Spring Special: Interview mit Charlotte Kraska von Anita Hass über die Trends S/S 2017

Letzter Teil des Spring Specials aus Sicht der Mode-Profis: Heute verrät Charlotte Kraska von Anita Hass ihre Lieblingstrends

Ein Besuch in Hamburg ist für mich erst dann komplett, wenn ich 1. ein Franzbrötchen esse 2. den Schwänen auf der Alster winke und 3. einen Abstecher zu Anita Hass mache. Die Boutique im schönen Eppendorf ist deutschlandweit eine meiner Lieblings-Shoppingadressen, weil man hier unaufgeregt sämtliche Top-Marken kaufen kann und keine der Verkäuferin in Ohnmacht fällt, wenn man einen Céline-Pullover begrabscht oder eine Chloé-Tasche aus dem Regal zerrt, um sich damit vor dem Spiegel zu drehen. Und erst der Sale bzw. das Outlet – hach!

Buyer und Brand Manager Charlotte „Charly“ Kraska gehört seit Jahren zum Anita-Hass-Team und ist maßgeblich an der sympathischen Ausstrahlung des Ladens beteiligt. Abgesehen davon sieht sie selbst immer top aus und trägt die neuen Trends schon aus Berufswegen als eine der ersten.

Damit fehlt sie noch als Gesprächspartnerin für unser Spring Special, für das wir bereits die Expertenmeinungen von Franziska Nellessen, Jennifer Dixon, Kerstin Görling und Carolin Dunkel eingeholt haben.

Also, Charly: Was geht im Sommer 2017 an der Waterkant?

Diese Frage habe ich auch den anderen Einkäufern und Stylisten zum Einstieg gestellt: Werden in der neuen Saison wieder alle Augen auf Vetements und Gucci gerichtet sein – oder welche Labels geben deiner Meinung nach den Ton an?

Beide Brands haben einen neuen coolen Nineties-Look geschaffen, der definitiv weiterhin relevant sein wird. Aber wie das mit den Hypes so ist, dreht man kurz durch und will alles haben, bis es einem auf die Nerven geht, den Look überall zu sehen und man intuitiv auf die Suche nach einem neuen Stil ist.

Der Look von Miu Miu und Loewe löst Gucci meiner Meinung nach ab und viele kleinere Streetlabels sind auf den Fersen von Vêtements.

Pantone sagt ja, dass Grün die Trendfarbe 2017 wird. Welche Farben siehst du in der Mode vorne?

Grün ist meine absolute Lieblingsfarbe, von Grasgrün bis Khaki. Grüntöne unter sich verstehen sich nur leider nicht so richtig gut. Im Herbst werden wir den Farbtrend stark spüren, viel Erbsengrün daneben aber auch Terrakotta und Gelb. Rosa bleibt noch ein Weilchen, genau wie Lila.

Miu Miu Lookbook Spring/Summer 2017 (Foto: Vogue Runway)

In der letzten Saison war Samt nicht zu toppen. Welches Material werden wir im Frühjahr/Sommer 2017 überall sehen?

Diesen Sommer werden unterschiedliche Materialien wild gemixt. Die Brands setzen in dieser Zeit vielmehr auf saisonlose Kollektionen mit dem „Buy-Now-Wear-Now“-Gedanken und so wird die Leinenhose zum Beispiel mit Satinseide gemixt, was eigentlich eher ein Wintermaterial ist.

Strickhose zum Oversized-Tshirt, zarte Seidenkleider mit dickem Parka oder Satinbomber zu Poplin-Businesshose: alles erlaubt! Und im Herbst geht es dann weiter mit Samt.

Seidenhose von Loewe via Anita Hass
"Janelle" Slipper von Bally via Anita Hass

Welches Schuhmodell hat deiner Meinung nach das Potenzial die omnipräsenten Loafer abzulösen? Oder bleiben wir flacher Schuhmode weiterhin treu?

