„Ich finde den Begriff von Weiblichkeit, der mir in der Modebranche begegnet, nicht besonders emanzipiert“ – Karoline Herfurth im Interview über die Film- und Modebranche

"Gerade die Modebranche hat mit gesunder Weiblichkeit selten etwas zu tun, oder?"

Die deutsche Filmbranche wäre ohne sie undenkbar: Seitdem die Frau von der Casting-Agentur damals auf dem Schulhof auf sie zukam, arbeitet sich Karoline Herfurth nach oben. Mit fünfzehn Jahren stand sie mit Robert Stadlober im Teenager-Drama „Crazy“ vor der Kamera, 2006 wurde sie als Mirabellenmädchen im Hollywoodfilm „Das Parfum“ hierzulande schlagartig berühmt. Danach spielte sie unter anderem die kleine Hexe, die spießige Lehrerin in „Fack ju Göthe“, eine krebskranke Fußballerin in „Eine andere Liga“ und eine junge Jurastudentin in der Verfilmung des Bernhard-Schlink-Romans „Der Vorleser“ an der Seite von Ralph Fiennes und Kate Winslet. Immer wieder bezeichnen sie Journalisten ganz dramatisch als Retterin des deutschen Films.

Karoline selbst wirkt unschuldig und zerbrechlich, so schön blass mit vielen Sommersprossen, aber auch diszipliniert und fleißig. Die deutsche Schauspielerin hat in ihrem neuen Kinofilm „Sweethearts“ nicht nur die Hauptrolle gespielt, sondern zum zweiten Mal auf dem Regiestuhl Platz genommen. Wir durften ihr aus diesem Anlass einige Fragen stellen und haben sie bei der Gelegenheit auch gleich mal über ihren Modegeschmack ausgefragt.

Hallo Karoline! Ich freue mich sehr, dich kennenzulernen. Und herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen Kinofilm "Sweethearts"!

Du spielst in dem Film nicht nur die Hauptfigur Franny, sondern leitest auch Regie. Warum liegt dir der Film so am Herzen?

Ich liebe die Geschichte dieser ungleichen Freundschaft, die sich völlig überraschend aus einem unerwarteten Moment heraus entwickelt hat. Man kann das Leben und die wichtigsten Begegnungen des Lebens nicht planen, und das erzählt dieser Film. Es ist eine Liebeserklärung an die Freundschaft. Außerdem hat er alles, was ich selbst gerne sehe: Er ist lustig, ereignisreich und voller großer Gefühle. Und Liebe! Die darf bei mir nie fehlen.

Hauptrolle und Regisseurin – das klingt anstrengend!

Es war sehr sehr herausfordernd. Ich muss zugeben, dass der Wechsel zwischen der Figur und der Funktion als Regisseurin mir dieses Mal sehr viel schwerer gefallen ist als bei „SMS für Dich“. Franny ist einfach alles, was man als Regisseurin nicht sein sollte: Sie ist unentschieden, panisch, ständig beleidigt, empfindlich und kann keine Verantwortung übernehmen.

Mit "SMS für dich" hast du 2016 dein Regie-Debüt vorgelegt. Hast du nach dem ersten Film Angst, dass der zweite die Erwartungen nicht erfüllt?

Ich bin definitiv sehr aufgeregt, ja. Die Angst, dass das Publikum damit nichts anfangen kann, werde ich wahrscheinlich nie los. Trotzdem muss man das irgendwie im Prozess des Filmemachens loslassen, sonst macht man sich ja verrückt. Aber natürlich hoffe ich, dass die Leute lachen und weinen können und berührt und glücklich aus dem Film gehen werden. Dafür macht man es ja auch.

Im Film begehen Mel und Frank einen Raubüberfall. Ich habe mal mit elf Jahren eine Badekugel mitgehen lassen. Hannah Herzsprung hat im Interview erzählt, sie habe für ihre erste große Rolle gelogen. Hast du auch mal etwas "Falsches" gemacht?

Das ist eine lustige Frage! Ich habe wirklich keinerlei kriminelle Energie in mir. Ich heule schon beim Schwarzfahren.

Wirklich wahr?

Ja! Mit 13 gab es für mich mal die Mutprobe, ein Überraschungsei zu klauen. Ich habe lange gezögert und mich so blöd angestellt, dass ich natürlich erwischt wurde. Und dann habe ich dem Kioskverkäufer sogar die Nummer meiner Mama gegeben. Ich kann nicht mal lügen. Ich hasse schon unbezahlte Rechnungen (lacht).

Und nur zwei Jahre später hast du als Schauspielerin gearbeitet. Ich habe das Gefühl, dich gut zu kennen, und durch deine Filme beim Aufwachsen zugesehen zu haben. War es nicht anstrengend, in der Öffentlichkeit groß zu werden?

