#LFW: Ist Burberry das neue Vetements?

Burberry zeigt seine Ready-to-wear-Kollektion für diesen Herbst und vollendet damit seinen Imagewandel

Der erste Trenchcoat mit dem revolutionären, wasserabweisenden Baumwollstoff Garbadine wurde  1880 erwähnt. Der Hersteller: Thomas Burberry. Seitdem gehört ein Trenchcoat zu unseren Wardrobe-Essentials. Ein Burberry-Original steht bei vielen auf der Wunschliste, er wird über Generationen hinweg von ganzen Familien getragen, weitervererbt und geliebt. Doch was ist der Preis, wenn man seit über 100 Jahren ein Klassiker ist?

Der Wandel

Ein Hoch und Tief in Sachen Trendbewusstsein. Natürlich kann man das Grundmodell an die Zeit anpassen – Farben, Schulterpolster, Schnitte und Längen machen das möglich – trotzdem bleibt ein Trenchcoat von Burberry immer ein Trenchcoat von Burberry. Und an dessen Image muss regelmäßig fleißig gefeilt werden, das hat Christopher Bailey, Kreativdirektor von Burberry, erkannt und mit der neuen Herbst/Winter Kollektion 2017 in Perfektion ausgeführt.

Doch welchen Ruf hatte Burberry vor dem Umbruch? Von seiner Gründung bis in die 1950er-Jahre war Burberry vor allem für das Militär interessant. Schließlich wurde der Trenchcoat (trench = Graben) für Einsätze im Ersten Weltkrieg entwickelt und sollte die Soldaten vor Kälte und Nässe schützen. 1955 wurde Thomas Burberry mit seinem Label dann zum offiziellen Hoflieferanten der Königin, in Filmen von Audrey Hepburn und Co. getragen und zum absoluten It-Piece. Doch mit dem Altern der großen Filmstars verlor auch Burberry sein Ansehen in der gehobenen Modewelt und wurde zu einem Symbol von Pseudo-Luxus-Couture und dem kulturellem Erbe der Arbeiterklasse.

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Popper, Snobs, Spießer – das Karomuster war auf einmal ein soziokulturelles Erkennungszeichen der Gruppierungen, die sich für etwas Besseres hielten oder sein wollten. Der Print wurde in den 90er-Jahren auf alles gedruckt: Babystrampler, Schnuller, Bierdeckel – die Luxuskunden begannen den Tartan-Print zu meiden, da überall billige Imitate auftauchten. Künstler wie Toby Leigh widmeten sich den Replika und fotografierte zehn Jahre lang für sein Buch „Berberry“ gefälschte Burberry-Artikel.

Der Ritter in Burberry-Rüstung

Der Imagewandel begann zu dem Zeitpunkt, als Burberry 2016 seine drei Untermarken Burberry London, Burberry Brit und Burberry Prorsum zu einer Hauptmarke zusammenfasste und statt üblicher sechsmonatiger Vorproduktion auf „See now buy now“ umstellte (wir berichteten). Die Mode wurde einfacher, cooler und lässiger, denn zwischen erschwinglich, trendy, sportlich und klassisch wurde nicht mehr unterschieden, die eine Linie musste alles vereinen. Der Trend, den Gucci, Gosha Rubchinskiy und Vetements auslösten – aus sogenannten No-Gos absolute It-Pieces schaffen – war auch für Burberry ein Segen. Endlich die Chance, aus dem leicht angestaubten Klassiker, ein High Fashion Label für die Fashioncrowd zu machen.

Und für Christopher Bailey, der immerhin schon seit 2001 die kreative Leitung für Burberry hat und seitdem die Marke revolutioniert, die Möglichkeit aus dem Schatten des riesigen Markennamens hervorzutreten. Mittlerweile muss ja nicht mehr nur die Mode ansprechen, sondern auch die schillernden Persönlichkeiten der Designer, siehe Demna Gvasalia, Alessandro Michele, Maria Grazia Chiuri und J.W.Anderson.

Triumph oder Trash?

Naomie Campbell und Kate Moss
Iris Law
Jourdan Dunn und Cara Delevingne

Ein bisschen Trash schadet nie. Das scheint das Motto zu sein, seitdem Vetements und Gucci den Ton in der Modebranche angeben: es gibt Nichts, vor dem kein Halt gemacht wird: Polzeiuniformen, Wolf-T-Shirts, Frakturschrift, getragene Levi’s Jeans, DHL-Shirts, Omas alte Henkelhandtasche – man könnte fast behaupten, dass Hässlichkeit die neue Schönheit ist. Gleiches bestätigt sich auch auf einen Blick auf die Models, Individualität und Andersartigkeit sind en vogue.

