„Schließe nur Anlagen ab, die du auch verstehst. Das gibt dir in Krisenzeiten ein sicheres Gefühl““ – Interview mit Finanzexpertin Babett Mahnert von Goldfrau

Was passiert gerade auf dem weltweiten Finanzmarkt? Unsere "Goldfrau" hilft uns, zu verstehen

Über Geld spricht man nicht, oder doch? Babett Mahnert von Goldfrau hat über einen Zeitraum von 17 Jahren für vier verschiedene Banken gearbeitet und während ihrer Karriere rund 10.000 Kunden beraten. Ihre Vision ist es, ein Bewusstsein für finanzielle Unabhängig zu schaffen und damit so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Besonders (junge) Frauen möchte sie dafür sensibilisieren, sich möglichst früh mit den eigenen Finanzen auseinandersetzen, um individuelle Möglichkeiten aufzuzeigen und sich bestenfalls ein gutes Polster für die Zukunft anzulegen.

Frei nach dem Motto: „Let’s talk about money, honey!“ dreht sich auf dem Instagram-Profil der Finanzexpertin und in ihrem Podcast „Die Paartherapie für dich und das Geld“ alles um das Thema Sparen und finanzielle Gleichstellung. Im Interview spreche ich mit Babett Mahnert über Geldanlagen und wie man in Zeiten von Corona am besten damit umgeht.

Gerade in der Kreativbranche gibt es viele Menschen, die freiberuflich oder selbstständig arbeiten. Da stellt sich die Frage: Was können wir tun, um uns vor dem Bankrott zu retten und wenn möglich vorzusorgen, damit keine Engpässe entstehen und außergewöhnliche Umstände unser Leben auch zukünftig nicht auf den Kopf stellen. Babett Mahnert gibt umfassende Informationen und Tipps rund und die Themen Aktien und Sparpläne und verrät, wie trotz Krise eine persönliche Zusammenarbeit möglich ist.

Hallo Babett! Kannst du uns zum Einstieg erklären, was gerade an den Finanzmärkten passiert?

Das, was wir gerade an den Börsen weltweit sehen, sind täglich neue Kursabstürze. Jeden Tag verlieren die verschiedenen Indizes = Vergleichsmaßstäbe, wie zum Beispiel für Deutschland – der DAX, für Europa – der Euro Stoxx 50 oder weltweit – der MSCI World und unzählige weitere Indizes, Punkte. Das heißt, die Kurse sinken täglich. Um die Märkte in ihrem Kursfall zu stoppen, werden unterschiedliche Maßnahmen von der US-Notenbank Federal Reserve gesteuert, wie die Senkung der Zinsen auf 0 % und ein weiteres Notfallprogramm, wie die Vergabe von Krediten an Banken, die damit Unternehmen unterstützen sollen, um diese liquide zu halten.

Warum genau fallen also weltweit die Aktienkurse?

Wenn sich Börsen verändern, dann gibt es dafür 2 Ursachen: Emotionale Reaktionen und fundamentale Reaktionen. Das, was gerade zu großen Kurseinbrüchen führt, sind emotionale Reaktionen – Panik und Angst. Das Gehirn wird in solchen Augenblicken ausgeschaltet und die Anleger lassen sich von starken Emotionen zu unüberlegten Verkäufen hinreißen. Das hat tiefgreifende Folgen auf das Börsenumfeld, weil diese Verkäufe dazu führen, dass die Kurse weiter sinken. Fundamentale Betrachtungen wie die Unternehmenszahlen oder das Prinzip von Geld anlegen, das auf Langfristigkeit beruht, haben für die eigene Entscheidung kein Gewicht mehr. Auf der anderen Seite wirken bei Kursstürzen fundamentale Ursachen. Das sind Zahlen, Daten und Fakten, die einen großen Einfluss auf den Kurs haben.

Dazu gehören:

  • Unternehmenszahlen, wie Quartalsberichte
  • Branchenspezifische Veränderungen
  • Zinsentscheidungen von der Notenbank oder der europäischen Zentralbank.

Das, was du gerade an den Börsen siehst, ist ein großer Spiegel von inneren Ängsten, die im Augenblick Anleger zu irrationalem Handeln bewegt. Das heißt, es werden in Panikreaktionen Verkäufe getätigt, die zu weiteren Kurseinbrüchen führen.

Was macht man in so einer Situation am besten mit seinen Sparplänen?

