Ein Selfie hier, ein Outfit of the Day da, ein Food-Bild hier – den ganzen Tag hören wir nur noch ein Geräusch: klick, klick, klick. Wir Modeblogger haben uns daran gewöhnt, unser ganzes Leben mit der Kamera festzuhalten. Was nicht fotografiert wurde, hat in der späteren Erinnerung vielleicht nie stattgefunden. Jeder Moment ist #instagramworthy, jedes Outfit ein #ootd und jeder Mensch ein potenzielles #model. Ein Leben ohne Handy? Unvorstellbar.
Dem würde auch Modefotograf Peter Lindbergh zustimmen. Zwar nicht, weil er seine Fans auf Instagram immer auf dem Laufenden halten, aber jeder Moment festgehalten werden will. Lindberghs Hände: nie leer, denn entweder hält er eine seiner Kameras darin, ein Glas Champagner oder sein iPhone. So war es auch bei der Eröffnung seiner neuen Ausstellung in der Kunsthalle München, als er die Besucher mit typischem Udo-Lindenberg-Akzent persönlich begrüßte und an seinem Lebenswerk teilhaben ließ.
46 Jahre Karriere. Millionen von Fotos, Tausende fotografierte Frauen, hunderte Magazincovers – komprimiert auf fünf riesige Ausstellungsräume. Thierry-Maxime Loriot, Kurator der Ausstellung, Freund von Lindbergh und ehemaliges Kampagnenmodel von Burberry, verschwand dafür monatelang in Lindberghs Archiv, grub sich durch hunderttausende von Fotos, sichtete Polaroids, die vor ihm noch nie jemand gesehen hatte und fand Schätze und Zeitzeugen einer unglaublichen Berufslaufbahn.
Lindbergh hatte sie alle vor seiner Linse und eine Biografie zu schreiben, wäre eine echte Fleißaufgabe und würde einem historischen Roman gleich kommen. Stattdessen erzähle ich euch lieber drei Dinge, die ihr im Kopf haben solltet, wenn ihr durch die Ausstellung schreitet, Alicia Vikander in dem schönsten Portrait tief in die Augen schaut, in der Dunkelkammer Moritz Bleibtreu entdeckt und die glitzernden Kleider bestaunt, die von Hand mit abertausenden von Swarovski-Steinen benäht wurden, nur um auf Lindberghs Aufnahmen wie reine Diamanten zu funkeln.
1.
In einem der Ausstellungsräume wurde das private Archiv von Lindbergh nachgebaut. Dort finden sich Inspirationen seiner Shootings, Cover von Magazinen, Polaroid-Aufnahmen und die berühmten Pirelli-Kalender. Und die kriegen nicht viele Menschen zu sehen, da sie nicht käuflich sind und ihre Auflage streng limitiert. Für das nachgebaute Privat-Archiv reiste extra der Assistent von Lindbergh an und zerriss einen der 5000 Pirelli-Kalender der 2017 Ausgabe, die von Lindbergh fotografiert wurde. Das alleine wäre eigentlich schon ein Fakt. Aber noch viel beeindruckender ist, dass Lindbergh der einzige Fotograf ist, der drei Pirelli Kalender fotografiert hat. Das Regelwerk besagt nämlich, dass ein Fotograf nur zweimal den Kalender fotografieren darf. Für Peter Lindbergh wurde eine Ausnahme gemacht.
2.
Für dieses Foto kletterte Tina Turner tatsächlich auf den Eiffelturm. In High Heels. „Es ist zwar nicht ganz so hoch, wie es auf dem Bild aussieht, aber es war trotzdem schon sehr hoch“, bestätigt Thierry-Maxime Loriot.
R-e-s-p-e-c-t Tina!
3.
Das wohl berühmteste Foto von Lindbergh der Topmodels Estelle Léfebure, Karen Alexander, Rachel Williams, Linda Evangelista, Tatjana Patitz und Christy Turlington von 1988 wurde erst von der Vogue abgelehnt. Die Begründung: Auf dem Foto würde weder Mode, noch Zeitgeist dargestellt. Stimmt. Stattdessen sah man ganz 80er-Jahre untypisch Natürlichkeit, kein Make-up und schlichte weiße Hemden. Dass gerade diese Aspekte das Foto einmalig machten, war der damaligen Vogue Chefredakteurin anscheinend nicht klar. Die Erkenntnis kam aber, wenn auch spät, und spätestens seit diesem Foto kennen alle die abgelichteten Frauen nicht mehr nur als Models, sondern als DIE Supermodels.
Peter Lindbergh veränderte die Modefotografie mit seinen natürlichen Aufnahmen für immer – denn Mode bedeutet eben nicht nur Trends, Schnelllebigkeit und starkes Make-up, sondern viel mehr die Aufnahme eines Moments, eine starke Persönlichkeit und kunstvolle Inszenierungen von interessanten Charakteren, die die Zeit prägen. Und wer davon noch mehr sehen mag— oder noch mehr Fakten, z.B. über Lindberghs Schuhsammelleidenschaft erfahren möchte –, der muss sich die Ausstellung „From Fashion to Reality“ in der Kunsthalle München einmal selbst ansehen. Denn dort gewährt Lindbergh Einblicke in seine Arbeit, die der Öffentlichkeit immer verwehrt wurden. Bis jetzt.
– In freundlicher Zusammenarbeit mit Swarovski
3 Antworten auf „Die Peter Lindbergh Ausstellung – Wenn aus Frauen Topmodels werden“
Ein schöner Artikel über eine wunderbare Ausstellung, leider immer sehr überfüllt…..
Aber wir haben uns zu den Fotos durchgekämpft 😉
Ich kam gestern in den Genuss die Ausstellung zu sehen und war begeistert. Tolle Fotos von einem spannenden Mann. Die ungestellten, emotionalen Portraits von Eddie Redmayne, Tilda Swinton und Alicia Vikander haben es mir besonders angetan.
Ja, das Porträt von Alicia Vikander ist auch mein Favorit!