Wie verkauft man Kunst im Internet? Karriere-Interview mit Katharina Bauckhage, Gründerin von Artflash

„Die Mode ist die kleine Schwester der Kunst“, sagt man. Und da wir im Bereich Interior auch über schöne Bilder berichten, ist es an der Zeit mit einer Frau zu sprechen, die wirklich Ahnung hat. Wir haben sie gefunden! Katharina Bauckhage ist die Gründerin der auf Kunst-Editionen spezialisierten Plattform Artflash. Alle zwei Wochen werden hier

„Die Mode ist die kleine Schwester der Kunst“, sagt man. Und da wir im Bereich Interior auch über schöne Bilder berichten, ist es an der Zeit mit einer Frau zu sprechen, die wirklich Ahnung hat.

Wir haben sie gefunden! Katharina Bauckhage ist die Gründerin der auf Kunst-Editionen spezialisierten Plattform Artflash. Alle zwei Wochen werden hier in einem Flash-Sale je zwei limitierte Editionen – seien es Lithografien oder Siebdrucke – von Nachwuchs- oder Top-Künstlern wie John Baldessari, Wolfgang Tillmans, Jonathan Meese oder Rosemarie Trockel online verkauft.

Die Business-Idee: Menschen mit wenig Zeit aber großem Interesse an zeitgenössischer Kunst hochwertige Kunst-Originale weit unter Marktpreis anzubieten. Kunst soll Spaß machen. Da fühlen wir uns angesprochen!

Das Besondere: Jede Arbeit wird vorher hübsch in einem echten Apartment inszeniert und ist verlgeichsweise erschwinglich, da es sich bei den Bildern meist um Fundstücke aus Kunstvereinen handelt.

Nach Stationen u.a. in Hamburg und Berlin lebt Katharina seit über drei Jahren nun in Los Angeles und arbeitet auch in den USA mit vielen Künstlern zusammen, mit denen sie exklusive Editionen herausbringt, wie zum Beispiel Samantha Thomas oder Jordan Sullivan.

Darüberhinaus ist die gebürtige Münsteranerin ein gutes Beispiel dafür, dass ein Lebenslauf nicht schnurgerade sein muss: Nach ihrem Au-Pair-Aufenthalt in Paris ansolvierte sie erst beim Otto-Versand eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau und studierte dann Publizistik, BWL und Kunstgeschichte an der FU Berlin und der Humboldt-Uni, bevor sie als Verantwortliche für den Besucherdienst der Documenta 11 in Kassel erstmals professionell in Berührung mit Kunst kam.

2010 machte sich Katharina selbstständig und gründete zwei Jahre später ihren Onlineshop für Kunst.

Mehr über ihren spannenden Job verrät die 45-Jährige im Karriere-Interview!

Liebe Katharina, du lebst in L.A. und Berlin. Inwieweit haben diese beiden Städte mit deinem Beruf zu tun?

Vor knapp vier Jahren sind wir von Berlin nach Los Angeles gezogen, weil mein Mann Tobias in der Filmindustrie arbeitet. Das war kulturell schon ein kleiner Schock, denn die Dichte von Galerien, Theatern oder Museen, wie ich sie aus Berlin kannte, war hier nicht vorhanden.

In der kurzen Zeit hat sich L.A. aber mächtig entwickelt, gerade erst sind Sprüth Magers und Hauser & Wirth nach L.A. gezogen und auch viele Künstler zieht es nach Kalifornien – insofern sind beide Städte für Artflash zwei hervorragende Standorte.

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Bislang galt: Gute Kunst kauft man in der Galerie, online eher Poster und Karten zum Verschenken. Wie funktioniert Artflash?

Mitglied auf Artflash sein, heißt, alle zwei Wochen von Artflash einen kostenlosen Newsletter zu bekommen, der zwei neue Editionen vorstellt, also limitierte, signierte Siebdrucke, Fotografien, Radierungen von hochkarätigen Künstlern wie Wolfgang Tillmans, Rosemarie Trockel oder Jörg Immendorff.

Die Editionen sind alle bezahlbar, im Durchschnitt liegen sie bei ca. 400 Euro oder darunter, manchmal auch über 1.000 Euro. Eine Arbeit von Jonathan Meese für 350 Euro war unser Startangebot zum Launch und sofort ausverkauft. Da wir die Grafiken meist direkt von Kunstvereinen beziehen, zu extrem fairen Preisen, können wir die Arbeiten so günstig anbieten.

In einem Interview mit der ZEIT hast du 2012 gesagt: „Ich will den Kunstbetrieb aus seinem Elfenbeinturm holen.“ Hat sich der Kunstbetrieb in den letzten vier Jahren verändert oder ist er immer noch schnöselig?

Ich denke, dass die enormen Wertsteigerungen einiger Künstler viele Menschen beflügelt hat, ebenfalls in Kunst zu investieren, sodass es heutzutage sehr unterschiedliche Typen von Kunstkäufern gibt, was sicherlich die Szene bereichert.