Wenn du dich für einen Sparplan entschieden hast, dann ist das grundsätzlich eine langfristige Entscheidung. Das heißt, du kaufst jeden Monat für einen bestimmten Betrag einen Fonds/ETF in dein Depotkonto. Das Flexible an Sparplänen ist, dass du nicht das Risiko von einem bestimmten Einstiegszeitpunkt hast, sondern dass du 12 unterschiedliche Zeitpunkte im Jahr hast, zu denen du anlegst. Das bedeutet für diese bewegten Zeiten, dass du mit deinem Sparbeitrag zu einem günstigen Kurs einkaufst, d.h. du bekommst mehr Anteile für dein Geld. Das wirkt sich positiv aus, wenn die Kurse wieder steigen, weil du dann mehr Anteile hast. Meine Empfehlung: Sparpläne weiterlaufen lassen.

Sprich: Bloß nicht verkaufen?

Auf keinen Fall, wenn du das Geld nicht benötigst. Wenn du Geld anlegst, dann gibt es mehrere Regeln. Eine wichtige Regel ist, dass du am Anfang erstmal deinen Notgroschen aufbaust, um genügend Puffer zu haben. Dafür empfehle ich dir mindestens 3-6 Monatsausgaben. Das Geld kannst du super auf einem Tagesgeldkonto parken. Eine weitere Regel ist die Langfristigkeit deiner Anlage, um Kursschwankungen, wie wir sie jetzt gerade erleben, auch wieder ausgleichen zu können. Generell solltest du Geld in Aktienfonds nur anlegen, was dir zur zusätzlichen Verfügung steht und das du im Augenblick nicht brauchst.

Macht Sinn! Ist denn jetzt überhaupt ein guter Zeitpunkt, um Geld anzulegen?

Eine wundervolle Frage, die ich nur beantworten kann mit: Ich weiß es nicht. Ich kann nicht voraussehen, wie sich das Börsenumfeld entwickelt, wie weit die Kurse noch fallen werden und welche weiteren Folgen wir sehen werden. Das zu sagen, käme Kaffeesatz-Lesen gleich. Was ich sagen möchte ist, dass sich ein monatlicher Sparplan zum Einstieg immer lohnt, weil du zu verschiedenen Zeitpunkten kaufst und nicht auf diesen einen Augenblick angewiesen bist. Mit einer Einmalanlage würde ich im Augenblick warten. Das ist aber auch nur meine Meinung, die keine Allgemeingültigkeit besitzt. Starte mit einem monatlichen Investitionsbetrag und parke dein Erspartes erstmal auf einem Tagesgeldkonto.

Ich habe bereits ausreichend gespart. Wie soll ich in der jetzigen Situation damit umgehen?

Als Erstes empfehle ich dir, dein Rücklagenkonto gut zu füllen. Das ist das Konto, das dir für unerwartete Ausgaben, wie deine kaputte Waschmaschine oder eine Autoreparatur zur Verfügung steht. Auf diesem Konto solltest du auch mindestens 3-6 deiner monatlichen Ausgaben als Reserve liegen haben – für turbulente Zeiten, wie wir sie gerade erleben, oder auch einfach um gut gerüstet zu sein. Den Rest würde ich auf einem weiteren Unterkonto parken und mit einer monatlichen Sparrate für dein Depotkonto beginnen.

Die Corona-Krise trifft vor allem Kleinunternehmer, Selbstständige und Freiberufler. Was können diese Menschen jetzt tun, um sich gegen einen möglichen Bankrott zu wappnen?

Eine so spannende Frage, von der gerade viele betroffen sind. Ich empfehle im ersten Schritt, mit Kunden aktiv ins Gespräch zu gehen und andere Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit zu erarbeiten. Das kann zum Beispiel die digitale Kooperation über Videokonferenzen sein. Oder du bietest deinen Kunden Gutscheine für deine Leistung an, die sie dann einlösen können, wenn wieder eine persönliche Zusammenarbeit möglich ist.

Ich empfehle dir, kreativ zu werden und zu überlegen, welchen Mehrwert kannst du in der aktuellen Situation geben und welche digitalen Lösungen du anbieten kannst. Jetzt ist auch eine gute Zeit, um an deinen Produkten zu arbeiten und sie noch besser zu machen und deinen Podcast zu starten. Tue Dinge, die dich im virtuellen Außen sichtbarer werden lassen und wo die Menschen dich und deine Leistung kennenlernen können.

Und was, wenn das nicht reicht? Wie kann man jetzt direkt Zuschüsse, Hilfe, Stundungen etc. beantragen?

