclyn Schnau, die Gründerin von Pumpkin Organics kennen – ein Hersteller für Baby- und Kindernahrung in Bio-Qualität – und erfährt, dass diese auf der Suche nach Investor*innen ist. Tijen ist von Jaclyn, ihrer Idee und ihren Plänen begeistert. Obwohl sie mit Babynahrung noch keine Berührungspunkte hatte, beschließt Tijen in das Start-Up zu investieren, nachdem sie sich den Markt genau angesehen hat.

Und der ist nicht nur groß, sondern vor allem international bespielbar. Sie investiert erstmals eine größere Summe aus den Gewinnen ihres eigenen Start-Ups und wird somit zum Business Angel. Ihr Gespür war genau richtig: Pumpkin Organics geht es heute sehr gut und die Vertriebskanäle wachsen. Inzwischen sind die Produkte bei großen Märkten wie dm, Rossmann, Rewe oder Amazon erhältlich und das Sortiment wird stetig erweitert. Doch mit ihrem ersten eigenen Investment merkt Tijen, wie schwer es besonders für Frauen ist, in der Szene Investor*innen oder Business Angels zu finden. Aus dieser Erkenntnis heraus beschließt sie, den Markt grundlegend zu verändern und ist derzeit im Prozess, ihren eigenen Venture Capital Fond zu gründen – für von Frauen geführte Unternehmen und Start-Ups. Die Geldgeber*innen für den Fond sollen institutionelle Unternehmen sein, denn „besonders denen fehle es oft an Innovationsgeist“, sagt Tijen.

 

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Von der Gründerin zum Business Angel

Ein Business Angel ist jemand, der Unternehmer*innen Kapital gibt, um damit deren Wachstum zu fördern. Viele Menschen sind Business Angels, ohne es zu wissen – zum Beispiel Familie oder Freunde, die einem für den Start des eigenen Unternehmens Geld geben. „Dabei gibt es verschiedene Modelle, wie man Investments gestalten kann. Man kann zum einen neben monetärer Hilfe seine Expertise oder sein Netzwerk mit in das Unternehmen bringen und dafür Anteile erhalten oder eben klassisch eine bestimmte Summe gegen Unternehmensanteile investieren“, erklärt Tijen.

Im kleinen Rahmen kann man das zum Beispiel in Form von Crowd Fundings machen. Hierbei erhält man meist keine Unternehmensanteile, dafür aber kleine Goodies oder andere Gegenleistungen für sein Investment. Das kann zum Beispiel ein Produkt aus der Beta-Phase sein, die erste Produktion des Unternehmens oder Zugang zu einem Netzwerk. „Für GDW gab es keine Förderprogramme oder Möglichkeiten, an Geld zu kommen. Deswegen haben wir das mit Hilfe von Freund*innen und Familie gemacht. Sobald man dann Unternehmerin ist, setzt man sich mit dem ganzen Business-Game auseinander.“ Dadurch merkt Tijen auch, dass Frauen oftmals erst gar keinen Zugang zu Investitionsmitteln bekommen.

Doch wie kann man Tijen als Investorin gewinnen?

Seit der Veröffentlichung ihres Vorhabens für den Venture Capital Fond bekommt sie regelmäßig Geschäftsideen und Anfragen per E-Mail und auf LinkedIn. Genau das war ihr Plan, denn offen und viel über Ideen in der Gründungsphase zu sprechen, sorgt für neue Impulse, Kontakte und Erkenntnisse. „Menschen investieren in Menschen“, sagt sie, weshalb es nicht nur um einen guten Businessplan, eine nachhaltige Idee und einen Platz auf dem bestehenden Markt geht. Letztlich muss sie mit den Gründerinnen auf einer Wellenlänge sein, weil man in Zukunft eng miteinander arbeiten wird.

