Karriere-Interview: Chi-Young Bang, Pâtisserie-Designerin von So Bang Paris

Für viele junge Frauen ist der Redakteursposten bei einer Zeitschrift nach wie vor ein Traumberuf. Man organisiert Modestrecken, wird von PR-Agenturen mit kleinen Aufmerksamkeiten umworben und darf regelmäßig nach London, Paris und New York reisen. Chi-Young Bang hatte als stellvertretende Modechefin von Glamour all das in ihrer Karriere erreicht und kam trotzdem an einen Punkt,

Für viele junge Frauen ist der Redakteursposten bei einer Zeitschrift nach wie vor ein Traumberuf. Man organisiert Modestrecken, wird von PR-Agenturen mit kleinen Aufmerksamkeiten umworben und darf regelmäßig nach London, Paris und New York reisen.

Chi-Young Bang hatte als stellvertretende Modechefin von Glamour all das in ihrer Karriere erreicht und kam trotzdem an einen Punkt, an dem sie sich eine neue Perspektive wünschte.

Dieses Interview soll nicht nur zeigen, wie man die Karriereleiter hochklettert, sondern wie ein mutiger Kurswechsel gelingen kann. Gerade zum Jahresende hin wird man oft nachdenklich und fragt sich, ob man noch auf dem richtigen Weg ist oder wie die Zukunft aussehen könnte. Meistens hat man dabei (noch) keine konkreten Vorstellungen, sondern nur ein Bauchgefühl, dass sich etwas verändern muss.

Die 40-jährige Stylistin macht vor, wie ein neuer Lebensabschnitt ohne große Sicherheiten gelingen kann: Ihr neues Projekt So Bang ist ganz und gar aus einer Leidenschaft entstanden. Statt um Haute Couture dreht sich jetzt in ihrem Leben alles um Couture-Kekse!

Liebe Chi-Young, erst einmal vorab: Wie lautet deine Berufsbezeichnung?

Es ist schwierig zu definieren, denn ich mache ja keine Torten, sondern Biscuits, insofern würde ich „Biscuits-Designerin“ oder „Pâtisserie-Designerin“ der Bezeichnung am nächsten kommen.

Bevor du nach Paris gegangen bist, hast du 14 Jahre lang bei Condé Nast Deutschland gearbeitet, zuletzt sechs Jahre als stellvertretender Fashion Director bei Glamour. Fangen wir deshalb ganz von vorne an: Du hast Modedesign studiert. Warum wolltest du in der Moderedaktion arbeiten?

Eigentlich war es Zufall, denn zuerst wollte ich Modedesignerin werden. Zu der Zeit hatte mich eine Freundin, die Journalismus studiert hatte, auf die Idee gebracht, mich bei einer Zeitschrift zu bewerben. Sie hatte damals nebenbei bei einer Modezeitschrift gearbeitet und dachte, dass es auch ganz interessant für mich sein könnte.

So kam es, dass ich mich bei diversen Zeitschriften beworben hatte und direkt eine Zusage für ein Praktikum bei Elle bekam. Während der zwei Monate wurde mir klar, dass es das ist, was ich gerne machen möchte: Eng mit den Kollektionen von Designern arbeiten, Foto-Shootings umsetzen, bei denen man seiner Kreativität freien Lauf lassen kann, reisen und mit interessanten Leuten zusammen arbeiten.

Wie hast du den Einstieg in die Modebranche samt einer Festanstellung geschafft?

Ich hatte das große Glück, nach meinem einjährigen Volontariat bei Glamour als Assistentin übernommen zu werden.

Welche Erlebnisse oder Begegnungen zählen rückblickend für dich zu den Highlights?

Die Freundschaften, die aus meiner Zeit bei Glamour entstanden sind und die bis heute bestehen, sei es meine damalige Assistentin, eine Fotografin aus Paris oder auch eine Make-up Artistin aus London. Gerade in dieser Branche ist das eher selten der Fall. Dann natürlich die vielen Reisen, die ich in der Zeit gemacht habe. Unter anderem waren Sansibar und Kambodscha einfach der Wahnsinn!