Es wird gerade auf Hochtouren an unterschiedlichen Unterstützungsmöglichkeiten für Selbständige gearbeitet. Es werden täglich neue Informationen und Lösungen eröffnet. Am 18.03. wurde zum Beispiel im „Neuen Deutschland“ ein Artikel veröffentlicht, in dem das Land Berlin Solo-Selbständigen mit einem 300 Millionen Programm helfen möchte. Die Anträge dafür können bei der Investitionsbank Berlin gestellt werden. Grundsätzlich ist es jetzt wichtig, mit deinen Geschäftspartnern, dem Finanzamt, deiner Krankenkasse …. zeitnah ins Gespräch zu gehen, um offen über die aktuelle Situation zu sprechen und um Ratenzahlungen zu vereinbaren. Die Situation ist so besonders, dass Gespräche einfach total wichtig sind. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat am Freitag, 20.03. in einem Interview mit dem Deutschlandfunk nachgelegt und weitere Details zu dem angekündigten Hilfeprogramm für Solo-Selbstständigen in der Corona-Krise genannt. Die Maßnahmen seien auf vier Säulen gestellt:
  • Darlehen (rückzahlbar, über Hausbank)
  • Grundsicherung ohne Vermögensprüfung (über Jobcenter, letzteres auf wenige Monate beschränkt)
  • Zuschüsse zur Miete der Gewerbeimmobilie
  • Direktförderung (nicht rückzahlbar, evtl. auch über Hausbank)

Im Zusammenhang mit der Corona-Krise ist auch oft von der Einführung eines Grundeinkommens die Rede. Was hältst du davon und wäre das deiner Meinung nach überhaupt umsetzbar?

Über das Grundeinkommen ist in den letzten Tagen wieder stark diskutiert worden. Es sieht eine Lösung vor, in dem Menschen in Deutschland eine feste monatliche Summe in Krisenzeiten zur Verfügung haben sollen. Ein schöner Gedanke, gerade auch in diesen bewegten Zeiten, um den Menschen mehr Sicherheit zu geben. Welcher Punkt mich zum Nachdenken anregt, ist die Finanzierung eines solchen Projektes. Ich glaube, da werden noch einige Gespräche notwendig sein, um umsetzbare Lösungen zu finden.

Der bayerische Ministerpräsident kündigt stattdessen an, dass Deutschland gegen die Krise abgesichert ist. Was genau heißt das? Dass genug Geld für alle Menschen vorhanden ist?

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat für Bayern den Katastrophenfall ausgerufen und die bayerische Regierung hält hierfür ein Sondervermögen von 10 Milliarden Euro bereit. Solche Unterstützungen werden sehr wahrscheinlich auch in anderen Bundesländern kurzfristig zur Verfügung gestellt, wie es gerade in Berlin mit dem 300 Millionen Programm für Solo-Selbständige der Fall ist. Grundsätzlich wird gerade an unterschiedlichen Ideen gearbeitet, die Menschen in ihrer Angestelltentätigkeit und ihrer Selbständigkeit unterstützen. Aktuelle Informationen hierfür findest du auf der Seite von Bundesgesundheitsministerium.

Die Regierung versucht, seinen Bürgerinnen und Bürgern Soforthilfe zu leisten. Stehen wir nichtsdestotrotz kurz vor einer weltweiten Finanzkrise oder gar Inflation?

Eine sehr spannende Frage! Die finanziellen Hilfen sind gerade da bzw. werden geschaffen, um den Menschen eine sofortige Lösung zu geben, damit sie ihren Verpflichtungen, wie z.B. Miete, Krankenversicherung und Lebenshaltungskosten nachkommen können. Die Wirtschaft in Deutschland ist in den letzten Tagen zu einem großen Stillstand gekommen, was zur Folge hat, dass die Unternehmen wesentlich weniger Geschäfte machen. Das hat einen erheblichen Einfluss auf die Quartalszahlen, die im April veröffentlicht werden. Die Wirtschaft hat einen massiven Rückgang zu verzeichnen. Wenn dieser Rückgang auch das zweite Quartal anhält, dann spricht man von einer Rezession. Rezession bedeutet der Rückgang der Konjunktur. Aufgrund der aktuellen Einschränkungen ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass wir in eine weltweite Wirtschaftskrise geraten. Das Thema Inflation = Preisanstieg spielt im Augenblick eine untergeordnete Rolle.

Und wie siehts aus mit einer Währungsreform?

