Von der Kunst des Andersseins: Sängerin und Schauspielerin SoKo im Interview

„I’ll Kill Her“! Nein, keine Sorge, hier wird natürlich niemand um die Ecke gebracht. Doch genau so hieß der Song, mit dem die Sängerin SoKo 2007 (mir und auch vielen anderen) außerhalb ihres Heimatlandes Frankreich bekannt wurde. Ich muss zugeben: Ich verstand aufgrund ihres Akzents damals nicht beim ersten Hören jedes Wort, doch was ich auf Anhieb kapierte: Diese Frau ist extrem cool. Extrem eigen. Extrem liebenswert. Extrem spannend. Extrem nachdenklich. Mit einer extrem guten Einstellung zum Leben und zur (Selbst-)Liebe. Wir schnappten uns die sympathische Powerlady (31) zu einem kurzen Interview-Quickie und sprachen mit ihr über starke Frauen, gesundes Selbstbewusstsein, Authentizität und die psychologisch wichtige Bedeutung von Outfits.

I’ll Kill Her!“ Nein, keine Sorge, ich werde hier natürlich niemanden um die Ecke bringen. Doch genau so hieß der Song, durch den ich 2007 zum ersten Mal von der inzwischen 31-jährigen Sängerin SoKo erfuhr. Ich muss zugeben: Ich verstand aufgrund ihres französischen Akzents damals nicht sofort jedes Wort, doch was ich auf Anhieb kapierte, war, dass diese Frau ihren ganz eigenen Kopf hat. Und eine sehr sympathische Einstellung zum Leben und zur (Selbst-)Liebe. Seit ungefähr einem Jahr hängt an der Wand über meinem Schreibtisch – beinahe mahnend – nun sogar ein Interview-Zitat, das ich mal aus einem Magazin gerissen habe.

„What matters is… how much fun you’ve had. How creative you’ve been. Hoch much art you’ve made. How much love you gave. How many memories you’ve created.“

Was mich an dieser Frau so fasziniert – abgesehen von ihrem sehr extravaganten Modestil? In meinen Augen verkörpert SoKo genau das, was wir uns alle so oft vornehmen und letzten Endes nur selten auch konsequent durchziehen. Genauer gesagt, die „Mir-doch-egal-was-andere-denken-wichtig-ist-nur-dass-ich-glücklich-bin“-Einstellung. Und nur das ist es doch, was zählt, oder?

Aktuell können wir sie in dem Film „Die Tänzerin“ an der Seite von Lily-Rose Depp im Kino  sehen. Das Drama basiert auf der Geschichte der Tänzerin Loïe Fuller, Tochter eines Rodeo-Reiters aus dem amerikanischen Westen, die Ende des 19. Jahrhunderts – gegen alle Erwartungen und Einwände – zum Star der Belle Epoque in Europa wurde und sich auf der Bühne mit ihrem Perfektionismus und ihrem revolutionären Tanzstil immer wieder neu erfand. Denn auch ihr war egal, was die anderen sagten.

Als mir zum Filmstart ein Interview mit SoKo angeboten wurde, war ich natürich sofort Feuer und Flamme. Und gespannt auf ihre Gedanken über die Kunst des Andersseins, starke Frauen und die psychologisch wichtige Bedeutung von Outfits.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

 

Die Tänzerin Loïe Fuller war mit ihren Ambitionen und ihrer Überzeugung ihrer Zeit weit voraus. Kennst du das Gefühl, dass Menschen dich künstlerisch wie auch persönlich nicht greifen und deshalb nicht verstehen können?

Ja, Loïe war wirklich so etwas wie ein unglaubliches Avantgarde Multimedia Power House. Sie konnte alles und nichts und hatte keine Scheu, jedes verfügbare Medium dafür zu nutzen, Kunst zu schaffen. Darin sind wir uns ähnlich, ich liebe es genau so sehr, zu experimentieren und mich immer wieder neu auszuprobieren. Und nichts und niemand kann mich davon abhalten, die Dinge zu tun, die mich glücklich machen.

Denn: Wenn du von etwas überzeugt bist, dann tu es einfach. Das klingt simpel, aber ich glaube, dass genau das der Schlüssel ist, zum Glück und auch dazu, genau das Leben zu leben, das man sich immer erträumt hat. Folge deinem Herzen, folge deinen Träumen und dann lebe dein Leben aus vollen Zügen, lebe es laut und lebe es stolz.