Bailey hat das verstanden, verändert anders als andere Labels nicht die komplette Brand-DNA, sondern holt sich mit Kooperationen, angesagten Influencern und cleverem Marketing die richtigen Leute ins Boot, die die Marke wieder auf Vordermann bringen.

Für die neue Herbstkollektion ist das Gosha Rubchinskiy persönlich, mit dem Bailey für die Männermode auch schon eine exklusive Kooperation hatte – wir berichteten hier. Die Zusammenarbeit der beiden wurde von vielen kritisch gesehen, am meisten jedoch von der Seite der Rubchinskiy-Jünger, die den Mainstream verteufeln – und damit als einzige wohl noch nicht mitgekriegt haben, dass Vetements, Rubchinskiy, Off-White und Co. der heiße Scheiß von gestern sind. In der Modebranche wendet man sich langsam anderen Labels zu, feiert vor allem kleine Newcomer und unterstützt bedeutungsvolle Kollektionen wie die von Opening Ceremony, Calvin Klein und Dior, die statt reiner Provokation politische Statements aussenden.

Doch Burberry gelingt mit der neuen Kollektion genau der Grad zwischen Hipster, Spießigkeit, Fashion und Normcore – in dem es Klassiker neu auflegt, diese aber tragbar und modisch gestaltet. Wovon ich rede? Na von Pullundern, Anoraks, Argyle-Print, Karos und Oma-Strick. Aber seht doch selbst:

Regenmantel, Anoraks und Capes

Wer einen Windbreaker im Kleiderschrank hat, rechtfertigt sich normalerweise mit dem Satz: „Ich bin alt und friere halt schnell“, so ist das jedenfalls in meinem Kleiderschrank. Jacken von The North Face, Jack Wolfskin und Lieferdiensten wie Deliveroo werden gerade gehypt und dank Burberry können wir sogar guten Gewissens unseren Festival Regenponcho auf der Straße tragen. Der Vorteil an den halbdurchsichtigen Modellen? Die Mode darunter kommt auch bei schlechtem Wetter zur Geltung.

Oma-Strick

Ja, mit Strick und besonders mit dicken Zopfstrick haben wir uns schon vor ein paar Saisons wieder angefreundet. Melierte Oversized Modelle, die schwer nach der Stricknadel der Tante aussehen, sind allerdings wirklich etwas für Fortgeschrittene – dachten wir bis jetzt zumindest immer. Mit Norweger-Anleihen und Bademantel-Strick beweist Burberry jetzt aber das, was wir in Sachen Interior schon lange wissen, DIY-Optik ist gefragt!

Pullunder

Gerade haben wir uns im Office noch über das Thema Pullunder unterhalten, schon tauchen sie auf dem Laufsteg auf. Ich besitze tatsächlich ein Vintage-Modell von Burberry und bin mir nach dieser Kollektion sicher, dass es im Winter öfters zum Einsatz kommen wird. Bei der Kombination traue ich mich aber noch nicht an die Burberry-Runway-Looks heran, die dazu Midirock, weiße Bluse oder Karo-Hose tragen. Stattdessen muss bei mir ein Bruch her. Modetherapie?!

Argyle Muster

Nein, Burberry hat keine Kooperation mit dem Strumpf-Hersteller Burlington, wir feiern einfach nur ein Comeback des Argyle Prints. Das hatten wir nach unseren Streetstyles der Stockholm Fashion Week schon ein bisschen befürchtet, als Highlight eines Looks in Form von Strümpfen können wir es aber gerade noch ertragen. Fun Fact: Edward VIII., der für seine Liebe Wallis Simpson als König abdankte, trug die Mode von Pringle of Scotland, die für ihr Argyle Muster bekannt waren, gerne zum Golfen. Und da wundert sich noch jemand über den spießigen Ruf…

Ist Burberry das neue Vetements?

Wenn man diese Frage beantworten will, dann muss man sich natürlich erst einmal zu Vetements äußern. Die Entwürfe kann man lieben oder hassen, die einen sind Gvasalia-Jünger, die anderen finden DHL-Shirts und Co. einfach nur lächerlich. Was man Vetements aber nicht absprechen kann: Medienwirksamkeit und ein Image, von dem Jugendliche träumen. Ich höre immer wieder von kleinen Brüdern, die sämtliches Taschengeld in Off-White, Rubchinskiy und Co. stecken, seien es auch nur Socken für 80 Euro.

