„Generell klicken Menschen eher auf das Herz, als einen Kommentar zu schreiben“ – Interview mit Valentina Ullberg von Myinteriordetails

"Die Konkurrenz ist viel grösser! Ich sehe so viele tolle Accounts, die eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätten."

Schlichte Farben in Grau, Weiß, Beige, wunderschöner Stuck an den Wänden, daneben ein graues Sofa aus Samt: Wer die Wohnung in einer Seitenstraße in Madrid betritt, steht mitten in einem Kunstwerk. Gestaltet hat sie die Deutsch-Schwedin Valentina Ullberg. Sie arbeitet als Interior-Designerin für das Immobilienunternehmen Nordic Standard, das Wohnungen in Madrid umbaut und einrichtet.

Valentina hat nicht, wie man annehmen würde, Architektur studiert oder gar eine Karriere im Interior Design geplant, sie hat zunächst einen Blog und ihren Instagram-Account Myinteriordetails gegründet. Dort inspiriert sie ihre 66.000 Follower beinahe täglich mit den schönsten Interior-Bildern aus aller Welt. Aus ihrem Hobby wurde eine Bewerbungsmappe und ihr bestes Aushängeschild.

Wir haben mit Valentina über ihre Karriere, Interior-Trends und, wie man heute überhaupt noch auf Instagram wachsen kann, gesprochen.

Hi Valentina, erzähl den Lesern doch mal ein wenig von dir.

Ich bin in Stockholm aufgewachsen, meine Mutter kommt aus Deutschland und mein Vater aus Schweden. Ich lebe seit mehr oder weniger acht Jahren im Ausland, eine Zeit lang in Hamburg, aktuell in Madrid. Eigentlich bin ich studierte Bauingenieurin, habe aber noch nie so richtig in dem Bereich gearbeitet, sondern in der Luftfahrt, im IT, Marketing und E-Commerce.

Dann hast du ja viel ausprobiert.

Ja, das ist wichtig; jeder Schritt hat mir viel gebracht. So bin ich letztlich auch zum Interior Design gekommen, wo ich nun auch Vollzeit arbeite.

Und wo genau?

Ich arbeite als Interior Designerin und im Marketing bei Nordic Standard, einen Immobilienunternehmen in Madrid, das Wohnungen im Stadtzentrum entwickelt. Es sind bis jetzt Wohnungen, die dringend renoviert werden müssen. Wir machen sie komplett neu. Heißt: neue Raumgestaltung, neue Wände, Böden, Küche, Bäder – alles neu! Das Besondere dabei ist, dass wir die Wohnungen auch komplett möblieren, der Eigentümer muss dann nur einziehen.

Das heißt, du hast dir das ganze Wissen zum Thema Architektur selbst beigebracht?

Meine Eltern lieben Design; mein Vater hat in dem Bereich viel gearbeitet. Unser Zuhause war ständig in irgendeiner Renovierungsphase (lacht). Das Studium hat mir dann eher das technische Verständnis für Bauprojekte gegeben und nach meinem Studium habe ich dann noch eine kleine Ausbildung im Interior Design gemacht.

Wie gehst du an ein Projekt heran?

Ich werde von dem Haus und der ganzen Umgebung inspiriert, manchmal auch ein gewisses Möbelstück, was ich benutzen möchte. Danach versuche ich einen roten Faden zu finden und erstelle ein Konzept. Am einfachsten geht das mit einem Moodboard. Der Rest kommt so mehr oder weniger von alleine.

Dann hast du also nur nebenbei deinen Blog gegründet?

Richtig, das war im Jahr 2014. Damals habe ich in Hamburg gewohnt und war mit meinem Job sehr unzufrieden. Freunde sagten mir, dass ich einen Instagram-Account eröffnen sollte, da vielen meine Wohnung gefallen hat. Ich fand es eher peinlich, habe dann an einem sehr langweiligen Arbeitstag ganz geheim den Account eröffnet. Ich hoffe mein Ex-Chef liest das nicht (lacht). Der Blog war ein Versuch, hielt aber nicht so lange an. Instagram ist eher was für mich. Ich bin nicht so der Schreiber.

Was zeichnet deinen Instagram-Account nach aus?

Gute Frage. Viele sagen mir: Es ist gut, dass ich eine Nische habe. Das macht Accounts immer erfolgreicher. Ich bleibe mir immer treu und denke generell nicht so viel über meinen Account nach. Es ist immer noch eher ein Hobby.

Für ein Hobby hast du dennoch viele Follower, über 70.000. Was ist dein Erfolgsgeheimnis? Und kann man heute noch genauso Follower generieren?

