The Women of Paris – Warum Isabel Marant, Céline, Givenchy, Chloé und Stella McCartney beweisen, dass Frauen die besseren Designer sind

Woman Power! Auf den Laufstegen in Paris beweisen die Designerinnen einmal mehr, warum Frauen für Frauen am besten designen können

Yves Saint Laurent, Christian Dior, Cristobal Balenciaga – viele große Modehäuser haben große Männer im Hintergrund. Die Zeit der 50er-Jahre war der Beginn der modischen Neuentdeckung. Jahre des Krieges lagen hinter Europa, in denen nicht nur Nahrung, sondern auch Stoffe und alle sonstigen Luxusgüter des Lebens knapp bemessen, ja, kaum vorhanden waren. Der New Look von Dior mit weit schwingenden Röcken und vielen Stofflagen, die Wespentaille von Yves Saint Laurent, architektonisch genaue Entwürfe von Cristobal Balenciaga – lange Zeit hatten Männer die Fäden in der Hand, wenn es um Mode ging und diktierten, was Frauen trugen.

Aber da gab es auch große Frauen. Die, die genauso erfolgreich ihre Unternehmen aufbauten wie Männer, die knallharte Geschäftsfrauen waren und das schon lange vor der Zeit von Dior, Saint Laurent und Co. Ihre Namen waren Elsa Schiaparelli, Germaine Emilie Krebs, auch unter Madame Grès bekannt, Gabrielle Chanel, Madeleine Vionnet – und sie alle verband eine Stadt: Paris.

Jetzt kehrt diese Riege an starken Frauen zurück in die Pariser Metropole, die laut Statistiken (siehe unten) von männlichen Designern dominiert wird. Erobert Traditionshäuser wieder, erkämpft sich einen Namen und beweist, dass Frauen (vielleicht) doch am besten für Frauen designen können. Nach diesen Kollektionen liegt diese Behauptung zumindest nahe:

Céline

Fotos: Courtesy of Céline

Wenn man Phoebe Philos Kollektion für Céline in zwei Worten beschreiben müsste, so wären es: Komfort trifft auf 80er-Jahre. Denn von letzterem hatte sich Philo bei ihren Entwürfen stark inspirieren lassen, wie Kitten Heels, große Schulterpolster und Trenchcoats à la Claude Montana bewiesen. Der andere große Aspekt der Show: Wohlfühlen in seiner Haut, Raum in der Kleidung haben, um sich zu entfalten. „You’re all I need to get by„, der Soundtrack von Method Man feat. Mary J.Blidge sagte eigentlich alles aus.

Chloé

Fotos: Vogue Runway

Es war das Debut von Natacha Ramsay-Levi bei Chloé als Kreativdirektorin, nachdem Clare Waight Keller zu Givenchy wechselte. Französische Mode ist für Ramsay-Levi nichts Neues, davor arbeitete sie schon Balenciaga und Louis Vuitton – Heimspiel für die gebürtige Französin.

Sie nahm jede Menge Firmenhistorie in die neue Kollektion auf, verarbeitete bedruckte Kleider von Karl Lagerfeld, McCartneys und Philos Vorliebe fürs Reiten und den Sinn für Leichtigkeit von Waight Keller. Doch auch ihr eigener Stil kam nicht zu kurz: verträumte Bohème, Kontrast-Nähte an Skinny-Jeans und akzentuierte Blazer und Anzüge – dank Ramsay-Levi findet die Chloé-Frau in die Realität zurück und die ist feminin und traumhaft.

