Eyes on Caro Daur, Leonie Hanne & Co – Wie die Deutschen die Streetstyles bei den Fashion Weeks bestimmen

Die Deutschen übernehmen den Streetstyle-Zirkus!

Wer während der Schauen der Fashion Week einen Blick in die Front Row wirft oder sich durch die Streetstyle-Fotos klickt, wird nicht nur das italienische Instagram Slash It-Girl Chiara Ferragni, die ManRepeller-Gründerin Leandra Cohen oder aber die Skandinavierinnen wie Jeanette Madsen, Pernille Teisbaek und Sophia Roe finden.

Inzwischen sind auch Caro Daur, Xenia Adonts, Lena Lademann oder die Schwestern Julia und Sylvia Haghjoo – um nur ein paar zu nennen – darunter. Was macht diese Information so interessant? Sie alle kommen aus Deutschland.

Wer einen weiteren Beweis dafür braucht, wie sehr die Deutschen das Streetstyle-Bild bei den Fashion Weeks bestimmen, findet ihn in Person der Bloggerin Leonie Hanne (Ohhcouture), die gerade erst in Berlin unterwegs war und nun weiter nach Indien fliegt. Noch Anfang der Woche war sie in Paris, davor in Mailand. Dort nämlich saß sie während der Fashion Week bei nahezu allen Modeschauen in der Front Row, wechselte ihre Outfits mehrmals täglich und wurde von zig Fotografen verfolgt. Das Ergebnis? Ihre Outfits findet man in Printmagazinen und auf Mode-Webseiten unter Kategorien wie „Die schönsten Streetstyles“ und auf vielen Instagram-Accounts wurde sie ebenfalls getaggt. Das Dasein eines Streetstyle-Stars kommt aber nicht über Nacht: Viele Jahre harte Arbeit liegen hinter unseren deutschen Schönheiten.

Die Schnappschuss-Industrie

Klar, die Modewelt ist ein Showbusiness. Es geht um Selbstdarstellung und Verkleidung, vor allem aber um Inszenierung. Und da gehört das große Streetstyle-Spektakel abseits der Laufstege seit vielen Saisons unabdingbar dazu. Das Phänomen ist mittlerweile zu einem professionellen Wirtschaftszweig geworden: Es gibt Fotografen, die von ihren Streetstyle-Fotos leben, und Streetstyle-Stars, die mit ihren Looks ihr Geld verdienen.

Doch der Kampf um die Aufmerksamkeit hat sich verschärft. Immer mehr Menschen wollen vor den Fashion Shows gesehen und fotografiert werden. Und wenn eigentlich nur noch zu den Fashion Weeks „Streetstyles“ fotografiert werden und nicht mehr in einer Fußgängerzone, wenn plötzlich alle gut angezogen sind, dann muss man sich was einfallen lassen, um gesehen zu werden. Umso schöner ist es, dass die deutschen Frauen es drauf haben, denn sie bestimmen das Streetstyle-Bild bei den Fashion Weeks deutlich mehr als die Jahre zuvor.

Lange war Caro Daur, die aktuell bei Instagram über 1,8 Millionen Follower hat, eine der wenigen, die man bei den Streetstyle-Fotos entdeckt hat, inzwischen sehen wir eine ganze Riege. Wir haben unsere eigenen It-Girls à la Pernille Teisbaek oder Jeanne Damas. Ja, Deutschland hat mehr zu bieten als Socken und Sandalen – und darauf können wir stolz sein.

Deutschland hat mehr zu bieten als Socken und Sandalen.

Sich selbst zur Marke machen

Auch wenn viele die Blogger/Influencer/ It-Girls/ Streetstyle-Stars in ihrer Dauerpräsenz als nervig empfinden: Dass ihre Erfolgsgeschichte es wert ist, ergründet zu werden, kann wohl niemand bestreiten. Denn kaum aus der Schule raus, verdienen sie sich ihren Lebensunterhalt selbst und zählen zu der angesagten All-In-One-Agentur der Modebranche.

Rätselhaft bleibt aber, worin das Phänomen ihres Erfolgs nun wirklich besteht. Wie kommt es zu dieser Präsenz, wie kommt es, dass manche Frauen auf Instagram begehrter werden als andere?

Zum einen sind Caro Daur & Co schlau. Sie waren zur rechten Zeit am rechten Ort, sie wissen, wie man sich selbst vermarktet und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich lenkt, selbst wenn man eigentlich nicht groß was zu sagen hat, sondern in erster Linie Mode mag.

Zudem haben sie alle nicht nur ein Händchen für Mode, die sie auf ihrem Account stilsicher zeigen, sie sind obendrein hübsch, schlank und eignen sich selbst als bestes Geschäftsmodell. Dabei inszenieren sie via Instagram ihr Privatleben genauso kunstvoll, wie sie die neuesten Modetrends an sich selbst in Szene setzen.