„Ohne meinen Tanz bin ich ein Niemand“, so formuliert Loïe die lebensnotwendige Ausübung ihrer Leidenschaft. Was ist für dich so wichtig wie die Luft zum Atmen?

In meinen Augen ist es genau das, was einen wahren Künstler ausmacht und woran man ihn erkennt, wenn er vor einem steht. Mir geht es mit meiner Musik ganz genauso. Die Möglichkeit, mich kreativ austoben zu dürfen, ist definitiv das, was mich erfüllt und was mir das Gefühl gibt, am Leben zu sein.

 

Auch in modischer Hinsicht tobst du dich sichtlich gerne aus. Niemandem gelingt es so problemlos, Vintage- und Designer-Teile zu kombinieren oder von einem klassischen Chanel-Kostüm in einen Boho- oder Punk-Rock-Look zu wechseln. Wonach entscheidest du morgens, wenn du vor deinem Schrank stehst, was du an dem Tag anziehen wirst?

Ich liiieebe Klamotten und ich liebe es schon seit meiner Kindheit, in die verschiedensten Outfits zu schlüpfen. Ich habe wirklich unglaublich viele Vintage-Teile, und neuerdings bekomme ich eine Menge Designer-Pieces geschenkt, die ich mir alleine niemals leisten könnte. Dafür bin ich natürlich unglaublich dankbar, deshalb genieße ich es und habe großen Spaß, damit herumzuspielen. Ich liebe es auch, mich von extrem femininen Looks mit süßer Spitze in einen Superpunk mit Karos – darin fühle ich mich einfach immer wohl –  mit klobigen Schuhen und zerrissenem Band-Shirt zu verwandeln.

Wonach ich entscheide, auf was ich Lust habe? Ich mache es abhängig von der Art des Tages, die ich gerne haben möchte. Und da ich das Haus immer morgens verlasse und erst abends wiederkomme, muss es mich für jedes Abenteuer wappnen, das mich an dem Tag erwarten könnte.

Fotos: Instagram/sokothecat, PR
Fotos: Instagram/sokothecat, Tuch und Schuhe von Gucci

 

Mal Chanel, mal Grunge, wie erklärst du dir – und uns – dass du dennoch immer authentisch und in keinem deiner Outfits verkleidet wirkst? 

Ich denke, in jedem von uns steckt mehr als nur ein einziges Etwas. Ich liebe es, meine ganz unterschiedlichen Gefühle und Charaktere kennen zu lernen, sie zu umarmen und auszudrücken. Vielleicht macht mich genau das sehr transparent und dadurch authentisch? Dazu kommt, dass es mir genauso viel Spaß macht, Chanel oder Gucci zu tragen, wie eine Hose, die nur 2 Euro gekostet hat. Ich bin wirklich ziemlich gut darin, extrem einzigartige und zugleich preiswerte Vintage-Teile zu finden. Online-Shopping mache ich grundsätzlich nicht.

Was ist der beste Ratschlag, den dir je jemand hinsichtlich Mode gegeben hat?

Von solchen Tipps halte ich überhaupt nichts. Für mich ist Mode einfach ein Weg, mich selbst auszudrücken. Was andere darüber denken, ist mir völlig egal. Never dress to impress! Meine ganz persönliche Empfehlung lautet daher: Tragt alle eure Lieblingssachen. Auf einmal.

Die meisten deiner Lieblingssachen sind Rot, stimmts? Und das hat ja sogar einen psychologischen Hintergrund…

Haha, das stimmt wirklich, ich bin nämlich unheimlich abergläubisch! Mein Lieblingsfilm heißt „Die roten Schuhe“, ein Ballettfilm aus dem Jahr 1948. Wie die Hauptdarstellerin muss auch ich immer meine roten Schuhe tragen, wenn ich im Studio an meinem neuen Album arbeite. Das hilft mir, mich auf das Wesentliche zu fokussieren und hält mich auf dem Boden der Tatsachen, während ich kreativ werde. Die Schuhe sind ein 30 Jahre altes Paar Dr. Martens, das schon völlig auseinander fällt. Deshalb habe ich das Ritual nun auf rote Socken, Hosen, Jacken, Unterwäsche oder Make-up ausgedehnt. Wer mich trifft, findet immer irgendwo etwas Rotes, das gibt mir ein Gefühl von Sicherheit.