Givenchy

Fotos: Vogue Runway

Dass Chloé nach dem Abgang von Clare Waight Keller in guten Händen ist, beruhigt uns schon mal. Aber wie ist es der Designerin bei ihrem neuen Job bei Givenchy ergangen? Anscheinend ziemlich gut. Als Zeichen des Neuanfangs zog das Label in eine neue Location für die Show, nämlich ins Palais de Justice auf der Île de la Cité. Während Riccardo Tisci, der 12 Jahre lang der Kreativdirektor von Givenchy war, seinen Blick nie in die Vergangenheit (aka Archive) richtete, sondern nur in die Zukunft, wagt Waight Keller es, die Firmengeschichte noch einmal genau zu studieren und in ihre neue Kollektion zu integrieren: graphische Prints in Form von Animal Muster und Kleeblatt-Prints, die Farben war dominiert von Schwarz, Weiß, Mint und Rot. Aus dem harten Givenchy, mit roten Sternen und Dobermann-Print, wurde ein feminines Label, welches trotzdem Stärke beweist. Ob das nun daran liegt, dass Clare Waight Keller eine Frau ist, oder das einfach ihr Design-Stil ist (wie man bei Chloé sieht), kann man nur vermuten – der 90 Jahre alte Hubert de Givenchy gab ihr jedenfalls persönlich seinen Segen.

Stella McCartney

Fotos: Courtesy of Stella McCartney

Warum ich so ein großer Fan von Stella McCartney bin? Sie lebt in keiner Traumwelt, sieht Probleme realistisch und hat auch an Kleidung in erster Linie den Anspruch, dass diese gut kombinierbar und praktisch sein muss. Das wurde ihr in den letzten Jahren von Modekritikern immer wieder vorgehalten („too basic for Paris“), aber wir finden genau das toll. Seit Jahren kämpft McCartney für eine faire Produktionsweise, verzichtet auf tierische Materialien und beweist somit: Öko ist verdammt sexy! Auch bei der neuen Kollektion setzt sie auf Farbe und Tragbarkeit: rote Puffärmel, One-Shoulder-Strickkleider oder weit geschnittene Printkleider im Layering-Look. Wir möchten am liebsten alles sofort tragen – und das mit einem guten Gewissen.

Isabel Marant

Fotos: Courtesy of Isabel Marant

Isabel Marant ist und bleibt die Meisterin des French Girl Cool Chics – ein bisschen bohemian, ein bisschen raue Straße, ungemacht und freigeistlich. All diese Vibes lagen bei der Show in der Luft. Mit dem Erfolg, den sie seit Jahren hält, hat sie gar keinen Grund, die Linie des Labels zu ändern und bleibt sich selbst treu: verspielte Kleider, 80er-Jahre-Anspielungen, Hosenanzüge. Das einzig Neue, was es bei Marant zu sehen gab? Eine Männerkollektion. Der Grund: “We always talk about girls borrowing from their boyfriends, but my boyfriend is always borrowing my clothes.“ In der dominierten Strick, Lederhosen und jede Menge Vintage Vibes. Eigentlich ist Partnerlook ja ein No-Go, aber bei Marant überlegen wir uns das vielleicht doch noch mal…

Doch was ist das Geheimnis der Frauen? Warum ist ihre Mode gerade diese Saison so stark? Isabel Marant nennt einen Grund, der vielleicht eine Erklärung sein könnte. Sie ist eine Frau und designt für Frauen. „I had a very precise idea of what I wanted to do and I threw myself into doing my own collection. When I started, [fashion] was very minimalistic and very sexy. It was not at all the idea of the woman I had. I was more attached to craft, culture, travel, music and most of all, the way we live,“ sagt Marant. „At this time clothes were mainly designed by men with fantastical ideas of women. It wasn’t very wearable. One of the main things I learned when studying fashion was, ‚Are you going to wear what you’re designing?‘ That was the leading step for me.“

Frauen können tragen, was sie designen. Kennen die Stellen, die betont und kaschiert werden wollen. Denken praktisch  – Isabel Marant entwirft zum Beispiel gerne Sachen, die man nicht bügeln muss – und sind sich selbst die beste Kundinnen.

