„Es geht nicht um mein Ego, es geht immer um das Projekt“ – Ein Portrait über Architektin Ester Bruzkus

Wie es wohl bei einer der gefragtesten Innenarchitekten Deutschlands zuhause aussieht? Wir geben einen Einblick

Dass Mode gelegentlich berauschend wirken kann, weiß, wer bereits beim Durchblättern eines Hochglanzmagazins ein wohliges, imaginär-glamouröses Gefühl verspürt. Gleiches gilt für mich auch beim Durchklicken von Homestories, Wohnmagazinen und Interior-Accounts. Und hier kommt Ester Bruzkus ins Spiel. Die Innenarchitektin ist eine der wohl inspirierendsten Frauen Berlins: Sie gestaltet öffentliche Räume sowie individuelle Rückzugsorte – vom „Amano“ und „Mani“ Hotel bis zum hippen Lokal „L.A. Poke“ in Berlin.

Dabei weiß man selten, welche Person hinter diesen genial eingerichteten Räumen steckt – übrigens eines der Gründe, wieso ich Ester einfach mal angeschrieben und ihr ein paar (oder vielmehr viele) Fragen gestellt habe.

Esters Wohnzimmer

Ester Bruzkus zählt zu den gefragtesten Innenarchitekten Deutschlands

In Haifa geboren, kam sie mit zwei Jahren nach Berlin und besuchte in Charlottenburg das Friedrich-Ebert-Gymnasium, wo ein Kunstlehrer ihr zeichnerisches Talent entdeckte. „Ich wollte Modedesignerin werden. Das war mir aber doch zu unsicher, also habe ich mich mit 12 für einen ’sichereren‘ Beruf entschieden – Architektin. Seitdem wusste ich, was ich beruflich machen möchte“, erzählt mir Ester. Die Begeisterung für Mode blieb und findet sich bis heute dezent in ihrer Arbeit als Architektin wieder.

Architektin? Hach, das wäre ich auch gerne geworden! Aber das wollen viele. Weshalb besonders in Esters Anfangszeit die Arbeitslosenquote in der Branche besonders hoch war. Ester hat daher früh vorgesorgt und das getan, was jeder gute Karriereberater empfiehlt: Trotz abgeschlossenem Studium hat sie ein Jahr an der Design-Hochschule École d’Architecture in Paris dran gehängt, Kontakte geknüpft und jeden noch so kleinen Auftrag angenommen: „Mein allererster Auftrag war eine Hotellobby am Ku’damm, dann ein Brillenladen in der Rudi-Dutschke-Straße. Ich habe auch kleinere Sachen angenommen wie Bäder umplanen, Bauanträge stellen oder Wohnungen sanieren. Ich habe von der Pike auf alles einmal durchgemacht und gelernt.“

Nachdem sie das Hotel Amano fertig gestellt hatte, kam ihre Karriere in Fahrt und sie lernte Tim Raue kennen, der sie kurzerhand für sein Restaurant engagierte. „So öffneten sich viele neue Türen“, erzählt Ester. Sicherten anfangs Bauanträge ihre Miete, zählt sie heute zu den gefragtesten Innenarchitekten Deutschlands. Erst kürzlich wurde sie vom Callwey-Verlag mit dem „Best of Interior“-Award, einer der wichtigsten Auszeichnungen für Innenarchitektur, ausgezeichnet.

Esters Wohnung

Inzwischen beschäftigt sie 19 Mitarbeiter in ihrem Architekturbüro und hat mehr als 2.000 Zimmer weltweit in Berlin, Vladivostok oder St. Petersburg entworfen. Die Interiorbranche mag zwar von Männern dominiert sein, aber  in Esters Architekturbüro arbeiten 18 Frauen, lediglich ihr Partner Peter Greenberg sowie der IT-Spezialist sind Männer. Noch so ein Klischee, das Ester widerlegt. Genauso mühelos wie die Architektin selbst wirkt auch ihre Apartment in Berlin: Einerseits ruhig und einfach, andererseits bunt und verspielt. Alles scheint bis in kleinste Detail perfekt.