 

 

Du hast unübersehbar eine extreme Vorliebe für ausgefallene Accessoires, Hüte und Sonnenbrillen – je einzigartiger, desto besser?

Hmm, gute Frage. Am liebsten trage ich Beret, Beanie oder Trucker Hats, solange sie Vintage sind. Oder von Gucci. Und es stimmt, ich habe grundsätzlich immer eine Sonnenbrille in der Tasche. Davon habe ich wirklich richtig viele, denn unter uns: Brillen sind das, was die Labels am häufigsten verschenken. Mein liebstes Modell ist von Gucci. Haha, das ist jetzt wenig überraschend, was?

Wenn ich dich jetzt frage, welches deine drei Lieblings-Brands sind, habe ich ja so eine leise Vorahnung…

1. Gucci. 2. Gucci. 3. Gucci. (SoKo lacht laut)

Gibt es ein bestimmtes Beauty-Produkt, das du immer dabei hast?

Ich habe immer einen Lip Liner von Sisley in der Tasche. Das ist aber auch schon alles.

Auch, wenn dir Trends nicht wirklich wichtig sind – gibt es eine Sache, die in diesem Herbst/Winter definitiv auf deiner Shopping-Liste steht?

Alles, was ich jetzt gerne hätte, ist eine Fender VI 80’s Baritongitarre, ein Jazz Chorus Gitarren-Verstärker von Roland, ein Rickenbacker-Bass und ein schönes Becken fürs Schlagzeug. Und dann vielleicht noch ein „Delay & Reverb“-Pedal. Mein Leben dreht sich eben allein und ausschließlich um die Musik.

Um die Musik – und um Gucci…

Hahaha, ich habe dir doch gesagt, ich bin extrem transparent.

Vielen Dank für das Interview!

 

(Fotos Header: Kenneth Cappello)

 

Von Anna-Lena

„Boah, die Jacke ist ja schrecklich. Grünes Wildleder mit applizierten Pailletten?! Lena, guck mal, ich hab hier was für dich!“ Jep, so in etwa klingt ein ganz normaler Dialog mit meiner Schwester. Denn ich schockverliebe mich bereitwillig in außergewöhnliche und ausgefallene Statement-Teile. Glitzernde Boots? I’m in! Der Rest ist dann meist sehr clean und praktisch, damit ich jederzeit quer über die Straße flitzen und die einfahrende U-Bahn erreichen kann.

Vielleicht könnte man meinen Stil wie das beschreiben, was dabei herauskäme, wenn Chloë Sevigny, Lou Doillon und Harry Styles in eine WG ziehen (wie lustig wäre das bitte?) und fleißig Lieblingsteil-Sharing betreiben würden. Ich muss nämlich gestehen, dass ich nicht nur modisch, sondern in jeglicher Hinsicht extrem schnell gelangweilt bin. Deshalb versuche ich ständig, mich und meine Welt neu zu erfinden. Vermutlich bin ich auch deshalb schon so oft umgezogen. Mein absoluter Lieblingsort – abgesehen von Los Angeles, meinem „home away from home“ – ist definitiv der Fensterplatz im Flugzeug. Der Moment, wenn die riesige Maschine abhebt, man auf dem Weg ins nächste Abenteuer ist und überhaupt keine Ahnung hat, welche Überraschungen einen erwarten – I love it.

Auch beruflich bin ich ziemlich umtriebig, ich habe schon für viele deutsche Zeitschriften und Online-Magazine geschrieben, darunter zB. Elle.de, Grazia, Gala, Jolie, Women’s Health, Stylebook, Couch und viele andere. Am alleroberliebsten treffe ich spannende Menschen zum Interview oder wusele für Behind-the-Scenes-Reportagen im Backstage-Bereich von Award-Verleihungen oder Fashion Shows rum.

Wer mir dabei folgen möchte, findet mich natürlich auf Instagram.

Kommentare (1) anzeigen

Eine Antwort auf „Von der Kunst des Andersseins: Sängerin und Schauspielerin SoKo im Interview“

tolles interview! ich kenne sie auch noch von dem lied I’ll kill her und finde ihre antworten und einstellung hier echt super

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.

Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.