Ich habe zum richtigen Moment angefangen, habe die ganze Zeit weitergemacht und bin aktiv geblieben. Außerdem habe ich Tricks entdeckt, die damals funktioniert haben, zum Beispiel viele Hashtags, die zu deinem Account passen, verwendet und viel verlinkt – mit der Hoffnung, dass jemand dich mal zurück verlinkt. Ich war am Anfang sehr aktiv und der Rest kam dann bisschen von alleine.

Das ist heute auch nicht mehr so leicht und um einiges schwieriger, aber möglich. Bleib aktiv und mache dein Ding! Durchhaltevermögen ist sehr wichtig. Sei dazu authentisch und zeige, was dir gefällt! Und keine Panik bekommen, wenn Instagram den Algorithmus ändert. Man kann keine Follower oder Engagement erzwingen.

Valentinas Moodboard:

Inwiefern schadet denn der Algorithmus?

Ich würde nicht sagen, dass er schadet. Instagram muss sich auch weiterentwickeln, um immer noch „mit dabei“ zu sein. Es ist ein ständiges Auf und Ab ist, sie testen momentan sehr viel, das kann natürlich sehr nerven.

Verdienst du Geld mit deinem Account?

Ab und zu. Das aber auch erst in den vergangenen zwei bis drei Jahren. Wenn etwas Interessantes kommt, bin ich immer offen für Angebote, investiere aber nicht viel Zeit dafür. Zumal ich einen festen Job habe, mein Instagram hatte ich schon immer nebenbei.

Hand aufs Herz: Wie wichtig ist dir die Anzahl der Follower?

Am Anfang hatte ich das Gefühl, ich brauche mehr Follower, um irgendwas zu erreichen. Mittlerweile haben auch viele kleinere Accounts Erfolg und vielleicht sogar mehr Angebote als ich. Die Zahl wird unwichtiger. Der Inhalt zählt und der Account muss zum Kunden passen.

Natürlich wird immer noch erstmal auf die Followeranzahl geschaut, sie sagt manchmal auch noch was aus. Doch wer Instagram versteht, merkt schnell, was Fake ist und was nicht. Ich hoffe mehr und mehr Kunden sehen das auch.

Woran kann man das als Follower erkennen?

Da gibt es mehrere Faktoren, aber wenn zum Beispiel ein Account viele Follower hat, aber kaum Likes oder Kommentare, ist das schon sehr verdächtigt. Oder wenn viele von den Follower-Accounts nicht echt wirken.

Wiederum hat der deutsche Fußballspieler Jerome Boateng über sechs Millionen Follower und unter einigen seiner Post lediglich 60 Kommentare.

Generell klicken Menschen eher auf das Herz, als einen Kommentar zu schreiben. Ich bin auch so, ich klicke mal auf „Gefällt mir“, aber schreibe so gut wie nie Kommentare. Besonders bei richtig großen Accounts ist die Hemmschwelle größer, einen Kommentar zu schreiben, bzw. die Person hinter dem Account ist nicht so nahbar wie andere kleinere Accounts.

Du repostest viele Interior-Bilder, hört sich für den Laien im ersten Moment nicht schwer an. Erklär uns doch mal, wie arbeitest du an deinem Account?

Ich folge mehr oder weniger nur Accounts, die Interior und Design posten. Ich speichere mir immer die Fotos ab, die mir besonders gut gefallen, sodass ich auch eine kleine Sammlung habe, aus der ich reposten kann. Mir fällt es relativ leicht Content zu finden, aber wahrscheinlich auch weil es meine Leidenschaft ist.

Content zu finden und selber zu produzieren ist für mich wie Zähneputzen. Haha. Mein Freunde fragen sich immer wie ich das so nebenbei, relativ unbemerkt so mache.

Dann gibt es auch keinen Plan, wann und was du postest?

Das passiert 100% aus dem Bauchgefühl. Mir ist es auch zum Beispiel nicht so wichtig, wie der komplette Feed ausschaut. Ich versuche für meine Follower eine gute Mischung zu zeigen.

Wie oft sollte man posten, wenn man erfolgreicher werden möchte?

Ich habe mal gehört, dass Chiara Ferragni am Anfang so gut wie zehn Bilder pro Tag gepostet hat. Das hat vielleicht am Anfang sehr gut funktioniert, wie man sehen kann, aber das würde ich auf jeden Fall keinem heute raten (lacht). Wenn man komplett neu am Start ist, würde ich ein Bild pro Tag vorschlagen und Stories dazu. Ich habe auch mit der Zeit immer weniger gepostet. Aber das Wichtigste ist es eine Kontinuität beizubehalten. Wenn man zwei Posts pro Woche hochlädt, erwarten auch die Follower das weiterhin.