Caro Daur oder Leonie Hanne sind keine Schauspieler, denen man ständig begegnet, von denen man aber eigentlich nichts weiß. Sie sind anders als Promis aus Hollywood. Sie sind nahbar – wie Freunde, deren Leben wir anhand der Fotos, die sie posten, folgen. Wir wissen, was sie machen, sie erzählen es uns ja in ihren Stories. Sie nehmen uns mit in ihre Küchen, ihren Kleiderschrank und auf Reisen. Sie lassen uns virtuell an ihrem Leben teilhaben.

Xenia Adonts gehört auch dazu. Gemeinsam mit ihrem Freund Jürgen betrieb sie ihren Blog Xeniaoverdose mal mehr oder weniger intensiv, auf Instagram ist sie aber dauerpräsent. Xenia ist kürzlich von Hamburg in eine Traumwohnung in Paris gezogen. Sie hat eine kleine Schwester, liebt Brokkoli, bewahrt Crossaints im Kühlschrank auf, arbeitet viel in ihrer Küche und leidet immer mal wieder an Jetlag. Woher ich das weiß? Sie hat es mir in ihren Stories erzählt.

Häufiges Posten, mit seinen Followern sprechen und sie überall mitnehmen: Glaubwürdigkeit ist eine Eigenschaft, auf der ihr Erfolg basiert. Man nimmt ihr das Leben ab, das sie da auf Instagram präsentiert: Fotos vom Abendessen, von der neuen Handtasche, vom aktuellen Outfit. Das spricht an, weil sich eine besonders breite Masse mit ihrem Lebensstil oder viel mehr dem Traum davon identifizieren kann. Ein perfektes Werbeumfeld für Unternehmen und Marken.

Die One-Woman-Show funktioniert gut

Dazu sind Social-Media-Stars international sehr gut vernetzt. So haben Caro Daur zum Geburtstag (übrigens: herzlichen Glückwunsch an der Stelle!) unter anderem Lottie Moss (die Schwester von Kate Moss) und das Victoria-Secret-Model Devon Windsor gratuliert, sie ist für Dolce & Gabbana gelaufen und spielt neben Sarah Jessica Parker im Werbefilm von Fendi mit. Leonie Hanne dreht Videos für Dior, kennt Linda Tol sowie Lou de Saison und besucht mit Aimee Song von Songofstyle und Negin Mirsaleh die Show von Isabel Marant.

Wie Caro Daur haben auch Leonia Hanne oder Xenia Adonts schnell Berühmtheit erlangt – dank ihrer geschulten Nasen für Trends und auch einem Quäntchen Glück. Sie sind längst nicht mehr nur Bloggerin oder It-Girls – sie sind ihre eigene Marke geworden. Ihre Karriere steht beispielhaft für den Erfolg der jungen Modefans, die mit ihrem Gespür für Stil und für die Vorlieben einer bildbesessenen Generation ihr eigenes Gesicht zu einem Geschäftsmodell aufgebaut haben. Ihre Fähigkeit, im Internet Millionen von Menschen hinter sich zu versammeln, haben ihnen Einfluss in der Modebranche verliehen und sie zu Chefinnen ihres eigenen profitablen Unternehmens gemacht.

Wie wird man auf Instagram zur Stilikone?

Dass es auch anders gehen kann, beweisen Sylvia und Julia, die Haghjoo-Schwestern. Sie sind im Vergleich eine Nummer kleiner; Sylvia hat aktuell 198.000 Follower bei Instagram, Julia 208.000. Doch die Schwestern aus Hamburg haben etwas, wonach Luxusmarken und Streetstyle-Fotografen sowie Follower zunehmend suchen: Authentizität und Zurückhaltung.

Ihnen fehlt der Hang zur Selbstdarstellung, stattdessen strahlen sie Schüchternheit aus. Niemals sieht man Selfies von den beiden, keine lasziven Posen oder zu tiefe Einblicke in ihr Privatleben. Lieber spielen sie auf ihren Fotos mit Licht und Schatten, wählen ungewohnte Posen und Bildanschnitte, sodass man beim Scrollen stehen bleibt, weil man zwei Mal hinschauen muss.

Sylvia, die zunächst eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau bei Unger in Hamburg gemacht hatte, begann auf ihrem Blog Porträtbilder, Aufnahmen von Landschaften und Architektur zu veröffentlichen. Julia, die gerade erst die Schule abgeschlossen hatte, gründete dank Überredungskraft ihrer Schwester das Blog number-93.com. Inzwischen sind beide ebenfalls ein häufiges Motiv bei den Streetstyle-Fotografen, arbeiten für Luxusmarken wie Chanel und Fendi oder Onlineshops wie 24Sèvres.

