Labelwatch: „Es gibt keinen Unterschied zwischen meiner Marke und mir. Ich entwerfe für mich, meinen Lebensstil und das, was ich brauche“ – Im Interview mit Nili Lotan, Designerin

"Es ist reine Intuition, kein vorgeschriebenes Frauenbild oder eine bestimmte Inspirationsquelle."

Auf Journelles dreht sich vieles um das Thema Mode. Es werden neue Labels gesucht, Accessoires entdeckt, neue Trends ausprobiert. Stillstand kommt für uns nicht in Frage, schließlich kann man schon mit kleinen Tricks für Veränderung sorgen. Meistens hilft es schon, sich ein neues Label genauer anzuschauen, um sich zu inspirieren. So auch letztes Jahr, als Jessie das New Yorker Label Nili Lotan bei Anita Hass in Hamburg entdeckt hat.

Die Marke gibt es bereits seit dem Jahr 2003, über 15 Jahre lang hat sich Nili Lotan von einem Geheimtipp zu einem Nischenlabel für coole, lässige Basicteile etabliert. Was die Designerin Nili im Lookbook zeigt, könnte man in Zeiten des Vetements-Hypes als das entsprechende Gegenstück bezeichnen. Weite Palazzo-Hosen und Miniröcke tragen den Snake-Print, dazu tragen die Models elegante Seidentops; zu gemusterten Slip Dresses gibt es High Heels statt wie aktuell üblich Turnschuhe. Es ist alles ein bisschen sexy und rockig und erinnert tatsächlich an den Look einer New Yorkerin, die in der Welt, die sie betritt, immer ein Hauch cooler und damit interessanter ist als alle anderen.

Die Designerin konzentriert sich sichtlich auf eine alltagstaugliche Garderobe mit einem besonderen Twist. Im Interview erzählt uns Nili ihre Geschichte und sucht eine Antwort darauf, wieso ihre Entwürfe sind, wie sie sind.

Liebe Nili, du bist in der Modebranche gewissermaßen ein alter Hase. Wenn wir etwa 15 Jahre zurückdenken, hast du gerade dein eigenes Label gegründet.

Das kommt mir fast unwirklich vor. Die Idee für mein Label war es, zeitlose, mühelose Stücke zu kreieren. Wir drücken uns durch die Kleidung aus. Sie spiegelt unseren persönlichen Stil, unsere Stimmung oder Einstellung wider.

Dabei gibt es doch so viele Modelabels. Was hat dir auf dem Markt gefehlt?

Ich habe mit einer kleinen Kollektion von sechs Teilen begonnen, die ich für den Alltag einer Frau für unerlässlich hielt: drei lässige Hosen, zwei Jacken und ein Rock. Ich dachte, es gäbe eine Marktlücke für mühelose, coole Stücke, die Frauen den ganzen Tag über begleiten können.

Seitdem habe ich die Kollektion zu einer vollständigen Lifestyle-Marke ausgebaut, die eine Frau von morgens bis abends tragen kann. Die Frauen, die ich um mich herum zum Beispiel in TriBeCa sehe, wo ich lebe und arbeite, müssen alle Multitasking-fähig sein. Und ich wollte mich um ihre und meine Bedürfnisse kümmern.

Zuvor hast du aber erstmal für andere Modemarken gearbeitet.

Ich kam in den 80er Jahren nach New York und begann mit der Arbeit bei Adrienne Vittadini, einer amerikanischen Strickdesignerin, die damals sehr erfolgreich war. Danach hatte ich die Gelegenheit, einige der führenden amerikanischen Marken dieser Zeit kennenzulernen: Liz Claiborne, Ralph Lauren und Nautica. Nachdem ich viele Jahre für die Visionen anderer gearbeitet habe, war ich bereit, mein eigenes Ding zu starten.

Was hast du von den großen Labels gelernt?

Wie wichtig Authentizität ist! Besonders beim Story Telling reagieren die Menschen auf Authentizität und eine gewisse Beständigkeit.

Gibt es einen Unterschied zwischen der Arbeit für eine große Marke und der für Nili Lotan?

Nun, die Marke bin ganz und gar ich. Es gibt keinen Unterschied zwischen meiner Marke und mir. Ich entwerfe für mich, meinen Lebensstil und für das, was ich brauche. Ich bin der Eigentümer und CEO, also ist die Marke mein Zuhause.

Das heißt also auch, dass du eigentlich immer arbeitest?

Ja, es ist wirklich das, was ich gerne tue. Mein Verstand konzentriert sich immer auf das, was als nächstes kommt. Das Arbeiten hört niemals auf. Mein Arbeitsalltag beginnt normalerweise um fünf Uhr morgens mit dem Checken meiner E-Mails und Instagram. Im Büro bin ich dann zwischen zehn und 18 Uhr.

Und dann bist du auch noch häufig in deiner Heimat Israel.

Ich habe meine Zeit zwischen New York und Tel Aviv aufgeteilt. Mein Mann, David Broza, ist einer der bekanntesten Musiker Israels und wir sind mindestens einmal im Monat dort.

Wenn du weg bist, musst du dich auf deine Mitarbeiter verlassen können. Wie groß ist denn dein Team?

Wir sind etwa 50 Mitarbeiter und wachsen jedes Jahr. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als es nur meine Assistentin Allie, mein Modellbauer Anthony und ein paar Näherinnen gab. Ich bin also, wenn ich morgens durch die Tür ins Büro gehe, immer ein bisschen überwältigt.

Du hast gerade über zeitlose Stücke gesprochen. Nili Lotan steht für einen besonderen, doch zurückhaltenden Look. Was oder wer hat deinen Stil geprägt?

