„Ich bin sehr vielseitig unterwegs. Lange habe ich das als Schwäche empfunden“ – Tau­send­sas­sa Birgit Amelung im Portrait

Warum eine erfolgreiche Karriere nicht immer gradlinig verlaufen muss

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Dieser Artikel ist bereits im She’s Mercedes Newsletter erschienen.

Langsam neigt sich das Jahr dem Ende zu und es ist einer dieser letzten herrlich sonnigen Tage, an dem ich Birgit Amelung in ihrem Büro besuche. Sie zeigt mir Fotos ihrer neuen Kampagne für das Hamburger Cashmere-Label Iris von Arnim. Als Kreativdirektorin hat sie die Kampagne inklusive Film-Content kreiert, ihr Steckenpferd seit über zehn Jahren.

Gründerin Journelles

Birgit hat Journalismus und Medienkommunikation studiert und anschließend ein Volontariat absolviert. Später wechselte sie von der Fernseh- in die Werbebranche. Vor sieben Jahren hat sie ihr eigenes Unternehmen mitgegründet, eine Kreativagentur und Produktion. Als Geschäftsführerin und Creative Director hat sie sich von der Firma inzwischen getrennt und ist solo als Kreativdirektorin, Bewegtbild-Expertin und Mit-Gründerin von HER Berlin unterwegs. Damit verkörpert Birgit ein klassisches Profil der „Generation Slash”, in der man mehr als nur einem Job nachgeht.

Ihre Tätigkeit auf nur eine einzige Berufsbezeichnung zu reduzieren, würde ihr nicht gerecht werden: Birgit entwickelt für Kunden Kreativkonzepte und Strategien und übernimmt das Copywriting bis hin zur Regiearbeit beim Film. Für große Kampagnen holt sie sich, je nach Bedarf, weitere Selbstständige aus ihrem Netzwerk dazu.

Ich bin sehr vielseitig unterwegs. Lange habe ich das als Schwäche empfunden. Ich war geprägt von veralteten Denkweisen, man könne doch keine ‚eiermilchlegende Wollmilchsau‘, sondern müsse Experte auf einem Gebiet sein. Da sich aber aktuell die ganze Arbeitswelt verändert und man viel schneller agieren muss, entwickelte sich daraus meine Stärke. Ich kann Kunden verschiedene Services anbieten, bei Bedarf auch alles aus einer Hand und flexibel auf das reagieren, was gerade gebraucht wird.

Heute genießt Birgit, dass sie sowohl unternehmerisch, strategisch als auch kreativ denken kann. Ihr Tatendrang fasziniert mich schon seit Jahren: „Es liegt auf jeden Fall in der Familie. Meine Mutter ist bis heute sehr umtriebig und voller Power, mit Mitte 60 hat sie eine dritte Firma gegründet. Sie macht Karate, reist gern um die Welt. Daher ist Tatendrang für mich wohl eine ganz natürliche Charaktereigenschaft. Ich habe oft neue Ideen und Visionen, immer große Lust, etwas Neues anzufangen und nach vorne zu bringen.”

Aber auch diese leidenschaftliche Energie kann ausgebremst werden, wie sie in der Vergangenheit erleben musste. Aus ihrer mit zwei Partnern gegründeten Firma ist Birgit als Geschäftsführerin ausgestiegen, das fiel ihr nicht leicht: „Ich habe mich in meinem eigenen, erfolgreich aufgebauten Unternehmen gefühlt wie im goldenen Käfig. Obwohl es ‚mein Baby’ war, konnte ich mich nie wirklich entfalten und ich selbst sein. Ich war unglücklich, obwohl die Firma sehr erfolgreich war. Ich hatte das Gefühl, ich werde von meinen Geschäftspartnern eher ausgebremst, als motiviert. Die Stimmung war oft angespannt. Irgendwann wollte ich gar nicht mehr ins Büro gehen. Sehr lange wollte ich nicht wahrhaben, dass dieses Konstrukt, so wie wir es anfangs voller Motivation und Leidenschaft gestartet haben, nicht mehr funktioniert und für mich mit meinen Bedürfnissen, Wünschen und Visionen auf Dauer einfach nicht passt.“