Ich glaube aktuell nicht, dass wir vor akuten Währungsreform stehen, weil im Augenblick ganz andere Dinge im Vordergrund stehen. Allerdings kann das in den nächsten Wochen und Monaten ein konkretes Thema werden. Die Diskussionen um eine Währungsreform sind schon länger im Gespräch. Die Entwicklungen auf die Wirtschaft in Deutschland und in Europa sind im genauen Umfang noch nicht absehbar. Das heißt für mich: Welche Unternehmen es weiterhin in welcher Form geben wird und welchen Einfluss die Unternehmen in welchem Umfang auf die jeweilige Volkswirtschaft haben. Wenn z.B. 40-60 % der Unternehmen in der BISHERIGEN Form keinen Bestand mehr haben, hat das weitereichende Konsequenzen auf die Wirtschaft und die Stabilität des Landes. Der Euro ist die Währung der europäischen Wirtschaft- und Währungsunion. Und diese Zusammensetzung wird sich nach Corona massiv verändern.

Wie glaubst du, wird der Finanzmarkt nach der Krise aussehen?

Eine große Frage. Warte mal, ich hole mal meine Glaskugel. Nein, im Ernst. Ich glaube ganz fest, dass sich alles zu unserem Wohl entwickelt, auch wenn es im Augenblick noch sehr unklar und chaotisch ist. Wir befinden uns gerade in einem weltweiten Wandel, der schon seit längerem „ansteht“. Schau dir gerade die positiven Auswirkungen auf unser Klima an: In China können die Menschen wieder den Himmel sehen und frei atmen. Das gab es seit Jahrzenten nicht! Unsere Erde kann sich gerade erholen, was so dringend notwendig war!

Die Wirtschaft wird sich meiner Meinung nach sehr verändern. Unternehmen werden in einer anderen Form entstehen, viele alte Unternehmen wird es in ihrer bisherigen Form nicht mehr geben. Das Thema Digitalisierung kann plötzlich über Nacht umgesetzt werden. Große Einschnitte werden zu neuen Wegen führen, was sich auch auf dem Finanzmarkt widerspiegeln wird. Geld wird es zunehmend in einer anderen Dimension geben, Vermögen wird weniger eine Rolle spielen und das bisherige Bankensystem wird sich auch massiv verändern. Bestimmte Banken werden komplett verschwinden, wenige werden sich an die neuen Umstände anpassen und die FinTech-Banken werden an die Spitze rücken. Ich glaube ganz fest daran, dass die Krise die Menschen wieder näher zusammenbringt und das dadurch ganz andere Dimensionen der Wirtschaft geboren werden – eine Wirtschaft, die wirklich nachhaltig und langfristig ausgerichtet ist.

Das Thema Digitalisierung kann plötzlich über Nacht umgesetzt werden. Große Einschnitte werden zu neuen Wegen führen, was sich auch auf dem Finanzmarkt widerspiegeln wird. Geld wird es zunehmend in einer anderen Dimension geben, Vermögen wird weniger eine Rolle spielen und das bisherige Bankensystem wird sich auch massiv verändern.

Letzte Frage: Was kann ich tun, um mein Geld künftig besser zu schützen?

Um dein Geld besser vor Krisen zu schützen, ist meine Empfehlung, mit deinem Geld in zwei unterschiedlichen zeitlichen Dimensionen zu denken. Die 1. Dimension ist die kurzfristig: Das heißt, dass ein Teil deines Geldes jederzeit verfügbar auf einem Tagesgeldkonto liegt. Es ist deine Rücklage, die dir in besonderen Phasen hilft, um für mindestens 3-6 Monate dein monatlichen Ausgaben zahlen zu können. Die zweite Dimension ist langfristig. Das bedeutet eine Zeitdauer ab ca. 7 Jahren. Du musst nicht täglich über dein Geld verfügen und wenn es Krisen – wie die im Augenblick gibt – dann kannst du abwarten und musst nicht handeln, weil du dein Geld nicht benötigst.

Um dein Risiko zu reduzieren empfehle ich dir, dass du dein Geld in verschiedene Anlagemöglichkeiten = Anlageklassen anlegst. Dazu gehören zum Beispiel Anleihen, Immobilien, Aktien und Rohstoffe. Wenn du in diesen Börsenphasen zum Beispiel in Immobilien investiert hast, dann ist der Wert vom aktuellem Börsenumfeld unabhängig. Generell empfehle ich von Herzen: Bitte schließe nur Anlagen ab, die du auch verstehst. Das gibt dir in Krisenzeiten, wie wir sie gerade erleben, ein sicheres Gefühl, weil du weißt, dass das Marktumfeld sich negativ verändern kann.

Vielen lieben Dank für das tolle und informative Interview, liebe Babett!

Schreibe den ersten Kommentar
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.

Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.