Mit ihrem Aufstieg in der internationalen Modeszene verändern diese jungen Frauen den Blick auf das deutsche Modebewusstsein.

Die deutschsprachige Modesphäre hinkte immer ein wenig hinterher; umso schöner ist es nun zu sehen, dass die deutschen Frauen ganz vorne mitspielen und mit ihrem Modebewusstsein das Ansehen Deutschlands in der Modewelt steigern.

Noch bis vor kurzem war Caro Daur eine der wenigen, mit denen Luxusmarken wie Dior oder Prada zusammenarbeiteten, inzwischen haben wir eine ganze Riege von deutschen Vorzeige-Stars, die in der Front Row bei großen Modehäusern sitzen, die Streetstyle-Fotos dominieren, ihr Gesicht zu einer Marke aufgebaut haben und damit gutes Geld scheffeln. Die einen tun dies mit Zurückhaltung, die anderen mit hemmungsloser Offenheit, doch alle mit Fleiß, Talent und einem sehr guten Geschäftssinn.

Mehr davon!

Von Alexandra

Schreiben sollte mir eigentlich leicht fallen, könnte man meinen. Doch wenn es darum geht, etwas über mich selbst zu erzählen, bin ich – ja sagen wir mal – überfordert. Wo fange ich an? Ich habe bei Journelles als Praktikantin angefangen. Danach ging es weiter in die Moderedaktion vom Tagesspiegel und dann wieder zurück an die Uni und dann wieder zurück zu Journelles ;-)

Ich mag Mode und Beauty: Ich liebe neue Trends, spannende Outfits und (zugegeben) auch etwas Shopping. Doch fast noch mehr mag ich es, Mode als Phänomen zu betrachten: Wieso gibt es diesen Trend? Woher kommt er? Welchen Einfluss hat die Politik oder Gesellschaft auf die Mode? Und umgekehrt! Ebenso finde ich es spannend, über großartige Frauen und ihre noch so unterschiedliche Errungenschaften zu berichten, sie kennenzulernen, von ihnen zu lernen ...

Wenn ihr meine Texte lesen solltet: Dankeschön! Es gibt nichts Schöneres, als zu wissen, dass meine Artikel gelesen werden. Und bitte seid gnädig mit mir, wenn ich Fehler mache. Ich lerne noch ... das wird sich wohl auch nie ändern ;-)

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4 Antworten auf „Eyes on Caro Daur, Leonie Hanne & Co – Wie die Deutschen die Streetstyles bei den Fashion Weeks bestimmen“

Ich habe für unsere deutschen Influencer wirklich Respekt. Manchmal komme ich schon mit den Funktionen nicht zurecht, die Instagram und Co einem so bietet. Vor allem eine wahre Inspirationsquelle um so direkt am Geschehene beteiligt zu werden, Reisen, Orte und Mode. Auch ich bin gespannt, wie sich die nächsten jahre sich so entwickeln werden.
Gruß,
Petra

Mir geht es eher so – vielleicht auch aufgrund des Altersabstands? – dass ich die deutschen Influencer modisch sehr angepasst und weichgespült finde, von ein paar Ausnahmen abgesehen (z.B. Stella von Senger, Veronika Heilbrunner).
Gerade den Street Style bei Modenschauen fand ich vor 10-15 Jahren noch viel spannender und individueller. Allerdings waren die damals fotographierten Frauen oft auch gestandene Modejournalistinnen, die neben ihrem Modegespür einfach auch einen gewissen Ausbildungshintergrund und jahrelange Berufserfahrung mitgebracht haben.
Als 37-jährige kann ich häufig die 21-jährige Influencerin nicht so recht ernst nehmen, die sich halt fotographieren lässt mit den drei oder vier aktuell angesagten Teilen, mit denen sie zuvor von den Modefirmen ausgestattet wurde. Sicher sind sie alle Model-dünn und hübsch und wohl auch auf ihre Art geschäftstüchtig, für echtes Talent und Können braucht es für mich aber ein wenig mehr.

Ich sehe das ähnlich wie Nina. Die Designer statten die Frauen aus (egal, woher sie kommen) und so sehen die Damen aus wie uniforme Puppen auf der Show. Neue Dior-Tasche? Zack, baumelt sie am Arm aller Influencer. Balanciaga-Sweater – einmal an alle. Ich will ihnen nicht unterstellen, dass sie keinen eigenen Stil haben, vielleicht ist genau das ihr Stil und sie alle mögen das gleiche. Aber als Zuschauerin werde ich dadurch nicht mehr inspiriert.

Spannend finde ich, all die genannten Damen sind HH-Girls…ist HH wohl doch das Tor zur Welt ;D (aber nur das Tor ;D)

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.