Manchmal muss man sich dem Modewochenzirkus entziehen und das Ganze ein wenig entschleunigen, um den Blick wieder aufs Wesentliche zu richten. Hier in Österreich zum Beispiel erlebe ich gerade Balsam fürs Herz mit ganz viel Familienzeit, Schnee, funktionaler Kleidung, bestem Essen und den Dingen, die mich wirklich berühren: Kind, Mann, die Natur und – so banal es klingt – quality time.
Mit einem Auge las ich zwischen meinen Mails noch die Anfrage, ob wir den Dior Livestream zeigen würden. Ich klickte auf das Preview-Video:
Es zeigt französische Frauenrechtlerinnen, die eine Bewegung starten wollen und viele Frauen zusammen bringen – den Aufnahmen entsprechend etwa in den 60ern oder 70ern. Die Bilder zeigen einen Women’s March, wie er einen Tag nach der Amtseinführung von Donald Trump Anfang 2017 in Washington stattfand. Es war ein Protestmarsch für die Frauen-und Menschenrechte, der auch in diesem Jahr nicht an Relevanz verloren hat. Im Gegenteil, die #MeToo-Debatte macht den Women’s March wichtiger denn je.
(Der Guardian hat übrigens mal die wichtigsten Frauenmärsche der Geschichte zusammen gefasst. Darauf dürfte der Washington-March auch bald stehen.)
Maria Grazia Chiuri hat sich gleich zu Beginn ihrer Zeit als Chefdesignerin bei Dior den Feminismus ans Revers geheftet. Bei ihrer ersten Kollektionspräsentation vor rund anderthalb Jahren lief ein Model im T-Shirt mit der Aufschrift „We should all be feminists“ über den Catwalk. Dazu muss man wissen, dass T-Shirts bei Dior eine Revolution waren – eine Freiheit, die sich Chiuri gleich beim obersten Boss, dem Präsidenten von Dior, Sydney Toledano, erkämpfen musste. Als wäre ihre Position selbst nicht schon eine Revolution: Immerhin ist sie die erste weibliche Chefdesignerin in der Geschichte des Luxushauses.
So ist es nicht verwunderlich, dass jede ihrer bisherigen Kollektionen ein Statement setzte und Frauenrechte immer im Fokus ihrer Arbeit standen. Natürlich handelt es sich am Ende des Tages um die Befeuerung von Konsum, aber wenn Mode nicht politisch sein darf, in welcher Welt würden wir dann leben? Hinzu kommt, dass man ihr ihre Einstellung abnimmt.
Die in Italien geborene Chiuri, die ihre Designkarriere immer an der Seite von Pierpaulo Piccioli bei Fendi und Valentino aufbaute, macht bei ihrem ersten Alleingang bei Dior nicht kurzweilige politische Statements, weil es gerade zum Zeitgeist passt und man davon profitieren könnte. Vielmehr zieht sich der feministische Ansatz wie ein roter Faden durch ihre Arbeiten.
Umso gespannter kann man auf ihre heutige Show bei der Paris Fashion Week sein – ich erwarte nicht weniger als einen Women’s March.