Besonders Lifestyle-Produkte, die von anderen Investor*innen gern belächelt werden, möchte Tijen in ihr Portfolio aufnehmen. Die vielen Anfragen zeigen ihr: So einen Fond braucht der Markt. „In London, den USA oder Israel gibt es das natürlich schon längst. Hier in Deutschland höre ich immer: ‚Ach Frau Onaran, das ist doch kein Business-Case. Ich will doch nicht ins Geschlecht investieren, sondern in die Leistung.‘

Aber wir haben eben schon viel zu lange ins Geschlecht investiert. Sonst gäbe es nicht so viele Männer-Start-Ups.“ Männer und Frauen sollten in allen Sparten der Gesellschaft gleichermaßen repräsentiert sein und das auch in Gründerteams und als Investor*innen: „Es geht nicht darum, dass Frauen mitspielen dürfen, sondern dass sie die Spielregeln mitbestimmen. Man kann ja nicht einfach die Hälfte der Bevölkerung ausklammern.”

Tijen zieht besonders aus der Erziehung und Sozialisierung von Frauen die Erkenntnis, dass sie nicht lernen, laut und deutlich zu kommunizieren. „Nicht so laut! Halte dich zurück! Beine zusammen! Nicht so schnell! Wenn Mädchen das schon ständig als Kinder hören, setzen sich diese Angewohnheiten auch im späteren Leben fort.“ Wichtig sei die richtige Kommunikation: „Die lernt man eben von anderen Frauen und Vorbildern“, sagt Tijen. Und geht mit bestem Beispiel voran.

 

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Copyright Foto Header: Urban Zintel

Von Jessie

Ich bin Jessie Weiß, 32 Jahre jung, lebe verheiratet in Berlin, bin Mama von Levi (1), schwanger mit dem zweiten Kind sowie Gründerin von Journelles. Ich liebe Phoebe Philo, Stella McCartney und Isabel Marant, kann aus anatomischen Gründen nicht auf hohen Schuhen laufen, habe einen Céline-Taschentick, tanze und höre leidenschaftlich gern Hip Hop, kann mir selten Ironie verkneifen, leider immer noch kein Französisch sprechen, obwohl ich Paris für die schönste Modestadt der Welt halte, gucke am liebsten Jimmy Fallon, Jan Böhmermann, Game of Thrones oder entspanne beim Serienmarathon auf Netflix, bin ein kleiner Workaholic mit Multitaskingtalent, professionelle Instagram-Durchscrollerin, in jeder Lebenslage tollpatschig, habe ein Faible für skandinavisches Interior und einen Kissen-Tick, bin groß im Wellness machen und wäre daher noch lieber professionelle Hoteltesterin. Mode ist meine grosse Liebe, aber meine Kohle investiere ich eher in Reisen und Essen – und neuerdings fast ausschliesslich in mein Kind.

Als alter Bloghase – 2007 habe ich LesMads mitbegründet – ging im Oktober 2012 mein persönlicher Traum in Erfüllung: Ich habe mich mit "Journelles" selbstständig gemacht. Das Blogazine ist mein digitales Zuhause, News-Plattform, Modetagebuch und tägliche Anlaufstelle für spannenden Content rund um die Themengebiete Interior, Reisen, Beauty und sowohl High Fashion als auch Contemporary Labels und Highstreetmode.

Nebenbei habe ich die Modesendung It's Fashion auf EinsPlus von der ARD moderiert, berate Firmen im Social-Media-Bereich, halte Vorträge und reise um die Welt, um euch täglich den schönsten Content zu präsentieren. Im Juni 2015 habe ich mein eigenes Modelabel JOUUR. gegründet.

2016 ist mein Sohn Levi auf die Welt gekommen. Baby-Themen werden seither auf Mini Journelles behandelt und das nun auch wieder intensiver, da unser zweites Kind unterwegs ist.

Journelles ist inzwischen gewachsen: Wir sind ein sechsköpfiges Redaktionsteam im Berliner Prenzlauer Berg und haben im Sommer 2018 unseren ersten temporären Concept-Store, den Journelles Marché, eröffnet.

Mein Credo: Mode muss Spaß machen, auf Augenhöhe funktionieren und sollte sich nicht so ernst nehmen.

Mehr über mich findet ihr im Presse-Bereich, auf Instagram und ab und an auf YouTube. Subscribe!

Aktuelles Presse-Feature:

VOGUE.DE: "Influencer im Portrait: Jessica Weiß - Alles, nur kein Stillstand"

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.