Auch Donatella Versace stimmt dieser These zu und sagt: “Riccardo Tisci is amazing, so many [male] designers are amazing, too – but sometimes there is this little thing where they need to make themselves a little bit behind who they are, and to look at the real woman.” Donna Karan sieht das Problem ähnlich und wirft Männern vor, oft für eine irreale Frauen-Fantasie zu designen, die idealisiert ist, aber nicht stimmt. “So often I hear women saying, ‘I can’t find the right clothes.’ That’s because fashion is often too young. Not everyone can wear a miniskirt – nor should they,” behauptet Karan. “We’re not models. There’s a reality. It comes down to the basics. How do we fit a pant?“ Das haben Frauen verstanden.

Trotzdem sagen die Zahlen etwas anderes. Business of Fashion enthüllte vor einem Jahr, dass in der Modebranche nur 40,2 Prozent weibliche Designerinnen in Führungspositionen sitzen. Gerade in Paris und Mailand, die als die traditionellsten und konservativsten Fashion Weeks gelten, ist diese Zahl besonders niedrig. In Paris sind nur 37 Prozent weiblich, in Mailand liegt die Quote mit 31 Prozent noch niedriger.

“Women unfortunately are still seen as a minority,” sagt Julie de Libran, die die kreative Leitung bei Sonia Rykiel innehat. “Even if certain fashion houses were created by women at their time, today they often have creative leaders that are men.”

Gerade bei den etablierten Modehäusern sind Frauen an der Spitze eine Rarität. LVMH besitzt 15 Brands, von denen nur vier Frauen als kreative Leitung haben (Phoebe Philo bei Céline, Clare Waight Keller bei Givenchy, Carol Lim bei Kenzo und Florence Torrens bei Thomas Pink), bei Kering sind es sogar nur zwei: Stella McCartney und Sarah Burton bei Alexander McQueen.

Ein weiterer Grund, woran das liegen könnte? Gerade in Kreativberufen liegt die Abrufbereitschaft bei 100 Prozent. Leidenschaft und harte Arbeit wird 24/7 erwartet, für Frauen sind Kompromisse in Sachen Familienplanung kaum möglich. “Women take on many roles, and wear many hats. They’re wives, they’re mothers,” bestätigt Vera Wang. “I raised two daughters and ran my own company and designed and tried to keep people employed… I didn’t feel like there was a lot of time in my life to squeeze everything in.”

Doch in unserer Generation ändert sich dieses Denken. Work-Life-Balance wird immer wichtiger, Führungskräfte erkennen, dass effektive Arbeit nicht tage- und nächtelang dauern muss und das ein ausgeglichenes Leben eher zur Effektivität beiträgt – Homeoffice, finanzielle Unterstützung, Kinderbetreuung. Wir denken um und erkennen, dass Talent und Ehrgeiz nicht mit dem Geschlecht verknüpft sind. Das merkt man besonders bei jungen Unternehmen, bei denen häufiger Frauen in Top-Positionen sitzen. In New York und London, wo weniger Traditionshäuser präsent sind und sich im Schauenplan stattdessen mehr Newcomer und kleinere Brands finden lassen, schlägt sich das bereits schon sichtbar in den Zahlen nieder. 47,3 Prozent weibliche Designerinnen machen die beiden Städte zu den fortschrittlichsten der Modemetropolen.

Sind Frauen nicht einfach die besseren Modedesigner, so wie Donatella Versace, Isabel Marant und Donna Karan behaupten? Ich denke, so einfach kann man das nicht sagen. Frauen verstehen den weiblichen Körper vielleicht anders, sehen ihn realistischer und wissen um unsere Bedürfnisse. Wohingegen die Männer sich vielleicht weniger um Komfort kümmern, dafür zuvor unrealistische Mädchenträume wahr werden lassen und uns aus der Realität befreien.

Insgesamt stimme ich aber Floriane de Saint Pierre, Headhunterin für Designerlabels, zu, die sagt: “I am wondering if we have not entered a new cycle, where it is not about gender, it is about the talent the makes the most sense for a brand. The talent has always existed; however female designers are getting recognition and visibility.”