Das ist richtig. Manche Dinge möchte ich für mich allein erleben. Das Bekanntsein ist nichts, was ich an meinem Beruf zwingend liebe. Ich habe zum Glück meistens sehr schöne Begegnungen mit Fans, wenn ich mal erkannt oder um ein Autogramm gebeten werde. Das ist natürlich sehr schön, wenn man für das, was man macht, so eine liebevolle Anerkennung bekommt. Aber ich stehe tatsächlich nicht so gerne im Mittelpunkt und finde mich privat nicht besonders spannend. Was auch meine Faulheit in Sachen Social Media erklärt.

Knapp 20 Jahre in der Filmbranche, Wahnsinn! Worauf bist du im Rückblick deiner Karriere am meisten stolz?

Dass ich den Kontakt zu meinen Liebsten aufrecht erhalten habe. Dass ich immer noch meine engsten Freunde um mich habe. Dass ich auf dem Boden der Tatsachen geblieben bin und mich nicht habe verführen lassen. Und momentan auf „Sweethearts“. Ich habe noch nie so viel in meinem Leben gearbeitet. Ich habe all meine Kraft und mein Herzblut in diesen Film gesteckt und bin sehr stolz auf mein Team und die Arbeit, die wir geschafft haben. Ich liebe diesen Film mit all seinen Macken und Fehlern.

Es ist toll, dass du auch im Regiebereich Fuß fassen möchtest. Hier sind Frauen noch immer in der Unterzahl.

Das ist kein Problem der Filmbranche, sondern ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. So wie in fast allen anderen Branchen gibt es dafür viele Gründe. Hauptursache ist, soweit ich das bisher erörtern konnte, die strukturelle Ungleichheit der Geschlechter, tradierte Geschlechterrollen, die wieder und wieder reproduziert werden, und ein familienunfreundlicher Arbeitsmarkt.

Hast du das Gefühl als Frau gegen besondere Widerstände ankämpfen zu müssen?

Wie jede andere Frau bin ich von struktureller Ungleichheit betroffen. Aber ich bin definitiv kein Paradebeispiel und wäre wahrscheinlich eher der sogenannte „Ausreißer“ in einer Statistik. Ich bin eine vielbeschäftigte Frau und in der Position, Forderungen gegenüber einem Arbeitgeber stellen zu können, die vieles ermöglichen und erleichtern. Mir wurden auch keine Steine in den Weg zum Regieführen gelegt. Im Gegenteil, ich habe das Angebot von einem Mann, Willi Geike, erhalten und habe sehr treue Partner in der Filmproduktion gefunden. Ebenfalls zwei Männer, die die Steine eher wegräumen, als welche hinzulegen (lacht).

Trotzdem begegnen die Auswirkungen von Geschlechterrollen natürlich auch mir im beruflichen Alltag. Ich bin sehr dankbar, dass das Thema immer breiter diskutiert wird und eine Sensibilität gegenüber dieser Thematik entsteht. Ich hoffe, dass das respektvoll und behutsam angegangen wird.

Unterstützt die Mode dabei?

Ich glaube nicht, dass Frauen mit der Mode freier sind. Gerade die Modebranche hat mit gesunder Weiblichkeit selten etwas zu tun, oder? Ich finde den Begriff von Weiblichkeit, der mir in der Modebranche begegnet, nicht besonders emanzipiert. Wenn Gesetze eingeführt werden müssen, damit Models nicht krankhaft dünn auf den Laufsteg geschickt werden und Designer sich weigern, Outfits ab Größe 38 herzustellen. Oder wenn Zeitschriften Frauen mit einer Kleidergröße ab 38 als „Plus Size Models“ bezeichnen. Gerade die Modebranche hat eine ganz schöne Reise vor sich. Das hoffe ich zumindest.

Apropos Mode: Zur Premiere von "Sweethearts" hast du mit Hannah Herzsprung das gleiche Kleid getragen. Wie kam das?

Wir haben dieselbe Stylistin (lacht) und die hat einen guten Draht zu Mytheresa. Die Kleider sind von Etro.


Wie findest du das perfekte Outfit für einen wichtigen Abend?

Gemeinsam mit meiner Stylistin Leena Zimmermann. Von ihr habe ich sehr viel gelernt und durch die Zusammenarbeit meinen eigenen Stil und Geschmack erst gefunden.

Wahrscheinlich waren deine Wochen zum Filmstart mit Interviews, Events und Premieren gefüllt. Warst du die Tage nur auf hohen Hacken unterwegs?