Die Situation spitzte sich zu: „Ich wurde krank. Zum ersten Mal in meinem Berufsleben habe ich dann meine Gesundheit vor die Karriere gestellt – und entgegen aller Widerstände eine dreimonatige Auszeit genommen. Natürlich hatte ich ein schlechtes Gewissen gegenüber meinen Partnern, der Firma, mir selbst. Aber ich werde nie vergessen, wie ich mit einer guten Freundin telefonierte und sie mir sagte: ‚Weißt du was, ich finde diese Entscheidung einfach nur mutig und richtig. Du hast dich für dich und deine Gesundheit entschieden. Was könnte wichtiger sein?‘ Natürlich hatte sie völlig recht.“

Die 35-Jährige hat diesen Entschluss nie bereut, im Gegenteil: „Dieser Schritt fiel mir alles andere als leicht, war aber im Nachhinein eine der besten und prägendsten Entscheidungen meines Lebens. Ich bin zur gleichen Zeit schwanger geworden. Dadurch hat sich meine Einstellung zu Arbeit und zu Menschen in meinem Umfeld noch mal grundlegend verändert. Ich kann nur sagen: Ich fühle mich heute so befreit, Entscheidungen alleine treffen zu können und mich vor niemandem rechtfertigen zu müssen. Ich bin glücklich, nur von Menschen umgeben zu sein, die mir Kraft schenken, anstatt mir Energie zu rauben.”

2016 lernte Birgit über eine Freundin Aleksandra Avli kennen, eine der Gründerinnen der Non-Profit-Community HER Global Network aus Stockholm. Ein internationales Frauennetzwerk, das mittlerweile in 17 Städten weltweit vertreten ist und Frauen aus unterschiedlichen Branchen zusammenbringt. Im selben Jahr holte Birgit mit HER Berlin die Networking-Reihe nach Deutschland. Der Gedanke, der bei HER im Fokus steht? Hört auf, euch als Frauen gegenseitig zu vergleichen. Lernt wertzuschätzen, dass die andere kann, was ihr nicht könnt. Und werdet dadurch gemeinsam stärker. Gönnt anderen Frauen ihren Erfolg und profitiert davon, ganz nach dem Motto „I don’t shine, if you don’t shine“.

Der Spirit von HER hat für Birgit viel verändert: „Konkurrenzgehabe, Stutenbissigkeit und das höchst ungesunde Vergleichen über Social Media hat sowohl in meinem Arbeitsumfeld als auch in meinem Privatleben keinen Platz mehr.“

Um möglichst viele Frauen zu inspirieren, veranstaltet Birgit mit ihrem HER Berlin Team Events und Dinner zu verschiedenen Themenbereichen, wie beispielsweise Ethical Luxury. Rund 20 bis 30 geladene Frauen können sich anschließend gezielt zu diesem Thema austauschen. Dabei geht es nicht darum, Visitenkarten auszutauschen oder zu zeigen, wer die tougheste Powerwoman ist, sondern darum, Verletzlichkeit zuzulassen und über gemeinsame Herausforderungen, Hürden und Schwächen zu sprechen. Ein „Safe Space“ für Frauen, die voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen möchten.

Es ist immer wieder beeindruckend, was wir in diesen Runden für eine Offenheit erfahren, weil wir uns selbst so ehrlich und verletzlich zeigen. Ich bin wirklich stolz und sehr glücklich, dass wir einen solchen Raum für Frauen kreieren. Vor allem, weil es für uns alle ein Herzensprojekt aus Leidenschaft ist. Wir verdienen damit kein Geld, aber es lässt mich sowohl persönlich als auch beruflich wachsen und erfüllt mich.

Auch die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere hat für Birgit viel mit Zusammenhalt unter Müttern und dem Aufbau eines starken Netzwerks zu tun.

„Das Netzwerk und der Zusammenhalt unter anderen arbeitenden Müttern ist nicht zu unterschätzen, bei mir haben sich da noch mal ganz neue Perspektiven und auch Joboptionen ergeben. Man versteht sich und kann in der Zusammenarbeit besser aufeinander eingehen.“

Eine wertvolle Erkenntnis für Birgit:

Wenn man ein gewisses Maß an Energie und ein Macher-Gen in sich trägt, ist es schön, zu sehen, dass das nicht plötzlich verloren geht, nur weil man Mutter wird. Das beobachte ich an mir, aber auch an vielen anderen Frauen in meinem Umfeld.