Wie trittst du an die Künstler und Galerien heran? Und wie reagieren die auf deine Anfrage: ablehnend, neugierig oder begeistert? 

Unsere Kooperationspartner sind weniger Galerien als vielmehr Kunstvereine oder Editionsverlage, die sich freuen, wenn sie über Artflash einen neuen Vertriebskanal gewinnen.

Für unsere Eigen-Editionen treten wir aber direkt an Künstler heran, die uns aufgefallen sind. Und auch hier ist die Resonanz positiv, denn im Verbund mit einem großen Künstler wie Joseph Beuys, Jenny Holzer oder Richard Serra gezeigt zu werden, ist für viele Nachwuchskünstler eine große Chance.

Wie oft gibt es neue Editionen bzw. was ist der Unterschied zu den Eigen-Editionen? Wer stellt für dich die Rahmen her? Und wie regelst du den Versand?

Unser Prinzip ist sehr simpel: Jeden zweiten Freitag jeweils um 7 Uhr morgens stellen wir zwei neue Editionen online.

Aktuell ist das eine Fotografie ist von der international erfolgreichen Künstlerin Josephine Pryde (u.a. ist sie gerade im Neuen Whitney Museum zu sehen) und eine Arbeit von Michaela Melián, u.a. ist sie Gründungsmitglied der Post-Punk-Band FSK und aktuell im Lenbachhaus zu sehen.

Josephine Pryde @Artflash
Josephine Pryde @Artflash

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Der Großteil unserer Editionen sind Fundstücke aus Kunstvereinen, die dort teilweise seit Jahren schlummern, obwohl die Künstler in der Zwischenzeit groß und bekannt (und teuer) geworden sind.

Daneben zeigen wir ab und an unsere Eigen-Editionen, die in direkter Kooperation mit Künstlern aus Berlin und Los Angeles entstehen. Da ich quasi mit Gründung von Artflash nach Los Angeles gezogen bin, musste die Logistik einwandfrei funktionieren.

Hier haben wir einen Rahmenbauer gefunden, der uns die handgefertigten Rahmen für jede Edition herstellt, aber auch den Versand der gerahmten wie ungerahmten Editionen übernimmt.

Im Internet muss immer alles schnell und günstig verfügbar sein. Widerspricht das nicht dem Anspruch der Kunst? Sprich: Leidet der Wert eines Bildes nicht darunter, wenn man es einfach so bestellen kann?

Eigentlich hat es Andy Warhol in den 1980ern schon vorweggenommen: Jeder Mensch wird nur für 15 Minuten weltberühmt sein und die Herausforderung ist, in der kurzen Zeitspanne Menschen von der Kunst zu begeistern, bis ein neuer visueller Reiz unsere Aufmerksamkeit verlangt. Daher konzentrieren wir uns bei Artflash bewusst auf eine absolut selektive Präsentation: Es gibt nur vier Editionen pro Monat.

Du inszenierst die Bilder, die du auf Artflash verkaufst, immer als Teil des Raumes. Findest du es verwerflich, wenn jemand nach einem Bild sucht, das zum Sofa passt?

Hier in den USA haben die Menschen überhaupt kein Problem damit, mit dieser Vorstellung eines Kunstkaufes auf dich zuzukommen und ich finde es ok, solange Kunden wirklich an der Kunst interessiert sind, also in Kunst mehr als Wand-Dekoration suchen.

Was war bislang der Bestseller bei Artflash?

Künstler wie Jonathan Meese, Jörg Immendorff oder Thomas Ruff gehören zu unseren Bestsellern, aber auch Editionen einer jüngeren Generation von Künstlern wie Michelle Jezierski und Gunilla Jähnichen verkaufen wir sehr erfolgreich.

Katharina Bauckhage, Gründerin von Artflash (Fotos: Diana Feil)

Welche Künstler hast du für 2016 verpflichten können?

Ich persönlich bin super gespannt auf eine Arbeit von Peter Doig, die wir in einer Neuköllner Druckerei entdeckt haben. Doig gehört aktuell zu den teuersten Landschafts-Malern und eine bezahlbare Edition von ihm demnächst auf Artflash zu zeigen, ist großartig!

Welchen Künstler würdest du gerne eines Tages auf Artflash verkaufen?

Oh, da stehen viele Namen auf meiner Wunschliste: Von Gerhard Richter über Thomas Demand, Andreas Gursky bis zu Tacita Dean, Josh Smith oder Catherine Opie…

Inwieweit hilft dir dabei dein Netzwerk? Du hast früher u.a. für die Documenta gearbeitet. Wäre deine Business-Idee von einem Quereinsteiger ohne Erfahrungen und Kontakte überhaupt machbar gewesen?