Ich drehe parallel auch noch und bin sogar am Set den ganzen Tag in High Heels. Früher ging das problemlos, aber mittlerweile habe ich tatsächlich ein bisschen Angst um meine Füße und greife bei jeder Gelegenheit zu flachen Schuhen. Auf dem roten Teppich trage ich aber gerne hohe Schuhe.

Du besitzt angeblich knapp 200 Paar Schuhe. Welche sind deine Favoriten?

Da meine Füße momentan viel aushalten müssen und ich aber noch plane mindestens 60-70 Jahre auf ihnen rumzulaufen, greife ich immer öfter zu der flachen Variante und trage wahnsinnig gerne simple aber elegante, schwarze Boots.


 

Es fällt auf, dass du viel modemutiger geworden bist. Wie hat sich dein Stil im Laufe der Jahre verändert?

Früher hatte ich keinen eigenen Fahrplan und habe jeden Look ausprobiert, ohne wirklich ein Gefühl dafür zu haben, was zu mir passt. Tatsächlich mit 30 und der Zusammenarbeit mit Leena habe ich einen eigenen Kompass und ein Gefühl für meine Vorlieben entwickelt. Ich habe meinen ganzen Kleiderschrank aussortiert und es blieb nur ein Viertel übrig. Mittlerweile ist er wieder voll, aber ich ziehe alles davon an. Und wenn ein Teil zu lange unbenutzt ist, verschenke ich es an eine Freundin. Ich mag es nicht, wenn Teile nur rumhängen. Das haben sie nicht verdient. Ich spiele gerne rum, aber es darf nicht zu kompliziert werden. Ich mag es elegant und spiele gerne mit Farben.

Hast du deshalb mit 30 deinen Kleiderschrank ausgemistet? Um die Übersicht zu behalten?

Nein, um Ballast loszuwerden und erwachsen zu werden (lacht). Ich wollte Ruhe und Ordnung in meinen Kleiderschrank bringen und nur noch Teile haben, die ich wirklich anziehe. Ich gebe lieber mehr Geld aus, kaufe dafür weniger und so fair produziert wie momentan möglich. Ich habe eine wunderbare Marke auf Instagram entdeckt: Aerie. Die haben ein angenehmes Körperbild. So etwas interessiert mich mittlerweile mehr.

Ah, das Label schauen wir uns gleich mal an. Letzte Frage: Auf welche Projekte können wir uns dieses Jahr freuen?

Erst einmal auf „Sweethearts“. Dann drehe ich momentan unter der Regie von Bora Dagtekin in München den Film „Das perfekte Geheimnis“, der dieses Jahr in die Kinos kommen wird und danach bereite ich meine dritte Regiearbeit vor.

Klingt sehr gut! Vielen Dank für das schöne Interview und weiterhin viel Erfolg, liebe Karo!

Sweethearts“ läuft ab dem 14. Februar in den Kinos. Zum Trailer hier entlang.

Alle Fotos via PR (Fotograf: Mathias Bothor)

Von Alexandra

Schreiben sollte mir eigentlich leicht fallen, könnte man meinen. Doch wenn es darum geht, etwas über mich selbst zu erzählen, bin ich – ja sagen wir mal – überfordert. Wo fange ich an? Ich habe bei Journelles als Praktikantin angefangen. Danach ging es weiter in die Moderedaktion vom Tagesspiegel und dann wieder zurück an die Uni und dann wieder zurück zu Journelles ;-)

Ich mag Mode und Beauty: Ich liebe neue Trends, spannende Outfits und (zugegeben) auch etwas Shopping. Doch fast noch mehr mag ich es, Mode als Phänomen zu betrachten: Wieso gibt es diesen Trend? Woher kommt er? Welchen Einfluss hat die Politik oder Gesellschaft auf die Mode? Und umgekehrt! Ebenso finde ich es spannend, über großartige Frauen und ihre noch so unterschiedliche Errungenschaften zu berichten, sie kennenzulernen, von ihnen zu lernen ...

Wenn ihr meine Texte lesen solltet: Dankeschön! Es gibt nichts Schöneres, als zu wissen, dass meine Artikel gelesen werden. Und bitte seid gnädig mit mir, wenn ich Fehler mache. Ich lerne noch ... das wird sich wohl auch nie ändern ;-)

Kommentare (3) anzeigen

3 Antworten auf „„Ich finde den Begriff von Weiblichkeit, der mir in der Modebranche begegnet, nicht besonders emanzipiert“ – Karoline Herfurth im Interview über die Film- und Modebranche“

Danke euch! Ist uns auch schon aufgefallen, es braucht manchmal je nach Provider etwas länger, bis es sich aktualisiert. Liebst, Alex

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.