DREI INSPIRIERENDE LEITSÄTZE VON BIRGIT AMELUNG:

1. „Stay close to people who feel like sunshine”: Dieses Zitat lebe ich zurzeit. Mich nur mit Menschen zu umgeben, die mir gute Energie schenken und ein positives Gefühl bei mir hinterlassen. Und Leute ziehen zu lassen beziehungsweise sich von denen abzugrenzen, die mir diese Energie saugen oder mich irritiert zurücklassen.

2. „Folge Deinem Bauchgefühl“: Dein Bauchgefühl sagt dir meistens, was jetzt gerade richtig für dich ist. Was nicht immer heißen muss, dass es eine Entscheidung fürs Leben ist, aber die richtige Entscheidung an diesem Tag, für dieses Projekt, in diesem Moment.

3. „Lass Veränderungen zu”: Selbst die denkbar schlimmste Situation hat meist etwas Gutes an sich, weil sie dir einen neuen Weg aufzeigt oder dich stärker macht. Das Jetzt anzunehmen und von dort aus den nächsten Schritt zu gehen, ist soviel kraftvoller, als sich ewig zu grämen über etwas, dass man ja doch nicht ändern kann. Das Leben ist nicht immer bequem – aber wir wachsen am meisten, wenn wir unsere Komfortzone verlassen: Life begins at the end of your comfort zone. Ich finde, Veränderung ist etwas Wunderbares.

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Fotos: Julia Novy

Von Jessie

Ich bin Jessie Weiß, 32 Jahre jung, lebe verheiratet in Berlin, bin Mama von Levi (1), schwanger mit dem zweiten Kind sowie Gründerin von Journelles. Ich liebe Phoebe Philo, Stella McCartney und Isabel Marant, kann aus anatomischen Gründen nicht auf hohen Schuhen laufen, habe einen Céline-Taschentick, tanze und höre leidenschaftlich gern Hip Hop, kann mir selten Ironie verkneifen, leider immer noch kein Französisch sprechen, obwohl ich Paris für die schönste Modestadt der Welt halte, gucke am liebsten Jimmy Fallon, Jan Böhmermann, Game of Thrones oder entspanne beim Serienmarathon auf Netflix, bin ein kleiner Workaholic mit Multitaskingtalent, professionelle Instagram-Durchscrollerin, in jeder Lebenslage tollpatschig, habe ein Faible für skandinavisches Interior und einen Kissen-Tick, bin groß im Wellness machen und wäre daher noch lieber professionelle Hoteltesterin. Mode ist meine grosse Liebe, aber meine Kohle investiere ich eher in Reisen und Essen – und neuerdings fast ausschliesslich in mein Kind.

Als alter Bloghase – 2007 habe ich LesMads mitbegründet – ging im Oktober 2012 mein persönlicher Traum in Erfüllung: Ich habe mich mit "Journelles" selbstständig gemacht. Das Blogazine ist mein digitales Zuhause, News-Plattform, Modetagebuch und tägliche Anlaufstelle für spannenden Content rund um die Themengebiete Interior, Reisen, Beauty und sowohl High Fashion als auch Contemporary Labels und Highstreetmode.

Nebenbei habe ich die Modesendung It's Fashion auf EinsPlus von der ARD moderiert, berate Firmen im Social-Media-Bereich, halte Vorträge und reise um die Welt, um euch täglich den schönsten Content zu präsentieren. Im Juni 2015 habe ich mein eigenes Modelabel JOUUR. gegründet.

2016 ist mein Sohn Levi auf die Welt gekommen. Baby-Themen werden seither auf Mini Journelles behandelt und das nun auch wieder intensiver, da unser zweites Kind unterwegs ist.

Journelles ist inzwischen gewachsen: Wir sind ein sechsköpfiges Redaktionsteam im Berliner Prenzlauer Berg und haben im Sommer 2018 unseren ersten temporären Concept-Store, den Journelles Marché, eröffnet.

Mein Credo: Mode muss Spaß machen, auf Augenhöhe funktionieren und sollte sich nicht so ernst nehmen.

Mehr über mich findet ihr im Presse-Bereich, auf Instagram und ab und an auf YouTube. Subscribe!

Aktuelles Presse-Feature:

VOGUE.DE: "Influencer im Portrait: Jessica Weiß - Alles, nur kein Stillstand"

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.