Burberry feiert seine Auferstehung anders als Vetements und Co.: sympathischer, klassischer und familienfreundlicher. Den Hype um eine Polizei-Jacke wird Oma nicht verstehen, den Wunsch nach einem karierten Burberry-Trenchcoat schon eher. Burberry spaltet mit seiner neuen Ready-to-Wear-Kollektion keine Masse, ganz im Gegenteil, Bailey vereint sie eher. Weil sowohl Hipster als auch sogenannte Snobs weiterhin bei dem Label fündig werden. Weil Street und Sophistication aufeinander treffen und sich nicht mehr skeptisch ansehen. Sie komplementieren sich. Eine Message, die wir voll und ganz unterstützen und Christopher Bailey zu dieser gelungenen Kollektion nur gratulieren können.

Fotos: PR

Von Marie

Der erste Satz, wenn mich Leute kennenlernen ist: „Das ist aber selten.“ Ja, ich bin ein seltenes Exemplar: Berliner Eltern, Berliner Blut, Berliner Göre. Tatsächlich bin ich so sehr mit der Hauptstadt verbunden, dass ich meinem Kiez in Schöneberg seit über 20 Jahren die Treue halte und noch nie von hier weggezogen bin – und auch nicht dran denke. Und obwohl wir Schöneberger zwar sehr viel von Bio-Supermärkten und esoterischen Edelsteinläden halten, gibt es hier auch das ganz große Mode-Paradies: das KaDeWe. Der Tempel des Shoppings und der Ersatzkindergarten für meine Eltern, sozusagen das Småland bei Ikea für mich (andere Kinder haben dort ihren ersten Wutanfall, ich schmiss mich in voller Rage im Atrium des KaDeWe auf den Boden und weigerte mich zu gehen). Kein Wunder also, dass Mode und ich nie wirklich Berührungsängste hatten.

Spätestens seit der Oberstufe, in der ich – dank Blair Waldorfs Inspiration aus Gossip Girl (ja, das war meine Serie zusammen mit Gilmore Girls) – die Schule nie ohne Haarreif, Fascinator oder eine gemusterte Strumpfhose betrat, hatte auch mein Umfeld begriffen: Marie macht was mit Mode. Und weil ich damit in meinem katholischen "Elite-Gymnasium" so ziemlich die Einzige war, suchte ich meine Verbündeten 2011 woanders: im Internet. Auf meinem Blog Style by Marie. Und so begann meine modische Laufbahn.

Noch mehr Gleichgesinnte und vor allem Freunde fand ich auf der Akademie für Mode & Design in Berlin, bei der ich 2013 meine Ausbildung in Modejournalismus und Medienkommunikation startete. Was für mich seit der 1. Klasse klar war, nämlich das Schreiben mein Ding ist, wurde jetzt zu meinem Beruf: Journalistin. (Denn ja Oma, es gibt noch etwas anderes als Modedesignerin). Dank meines Blogs und einem Praktikum bei der Harper’s Bazaar Germany in der Online-Redaktion blieb ich auch dem Internet und dem Online-Journalismus treu. Und ratet mal, wo ich jetzt bin: Genau, bei Journelles, dem Blogazine, was alle meine Leidenschaften verbindet: Bloggen, Schreiben, online sein – zusammen mit euch!

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6 Antworten auf „#LFW: Ist Burberry das neue Vetements?“

Liebe Marie, richtig gut geschrieben, recherchiert und zusammengefasst! Sehr spannend, wie Burberry sich da nun positioniert hat!!
Danke für die tollen Infos <3
lg
Esra

Sorry, aber dem kann ich leider nicht zustimmen, weil genau die Recherche einfach richtig schlecht ist (hier ne gute Übersicht: http://www.elle.de/burberry-trenchcoat allein zum trench). Die Zusammenlegung war nicht 2015, sondern 2016 (sie wurde lediglich 2015 angekündigt http://www.vogue.de/mode/mode-news/mode-news-burberry-vereint-prorsum-london-und-brit-unter-einem-namen) und der „Wandel“ begann definitiv nicht zu diesem Zeitpunkt. Denn Bailey hat es eben nicht dann erst plötzlich festgestellt; im Gegenteil es war ein organische Entwicklung, was wenn man sich seit 2001 die Kollektionen anschaut auch sieht. Wirkt in etwa so als wurde da nicht wirklich Arbeit in den Artikel gesteckt.