Das beste Beispiel ist der Wandel, den wir gerade in Paris sehen. Phoebe Philo, Clare Waight Keller, Stella McCartney, Isabel Marant, Maria Grazia Chiuri: starke Frauen mit großartigen Designs, wegweisenden Ideen und einer Vision – von Gleichberechtigung, Female Empowerment und Mode, die uns endlich vereint, stärker macht und uns die Kraft gibt, für unsere Überzeugungen einzustehen.

Header: Fotos via Vogue Runway (Isabel Marant, Chloé, Stella McCartney, Christian Dior, Givenchy)

Von Marie

Der erste Satz, wenn mich Leute kennenlernen ist: „Das ist aber selten.“ Ja, ich bin ein seltenes Exemplar: Berliner Eltern, Berliner Blut, Berliner Göre. Tatsächlich bin ich so sehr mit der Hauptstadt verbunden, dass ich meinem Kiez in Schöneberg seit über 20 Jahren die Treue halte und noch nie von hier weggezogen bin – und auch nicht dran denke. Und obwohl wir Schöneberger zwar sehr viel von Bio-Supermärkten und esoterischen Edelsteinläden halten, gibt es hier auch das ganz große Mode-Paradies: das KaDeWe. Der Tempel des Shoppings und der Ersatzkindergarten für meine Eltern, sozusagen das Småland bei Ikea für mich (andere Kinder haben dort ihren ersten Wutanfall, ich schmiss mich in voller Rage im Atrium des KaDeWe auf den Boden und weigerte mich zu gehen). Kein Wunder also, dass Mode und ich nie wirklich Berührungsängste hatten.

Spätestens seit der Oberstufe, in der ich – dank Blair Waldorfs Inspiration aus Gossip Girl (ja, das war meine Serie zusammen mit Gilmore Girls) – die Schule nie ohne Haarreif, Fascinator oder eine gemusterte Strumpfhose betrat, hatte auch mein Umfeld begriffen: Marie macht was mit Mode. Und weil ich damit in meinem katholischen "Elite-Gymnasium" so ziemlich die Einzige war, suchte ich meine Verbündeten 2011 woanders: im Internet. Auf meinem Blog Style by Marie. Und so begann meine modische Laufbahn.

Noch mehr Gleichgesinnte und vor allem Freunde fand ich auf der Akademie für Mode & Design in Berlin, bei der ich 2013 meine Ausbildung in Modejournalismus und Medienkommunikation startete. Was für mich seit der 1. Klasse klar war, nämlich das Schreiben mein Ding ist, wurde jetzt zu meinem Beruf: Journalistin. (Denn ja Oma, es gibt noch etwas anderes als Modedesignerin). Dank meines Blogs und einem Praktikum bei der Harper’s Bazaar Germany in der Online-Redaktion blieb ich auch dem Internet und dem Online-Journalismus treu. Und ratet mal, wo ich jetzt bin: Genau, bei Journelles, dem Blogazine, was alle meine Leidenschaften verbindet: Bloggen, Schreiben, online sein – zusammen mit euch!

Kommentare (2) anzeigen

2 Antworten auf „The Women of Paris – Warum Isabel Marant, Céline, Givenchy, Chloé und Stella McCartney beweisen, dass Frauen die besseren Designer sind“

Ein wirklich sehr guter Artikel – der Beste, den ich diese Woche gelesen habe! Informativ und sachlich geschrieben – habe nun den „famous kids supermodel“ Artikel endgültig verdaut 🙂 Hier beweist du, dass du gut schreiben und recherchieren kannst. Nur etwas Kleines: Stella McCartney verzichtet nicht komplett auf tierische Materialien (Wolle verwendet sie, verzichtet aber auf „tote Tiere“, also Leder und Pelz)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.

Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.