Ich persönlich liebe flache Schuhe, ich finde sie sogar sexy. Gerade im Sommer schmeicheln aber natürlich ein paar Zentimeter Absatz den Proportionen. Meine Favorites: Plateau Ballerinas von Miu Miu, pinke Pumps von Aeyde, Cowboy Boots von Saint Laurent, Mules von Céline. Aber der Loafer hat sich etabliert wie der weiße Sneaker – er bleibt noch.


Wenn du den aktuellen Modewochenkalender anschaust: Welche Show war dein Favorit und warum? Welche Modestadt hat die Nase vorn?

Im Einkauf kommt man ja erst so richtig zum Einsatz, wenn die Schauen vorbei sind und die Showrooms beginnen. In der Zeit mag ich den italienischen Flow in Mailand besonders gerne. In der Stadt arbeitet gefühlt jeder in der Modebranche, das macht es so schön selbstverständlich und vergleichsweise entspannt, da dort die Kollektionen im Vordergrund stehen und nicht das Drumherum.

Zur Fashion Week ist der Pariser Schedule aber natürlich unschlagbar. Mein Highlight war die letzte Show von Clare Waight Keller für Chloé.

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In welcher Stadt sind die Frauen deiner Meinung nach am besten angezogen und wie machen die das?

Mich beeindrucken Frauen, die nicht so aussehen, als ob sie sich nur für ein Foto gestylt haben, sondern authentisch Trends mit guten Basics mixen, egal in welcher Stadt. Wenn man dann ein paar neue Farben und Proportionen pro Saison mitmacht ist der Look meistens perfekt und daraus entwickelt sich ein eigener Stil.

Momentan liebe ich das Styling von Georgia Tordini – relativ schlicht und sexy, gar nicht verkleidet und für mich das Wichtigste: nach einem Monat nicht schon wieder out. Mira Duma zeigt toll, dass man nicht immer groß und langbeinig sein muss, um mit Schnitten und Formen zu spielen. Ich liebe auch den Brandmix von Gala Gonzalez und das Instagram-Profil von Blanca Miro, wobei ich in ihren Outfits verkleidet aussehen würde.

Der Frühling ist da! Zu welchem Teil würdest du einer Kundin jetzt raten?

Sommer-Soft-Launch mit einer neuen Sonnenbrille von Céline, besonderen Denims z.B. in Rosa von Citizens of Humanity und Metallic Mules von Acne Studios.

Céline Sonnenbrille via Anita Hass
Rosa Jeans von Citizens of Humanity via Anita Hass

Welche Teile stehen auf deiner persönlichen Einkaufsliste?

Die gestreifte Chloé Hose mit Umschlag steht ganz oben. Es gibt gerade so viele Alternativen zur Skinny Jeans, die einen komplett neuen Look schaffen. Die Samt Heels von Aeyde müssen auch sein. Oh, und die neuen Ohrringe von Xenia Bous – ich stehe gerade wieder sehr auf Ohrringe.

Chloé Hose via Anita Hass
Ohrringe von Xenia Bous via Anita Hass
Samt-Pumps von Aeyde via Anita Hass

Was wird dein Lieblingsstyling-Trick?

Cowboy Boots zu fast allem und rote Accessoires. Für das Office habe ich wieder mehr Lust auf Suiting: Ein cooler, moderner Anzug oder Blazer ist ein toller Kontrast zur ganzen Streetwear, die ich auch liebe.

Welche Labels und Trends werden bei euch im Laden und auch dem Onlineshop erwartungsgemäß besonders stark sein?

Der Sommer ist so voll mit vielen schönen Anlässen, von Playa bis Hochzeitsfest – wir sind oft selber überrascht wie bunt gemixt die Warenkörbe sind. Trotzdem sind natürlich einige Brands besonders stark im Sommer wie Chloé, Aquazzura, Dodo Bar Or, Mes Demoiselles oder Lala Berlin.

Was ist das Must-have der Anita Hass Kundin im Sommer 2017?

Active wear meets Streetwear – im Mai launchen wir endlich unsere kleine gemeinsame Capsule Collection mit Hey Honey, was total aufregend ist. Die Zusammenarbeit mit Brands für Kooperationen macht mir persönlich ganz anders Spaß als der Einkauf.