Huhu Anna, eine Rechereche ist nicht richtig schlecht, nur wenn das Ankündigungsdatum nicht zu 100 Prozent mit der Unterschrift eines Vertrags übereinstimmt. Im Gegenteil stecken in Maries Artikel lauter korrekte Informationen und Background-Wissen. Ich gebe dir aber Recht, dass ein Wandel natürlich niemals von heute auf morgen passiert, aber das steht ja ebenso im Artikel. Mit der Einführung von Prorsum (gibt es jetzt nicht mehr, heisst jetzt schlicht Burberry Runway) wurde Burberry immer relevanter und gehört zu den wichtigsten Trendvordenkern. Und überlege mal, wie revolutionär Baileys Ideen waren: Livestream, Shop the Runway, Zusammenlegung von Men and Women: Burberry war immer Vorreiter. In diesem Artikel geht es aber vor allem um die modische Entwicklung, die in dieser Saison neinmal mehr wegweisend ist.

Ich find die Antwort echt okay, aber die Recherche ist nicht nur aufgrund des falschen Datums („nicht 100 Prozent“ ist dabei auch eine Beschönigung) sondern eben auch gerade wegen der Einordnung schlecht.

Ein weiteres inhaltliches Beispiel: „Von seiner Gründung bis in die 1950er-Jahre war Burberry vor allem für das Militär interessant.“ Das ist schlicht und ergreifend nicht wahr. Ja, er wurde im WWI getragen, aber war deshalb nicht bis in die 1950er nur für diesen Zweck interessant. 1930 erscheint das erste Foto einer Frau im Trench –logischerweise nicht für’s Militär–, 1942 erscheint Casablanca (wie kann Humphrey Bogart im Trench vergessen), ’44 trägt Marlene Dietrich ihn, ’46 Greta Garbo. Sprich der Umbruch verlief vom Kriegszweck, war dann vor allem praktisch zum Reisen und wurde dann –in den 1940ern– zum modischen Statement. Die Zeit bis in die 90er wird dann einfach übergangen.

Jetzt zur zentralen These: in den ’90ern wurde Burberry von Luxuskunden gemieden; der „Imagewandel begann […] 2016.“ (Jetzt mit geänderten Datum.) Obwohl die erwähnten Änderungen von 2016 (hierbei wurde im Artikel auch manches ausgelassen) tatsächlich einschneidend waren, ist absolut nicht von einem Wandel in 2015 oder ’16 zu sprechen. Ein Wandel von was denn auch!? Vor 2016 war Burberry also „leicht eingestaubt“. Bailey ist seit 2001 bei Burberry und das überaus erfolgreich.

Wären die gesamten Versuche zur historischen Einordnung weggelassen worden –also einfach eine Beschreibung der letzten Kollektion– dann wäre der Artikel eventuell durchaus lesenswert gewesen, so verbreitet er primär Halbwahrheiten.

Nebenbei … es hätte vielleicht auch ein Editor gutgetan (das ist allerdings zugegebenermaßen teilweise Kritik auf hohem Niveau): „Doch was ist der Preis, wenn man seit über 100 Jahren ein Klassiker ist?“, „das hat Christopher Bailey, Kreativdirektor von Burberry, erkannt und mit der neuen Herbst/Winter Kollektion 2016 in Perfektion ausgeführt.“ (da über die diesjährige Kollektion gesprochen wird, nehme ich mal an das ist ein Tippfehler, aber wer weiß!?), „Filmen von Audrey Hepburn“ (sie war nicht die Regisseuren, daher „mit“, nicht „von“), „Das scheint das Motto zu sein, seitdem Vetements und Gucci den Ton in der Modebranche angeben: es gibt Nichts, vor dem kein Halt gemacht wird: Polzeiuniformen, Wolf-T-Shirts, Frakturschrift, getragene Levi’s Jeans, DHL-Shirts, Omas alte Henkelhandtasche – man könnte fast behaupten, …“ (hier ergibt die Zeichensetzung wenig Sinn, und die Redewendung müsste heißen „nichts vor dem Halt gemacht wird“, nichts + kein = doppelte Verneinung [Litotes genannt], d.h. es wird vor allem Halt gemacht), „Gleiches bestätigt sich auch auf einen Blick auf die Models, Individualität und Andersartigkeit sind en vogue.“ (auch hier stimmt die Zeichensetzung nich, da das „,“ ein „:“ oder ein „;“ sein müsste).

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.