Für mich ging es nie um Mode, sondern immer um den Stil und die Einstellung. Ich bin in den 70er Jahren aufgewachsen und wurde von dieser Zeit beeinflusst. Ich fühlte mich zu Männern und Frauen hingezogen, die einen starken Sinn für Coolness und persönlichen Stil hatten: Mike und Bianca Jagger, Keith Richards, Serge Gainsbourg und Françoise Hardy. Ein weiterer Einfluss war mein Vater, der immer einen Anzug getragen hat.

Ich entwerfe in erster Linie für mich: Was will ich? Wonach fühle ich mich? Es ist reine Intuition, kein vorgeschriebenes Frauenbild oder eine bestimmte Inspirationsquelle. Gleichzeitig sind meine Kernreferenzen und Einflüsse der 70er Jahre wie Rock’n’Roll, Kunst und eine Vorstellung vom amerikanischen Westen sehr präsent.

Und wie kombinierst du deine Entwürfe?

Ich liebe es, Vintage-Stücke mit meinen eigenen zu mischen. Denim ist für mich immer ein Muss. Ich trage meine eigene Marke meistens mit einigen Saint-Laurent- und Gianvito-Rossi-Teilen und vielen Vintage-Accessoires, die ich mit der Zeit gesammelt habe.

Gibt es ein Teil aus vergangenen Kollektionen, das dir besonders am Herzen liegt?

Die Cropped French Military Pants gibt es seit meiner allerersten Kollektion: ein Klassiker von Nili Lotan.

Wo produzierst du deine Kollektionen?

Die meisten unserer Kollektionen werden in New York und L.A. produziert, einige Stücke in Indien und China. Die Produktion in den USA war eine der wichtigsten Dinge, als ich mit meinem Geschäft begonnen habe. Es gibt mir die Kontrolle über die Lieferkette und ich kann schnell reagieren.

Der Durchbruch kommt oft, wenn große Modemagazine wie Vogue über einen schreiben oder Prominente wie Gigi Hadid oder Kendall Jenner die Sachen tragen. Wie wichtig ist ein Beitrag in einem Modemagazin oder bei Instagram für den Erfolg?

Gigi und Kendall meine Kleidung tragen zu sehen, ist unglaublich und bringt meine Kleidung sicherlich zu einem breiteren Publikum, aber ich hatte das Glück, von Anfang an mein Geschäft stetig ausbauen zu können. Das ist also nur die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.

Welche Voraussetzungen müssen Newcomer heute erfüllen, um durchzustarten?

Die Möglichkeit, direkt mit dem Kunden zu kommunizieren, ist heutzutage unglaublich und eine echte Chance. Wenn ich meine Marke jetzt gründen würde, würde ich mich zuerst auf den direkten Austausch mit meinen Kunden konzentrieren.

Man kann auch mit Bloggern kooperieren.

Ja, ich habe in der Vergangenheit auch mit Bloggern zusammengearbeitet. Es war immer sehr konstruktiv. Doch in der heutigen Zeit, in der der Kunde weiß, dass Blogger für viele Beiträge bezahlt werden, muss es authentisch sein oder es funktioniert nicht.

Was ist mit Fashion Shows? Du selbst hast noch nie bei einer Fashion Week gezeigt.

Im Moment funktioniert dieses Format bei mir nicht und im Allgemeinen sieht man auch, dass große Modenschauen immer weniger werden – aber sag niemals nie!

Zumal es heute einfacher ist, alles über Social Media zu vermarkten.

Instagram ist ein unglaublich mächtiges Werkzeug. Es ist eine Möglichkeit für mich, direkt mit meinen Kundinnen zu kommunizieren und auch zu sehen, was sie tragen und wie sie ihr Leben leben. Und ich lasse mich durch Instagram inspirieren.

Postet du auch selbst Beiträge?

Ja, ich liebe es!

Zum Abschluss: Was sind deine Pläne für Nili Lotan?

In meinem eigenen Rhythmus und Tempo weiter zu wachsen und meine Marke weiter zu pflegen. Ich denke immer nach und arbeite auf das nächste hin: Also einfach abwarten und sehen, was noch kommt!

Merciii für das Interview!

Unsere Lieblingsstücke von Nili Lotan*:

*Das sind Affiliate Links.

Alle Bilder via PR

Von Alexandra

Schreiben sollte mir eigentlich leicht fallen, könnte man meinen. Doch wenn es darum geht, etwas über mich selbst zu erzählen, bin ich – ja sagen wir mal – überfordert. Wo fange ich an? Ich habe bei Journelles als Praktikantin angefangen. Danach ging es weiter in die Moderedaktion vom Tagesspiegel und dann wieder zurück an die Uni und dann wieder zurück zu Journelles ;-)

Ich mag Mode und Beauty: Ich liebe neue Trends, spannende Outfits und (zugegeben) auch etwas Shopping. Doch fast noch mehr mag ich es, Mode als Phänomen zu betrachten: Wieso gibt es diesen Trend? Woher kommt er? Welchen Einfluss hat die Politik oder Gesellschaft auf die Mode? Und umgekehrt! Ebenso finde ich es spannend, über großartige Frauen und ihre noch so unterschiedliche Errungenschaften zu berichten, sie kennenzulernen, von ihnen zu lernen ...

Wenn ihr meine Texte lesen solltet: Dankeschön! Es gibt nichts Schöneres, als zu wissen, dass meine Artikel gelesen werden. Und bitte seid gnädig mit mir, wenn ich Fehler mache. Ich lerne noch ... das wird sich wohl auch nie ändern ;-)

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.