Meine Kontakte in die Kunstwelt haben mir zu Beginn sehr geholfen und vieles einfacher gemacht und auch heute noch profitiere ich davon. Gerade erst habe ich einen ehemaligen Documenta-Kollegen in New York getroffen, der jetzt im MoMA arbeitet und dort für Prints & Drawings zuständig ist – also genau mein Thema.

Du bist zweifache Mutter: Wie lässt sich Arbeit und Familie in deinem Fall miteinander kombinieren?

Als Selbständige mit täglicher Unterstützung in der Kinderbetreuung genieße ich viele Freiheiten, was die flexible Zeiteinteilung angeht, dafür muss ich aber auch täglich um 14.30 Uhr den Rechner zuklappen, um meinen Sohn von der Schule abzuholen und abends weiterarbeiten, wenn die Kinder schlafen.

Mir geht es da wohl wie vielen Müttern, die auch beruflich etwas erreichen wollen: Wir sind ständig hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach genügend Zeit für die Kinder und für den Job.

Wie sieht dein Arbeitsplatz aus? Und welche Bilder hängen bei dir zu Hause?

Meine Arbeit findet zu vermutlich 70% am Computer statt – leider. Aber es hat den Vorteil, dass ich von zu Hause oder auch in Cafés in der Nähe arbeiten kann.

Mein Lieblingsbild zuhause ist von John Baldessari, eine Edition, die ich nach langer Recherche – und obwohl der Künstler ein Star in Kalifornien ist – schließlich in Berlin gefunden habe und nach Los Angeles verschifft habe.

In unserer Küche hängt eine sehr intime, kleine Arbeit von Louise Bourgeois, die im Jahr 2010 Alter von 98 gestorben ist und die gerade u.a. im neu eröffneten Hauser Wirth & Schimmel in LA gewürdigt wird.

In unserem Schlafzimmer hängt ein wunderbarer Siebdruck von Christoph Niemann, den wir bald auf Artflash zeigen werden. Der Druck macht Lust auf Müßiggang und den Sommer!

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Was würdest du einem Einsteiger raten? Wie fängt man an Kunst zu sammeln und warum kann diese Sammlung eines Tages vielleicht erquickender sein, als ein gut gefülltes Schuhregal?

Es sollte Liebe auf den ersten Blick sein. Man sollte Kunst sammeln oder kaufen, die zu einem spricht, die einen bewegt, irritiert oder neugierig macht. Dann würde ich einen Künstler oder eine Künstlerin googlen und sehen, ob mich auch andere Werke ansprechen.

Wenn die Arbeiten schon unerschwinglich sind, sind limitierte Editionen die beste Einstiegsdroge, Kunst von großartigen Künstlern zu besitzen. Schuhe werden unmodern oder irgendwann untragbar, Kunst hingegen ist zeitlos.

Vielen Dank für das Gespräch, liebe Katharina!

Mehr Bilder seht ihr in der Galerie:

(Fotos: Diana Feil)

Von Alexa

Ich liebe schreiben, bloggen und schöne Dinge zu entwerfen, also mache ich all das.

Als Journalistin habe ich für Magazine und Zeitungen wie Business Punk, Fräulein, Gala, FTD/how to spend it, Instyle, Lufthansa Magazin, Stern, Tagesspiegel, Vanity Fair und zitty gearbeitet. Meine Online-Erfahrungen habe ich u.a. Stylebook und styleproofed gesammelt. Mein Blog heißt Alexa Peng, mein Schmuck-Label vonhey. Ich komme aus dem Rheinland und bin in einem Dorf am Waldesrand aufgewachsen, wo nur einmal in der Stunde ein Bus fuhr. Da muss man sich was einfallen lassen, um sich nicht zu langweilen. Meine Tante hatte in der Stadt eine Boutique und einen Schrank voller Kleider, Schuhe und Taschen, mit denen wir Kinder verkleiden spielen durften. Wir haben Modenschauen im Hobbykeller veranstaltet und die ganze Nachbarschaft eingeladen. Dass ich mal was mit Mode machen würde, war also klar. Nach dem Abi habe ich an der AMD in Hamburg Mode-Journalismus studiert und später an der UdK in Berlin einen Master of Arts in Kulturjournalismus gemacht. In Zukunft will ich mein Label weiteraufbauen, die Welt sehen und gute Geschichten schreiben.

(Foto: Sandra Semburg)

Kommentare (1) anzeigen

Eine Antwort auf „Wie verkauft man Kunst im Internet? Karriere-Interview mit Katharina Bauckhage, Gründerin von Artflash“

Oh, merci für das inspirierende und spannende Interview! Und es tut so gut zu lesen, dass Lebensläufe tatsächlich nicht mehr schnurgerade sein müssen. Wer hat einen solchen Lebenslauf heutzutage auch noch? Ich werde mich gleich mal auf Artflash umsehen. Bitte immer mehr von diesen Interviews! 🙂
Katharina

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.