Esters Terrasse
Esters Wohnung

Auch die Interiorbranche unterliegt kurzzeitigen Trends

„Als Architektin bin ich Minimalistin“, sagt Ester, „aber in meinem tiefsten Inneren liebe ich die Opulenz.“ Sie hat ein Auge dafür, scheinbar nicht zusammenpassende Dinge wunderbar miteinander zu verbinden. So leben ihre Räume vom Spiel mit den Gegensätzen: reduziert und opulent, bunt und zurückhaltend, verspielt und schnörkellos. Ich achte immer darauf, dass es irgendwo Ecken und Kanten gibt und dass es überraschend ist. Prinzipiell schaffe ich zunächst einen ruhigen, gut durchdachten, rigiden Grundriss mit einer sauberen Planung, um danach ‚playful elements‘ reinzubringen.“

Einfach auf Nummer sicher und mit den aktuellen Trends zu gehen ist für Ester keine Option: Denn ähnlich wie die Modewelt unterliegt auch die Interiorbranche kurzzeitigen und schnelllebigen Trends. Ihr Tipp: „Wir arbeiten mit einer sehr präzisen Planung, eher neutralem Hintergrund und einer klaren Sprache in Möbeleinbauten und Grundrissen. Das Modische kommt durch Farben, Muster, Oberflächen und Stoffe.“

Ihre Vorbilder sind vielfältig. Natürlich sind da Klassiker wie die Modernisten, die es seit mehr als 100 Jahren seit dem Bauhaus gibt, „und daran kann man sehen – wenn etwas gut durchgeplant ist, kann das Modische klassisch werden.“ Aber vor allem hält Ester die Augen offen, geht viel auf Reisen, besucht Theater und Kinos. Auch Instagram ist wichtig, sie folgt vielen Architekten, Künstlern sowie Modedesignern. „Man kann sich überall inspirieren lassen. Mein Lieblingssatz ist von Jim Jarmusch, der über das Stehlen spricht – Nothing is original. Steal from anywhere that resonates with inspiration or fuels your imagination.“

Esters Badezimmer

Dass es nicht immer leicht ist, den Geschmack eines Kunden zu treffen, kennt auch Ester. Als sie für das Amano-Hotel mit Patchwork bedruckte Teppiche entwarf, waren die Auftraggeber so schockiert, dass sie der Bauherr für einige Wochen von der Baustelle verwies. „Zehn Jahre später hat mir der Eigentümer vom Amano gesagt, dass er jetzt mittlerweile glücklich mit dem Teppich ist, da man keinen Schmutz darauf sieht“, lacht Ester, „Das war zwar nicht meine Intention, aber trotzdem schön.“

Es braucht viel Mut, seine Ideen durchzusetzen – mit der Gefahr, dass es dem Kunden nicht gefallen könnte. „Meine Aufgabe ist es, einen starken Entwurf, ein starkes Design zu kreieren und dazu gehört es, auch nein zu sagen.“ Lieber bittet sie den Kunden, die Zusammenarbeit zu beenden, als einen Auftrag anzunehmen, wo die Kundenwünschen von dem eigenen Geschmack zu weit entfernt sind. „Es fällt mir schwer nein zu sagen, aber ich habe mich entschieden, mein Büro eher kleiner zu halten“, sagt Ester. „Das Projekt muss Spaß machen, uns herausfordern, der Bauherr muss uns vertrauen und wir müssen Entwurfsfreiheiten haben. Natürlich passiert es oft, dass der Kunde darauf besteht, etwas anders zu machen und dann überdenken wir das. Manchmal finden wir einen besseren Weg und sind froh über die Teamarbeit. Gleichzeitig machen wir aber nichts, was dem Projekt nicht zugute kommt. Bei unserer Arbeit geht es immer darum, die Menschen, die den Raum nutzen, in den Vordergrund zu stellen. Es geht nicht um mein Ego, es geht immer um das Projekt.“

Nothing is original. Steal from anywhere that resonates with inspiration or fuels your imagination.