Greifst du auf Apps zurück?

Ich benutze nur mein iPhone X. Die Kameraeinstellungen werden immer besser. Sonst benutze ich manchmal die App VSCO und sehr selten eine Preview-App für den Feed.

Wie viel Privates und von deiner Persönlichkeit gibst du denn preis? Das ist ja normalerweise ein wichtiger Faktor für den Erfolg.

Am Anfang habe ich nichts gezeigt und war sehr anonym. Das hat damals sehr gut funktioniert.

Durch Stories hat sich das geändert und ich versuche, mehr von mir preis zu geben. Follower wollen wissen, wer hinter dem Account steckt. Das war nicht immer so. Ich versuche noch herauszufinden, was sich für mich am besten anfühlt, und wie viel und was ich zeigen will. Ich werde aber bestimmt immer eher Privat bleiben.

Aber das Wichtigste ist es eine Kontinuität beizubehalten. Wenn man zwei Posts pro Woche hochlädt, erwarten auch die Follower das weiterhin.

Du hast es bereits erwähnt, aber fasse es doch für uns nochmal zusammen: Was hat sich inzwischen verändert, seitdem du bei Instagram angefangen hast? Ist es überhaupt noch möglich zu wachsen?

Die Konkurrenz ist viel grösser! Ich sehe so viele tolle Accounts, die eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. Wie gesagt, Instagram ändert vieles, aber das müssen sie auch.

Instagram testet sogar gerade, ob die Zahl der Likes unsichtbar wird.

Stimmt, aber ich bezweifle, das es so viel ändern wird. Dann wird man stattdessen die Kommentare zählen oder vielleicht wieder die Follower? Sollte dieses Szenario auftreten, werde ich es gerne ausprobieren und nicht mit Instagram aufhören. Aber es wird sich damit nicht wirklich etwas ändern.

Welche Interior-Trends sieht man aktuell auf Instagram?

Ich bin gerade in neutrale und eher ruhige Farben verliebt. Sonst sieht man gerade viele alte Trends zurückkehren, wie zum Beispiel den Terrazzo-Stein. Und von Altbauwohnungen in Paris bekomme ich sowieso nie genug!

Deine liebsten Interior-Accounts?

Ich habe zu viele! Für DIY-Inspiration muss ich aber eine gute „Instagram-Freundin“ nennen: @an.interior.affair. Die kann das auch sehr gut mit den neutralen Tönen.

Nimmst du uns mit zu dir nach Hause und beschreibst uns, wie du wohnst und wie es bei dir Zuhause aussieht?

In Madrid miete ich momentan eine Einzimmerwohnung, da habe ich leider nicht so viel zu zeigen. In Stockholm habe ich noch meine sehr kleine Wohnung, die ich vor dem Umzug nach Madrid bisschen renoviert habe. Sie befindet sich in einem schönen Altbau und da ist die Einrichtung ein Mix aus Alt und Neu. Die Farben eher Weiss/Grau/Schwarz und mit dunklem Holz gemischt. Ich träume von meinem grösseren Zuhause, was ich dann komplett einrichten kann.

Dann wünschen wir dir viel Erfolg dabei!

Alle Bilder von nordicstandard_es via Valentina Ullberg

Von Alexandra

Schreiben sollte mir eigentlich leicht fallen, könnte man meinen. Doch wenn es darum geht, etwas über mich selbst zu erzählen, bin ich – ja sagen wir mal – überfordert. Wo fange ich an? Ich habe bei Journelles als Praktikantin angefangen. Danach ging es weiter in die Moderedaktion vom Tagesspiegel und dann wieder zurück an die Uni und dann wieder zurück zu Journelles ;-)

Ich mag Mode und Beauty: Ich liebe neue Trends, spannende Outfits und (zugegeben) auch etwas Shopping. Doch fast noch mehr mag ich es, Mode als Phänomen zu betrachten: Wieso gibt es diesen Trend? Woher kommt er? Welchen Einfluss hat die Politik oder Gesellschaft auf die Mode? Und umgekehrt! Ebenso finde ich es spannend, über großartige Frauen und ihre noch so unterschiedliche Errungenschaften zu berichten, sie kennenzulernen, von ihnen zu lernen ...

Wenn ihr meine Texte lesen solltet: Dankeschön! Es gibt nichts Schöneres, als zu wissen, dass meine Artikel gelesen werden. Und bitte seid gnädig mit mir, wenn ich Fehler mache. Ich lerne noch ... das wird sich wohl auch nie ändern ;-)

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.