Die Energie ist besonders – es bilden sich neue Teams, es werden wie verrückt Ideen gesammelt und am Ende hängt ein exklusives Teil mit Anita Hass Kultstatus im Laden. In diesem Fall eine kleine Kollektion: Hey Honey x Anita Hass it is!

Was unterscheidet den Geschmack der Hamburgerin von der Berlinerin oder Münchnerin?

Die Hamburgerin ist eher unaufgeregt, dabei aber sehr stilbewusst. Die Berlinerin ist experimenteller und hat Spaß an Mode, ist dabei aber immer eher casual. In München ist man trendbewusster, nie underdressed aber gleichzeitig sophisticated.

Anita Hass Lookbook Spring/Summer 2017: Dodo Bar Or
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Welche Newcomer-Labels hälst du in dieser Saison für besonders viel versprechend?

Ich persönlich bin großer Fan von Nili Lotan. Der Look der New Yorkerin ist simpel und luxuriös, aber nicht so ernst und auch ein bisschen rockig. Sollte man auch im Auge behalten: Lug von Siga.

Ich habe die ersten Teile letzte Woche ausgepackt und war sofort schockverliebt. Das Label kommt aus der Türkei, hat einen modernen orientalischen Touch und ist irgendwie schön „fein“. Die aktuelle Sommer-Kollektion ist Boho pur, aber absolut citytauglich und nicht zu romantisch.

No-Gos gibt es ja nicht mehr, aber an welchem Trend hast du dich persönlich sattgesehen?

Tatsächlich bin ich in letzter Zeit relativ schnell „trendsatt“. It-Pieces werden meiner Meinung nach so ausgeschlachtet, dass sie viel zu kurzweilig sind und gar keinen Kultstatus mehr erreichen können. Ich kann zum Beispiel gerade keine Gucci- oder Chanel-Logo-Shirts mehr sehen.

Apropos Trends: Welche Promis/Models oder Blogger haben derzeit deiner Meinung nach den größten Einfluss auf unseren Geschmack? Die Jenner/Hadid-Phase ist vorbei oder?

Ich fühle eine neue Skandi-Welle bei Bloggern. Das Image des nur super cleanen Looks ist vorbei und ich finde die Stylings sehr progressiv und erfrischend, das tut in einer oft zu ernsten Fashionwelt gut.

Es war wie immer schön, mit dir zu sprechen, liebe Charly! Danke für das Interview!

(Fotos im Header: Anita Hass/Instagram)

Von Alexa

Ich liebe schreiben, bloggen und schöne Dinge zu entwerfen, also mache ich all das.

Als Journalistin habe ich für Magazine und Zeitungen wie Business Punk, Fräulein, Gala, FTD/how to spend it, Instyle, Lufthansa Magazin, Stern, Tagesspiegel, Vanity Fair und zitty gearbeitet. Meine Online-Erfahrungen habe ich u.a. Stylebook und styleproofed gesammelt. Mein Blog heißt Alexa Peng, mein Schmuck-Label vonhey. Ich komme aus dem Rheinland und bin in einem Dorf am Waldesrand aufgewachsen, wo nur einmal in der Stunde ein Bus fuhr. Da muss man sich was einfallen lassen, um sich nicht zu langweilen. Meine Tante hatte in der Stadt eine Boutique und einen Schrank voller Kleider, Schuhe und Taschen, mit denen wir Kinder verkleiden spielen durften. Wir haben Modenschauen im Hobbykeller veranstaltet und die ganze Nachbarschaft eingeladen. Dass ich mal was mit Mode machen würde, war also klar. Nach dem Abi habe ich an der AMD in Hamburg Mode-Journalismus studiert und später an der UdK in Berlin einen Master of Arts in Kulturjournalismus gemacht. In Zukunft will ich mein Label weiteraufbauen, die Welt sehen und gute Geschichten schreiben.

(Foto: Sandra Semburg)

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.