Wenn Ester ein neues Projekt beginnt, interessiert sie sich vor allem dafür, was hinter dem Sichtbaren liegt, wo Wasserleitungen und Lüftungsschächte verlaufen. Meistens lässt sie erstmal alles rausreißen und beginnt von Grund auf mit ihrem Konzept. „Wir beginnen mit den Grundrissen und dem Flow der Räume. Danach arbeiten wir mit den Zimmern, entwerfen Möbeleinbauten und suchen währenddessen nach Inspirationen, schauen uns Materialien an und entwickeln ein Gesamtkonzept.“ Dafür skizziert Ester viel, macht aber den Großteil auf dem Computer, daneben hängt dann ein Moodboard mit Fotografien, Stimmungen, Materialien und Oberflächen.

Gerade entwirft sie mit ihrem Team zwei Restaurants in Potsdam und Berlin; beide eröffnen im Herbst. Dazu arbeiten sie an diversen privaten Häusern und fangen gerade mit zwei Hotelprojekten in Deutschland an. „Als Innenarchitektin kann man nicht weit planen, da man nie weiß, was kommt. Ich kann mir vorstellen, dass wir unseren Raum erweitern und internationaler werden, das ist zumindest das Ziel. Außerdem wollen wir auch Projekte planen, die anders sind. Bisher sind wir auf Restaurants und Hotels spezialisiert, spannend wären auch Retail oder mehr Museen und öffentliche Räume.“

Wir wünschen euch viel Erfolg dabei!

L.A.POKE Berlin

Alle Bilder via PR (Alle Fotos von Jens Bösenberg aus Berlin, außer Portait im Header von Stephan Pramme)

Von Alexandra

Schreiben sollte mir eigentlich leicht fallen, könnte man meinen. Doch wenn es darum geht, etwas über mich selbst zu erzählen, bin ich – ja sagen wir mal – überfordert. Wo fange ich an? Ich habe bei Journelles als Praktikantin angefangen. Danach ging es weiter in die Moderedaktion vom Tagesspiegel und dann wieder zurück an die Uni und dann wieder zurück zu Journelles ;-)

Ich mag Mode und Beauty: Ich liebe neue Trends, spannende Outfits und (zugegeben) auch etwas Shopping. Doch fast noch mehr mag ich es, Mode als Phänomen zu betrachten: Wieso gibt es diesen Trend? Woher kommt er? Welchen Einfluss hat die Politik oder Gesellschaft auf die Mode? Und umgekehrt! Ebenso finde ich es spannend, über großartige Frauen und ihre noch so unterschiedliche Errungenschaften zu berichten, sie kennenzulernen, von ihnen zu lernen ...

Wenn ihr meine Texte lesen solltet: Dankeschön! Es gibt nichts Schöneres, als zu wissen, dass meine Artikel gelesen werden. Und bitte seid gnädig mit mir, wenn ich Fehler mache. Ich lerne noch ... das wird sich wohl auch nie ändern ;-)

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4 Antworten auf „„Es geht nicht um mein Ego, es geht immer um das Projekt“ – Ein Portrait über Architektin Ester Bruzkus“

Beim Anblick des Wohnzimmers dachte ich erst: Neiiiin, nicht schon wieder Marmortischchen auf Beni-Ourain-Teppich! Fehlt nur noch die Monstera inner Ecke (nix gegen all das, es gibt halt Trends – aber als Inspiration muss ich das nimmer sehen). Doch dann überraschte der Rest der Wohnung mit so tollen Farben, Strukturen und innovativen Lösungen, dass ich ganz begeistert war. Auch das Interview dazu ist sehr interessant und klug. Also danke für den schönen Artikel!
Liebe Grüße, Katharina

Hiii Katharina, dankeschön! Und jaaaaa, oder? Tolle Wohnung. Liebe Grüße, Alex

Super toller Artikel! Danke dafür! Ich liebe die Wohnung von Ester Brukus sehr. Diese war mir nicht unbekannt. Aber den Bericht über sie und die Fotos habe ich eben dennoch inhaliert!
Ich mag Eure Arbeit sehr! Egal ob Mode oder Interior! Ihr landet immer Treffer! Weiter so!
Liebe Grüße Iris

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.