Was ist geschehen, dass du über eine berufliche Neuorientierung nachgedacht hast? Was hat dich an der Mode gelangweilt?

Wenn man 14 Jahre in der Modebranche arbeitet, wird auch das eines Tages zur Routine und man fragt sich, ob es das gewesen sein soll. So schön die Mode auch ist und ich sie liebe, es hat mich nicht mehr erfüllt und auch den Designern fällt irgendwann nichts mehr spannendes, innovatives ein. Es ist schwierig, da immer wieder neuen Input rauszuziehen.

In meiner privaten Zeit habe ich mich immer mehr mit Patisserie beschäftigt, neue Dinge ausprobiert und dann gemerkt, dass ich mich nicht mehr mit 50 noch Foto-Shootings machen sehe und dann die Älteste am Set bin, die 20-jährige Models anzieht.

Hattest du diesen Wunsch insgeheim schon länger oder kam das alles plötzlich?

Der Gedanke kam immer mal wieder, aber es ist so, als wenn man mal ein Hoch und mal ein Tief hat. Ich habe nicht gleich ans Aufhören gedacht, denn was sollte ich schon tun? Ich dachte eher, dass es nach so einer langen Zeit normal ist.

Wie haben deine Vorgesetzen und Kollegen auf deine Kündigung reagiert?

Sehr gut! Natürlich waren sie alle traurig, als ich gegangen bin, aber andererseits haben sie meine Entscheidung verstanden. Ich bin letztes Jahr erst einmal für ein sechsmonatiges Sabbatical nach Paris gegangen und habe mich erst danach entschieden zu kündigen.

So Bang Paris
So Bang Paris

Du bist dann von München nach Paris gezogen: Warum war dieser Tapetenwechsel so wichtig? Warum ausgerechnet Paris?

Paris ist die Stadt der Patisserie und ich habe Paris schon immer geliebt. Wegen seiner Schönheit, Kreativität, Innovation, Impulse und neuer Ideen – darauf wollte ich mich komplett einlassen, denn in München wäre das Projekt kaum möglich gewesen.

Man hängt da so in seinem Trott drin und manchmal tut ein Tapetenwechsel gut, um sich selbst von einer anderen Seite kennenzulernen, sich neu auszutesten und an seine Grenzen zu stoßen.

Wie kam es dann zu der Idee eine Keksbäckerei namens „So Bang“ zu eröffnen?

Es war ein längerer Prozess. Während meines Sabbaticals habe ich verschiedene Sachen ausprobiert und Praktika in einem Schmuck-Atelier und in Patisserien gemacht. Ich habe überlegt, was ich mag und was ich nicht mehr machen möchte. Während eines Kurztrips mit einer Freundin in die Normandie haben wir die Dinge zusammengefügt. In So Bang sind all die Dinge vereint, die ich liebe – Mode, Patisserie, Design und Kreativität.

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Was ist dein Bezug zu Keksen? Wie hast du besonders die Bemalung für dich entdeckt?

Ich mochte schon immer alles, was süß ist. Und manchmal braucht es nur einen einfachen Butterkeks zu einer guten Tasse Tee. Ich habe schon immer gerne gezeichnet und illustriert und so kam es, dass ich versucht habe, meine Motive auf einen Biscuit zu zeichnen. Dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.

In wie weit spielt deine koreanische Herkunft dabei eine Rolle?

Ich denke, dass das Filigrane, der Perfektionismus eine Rolle spielt. Schon während meiner Kindheit habe ich immer versucht, alles so lange zu machen, bis es perfekt war. Meine Eltern waren da, wie auch die meisten Koreaner, sehr streng.

Hätte So Bang auch in München oder Berlin funktioniert?

Ich denke, es wäre schwierig. Denn mit Patisserie oder auch Mode verbindet man nun mal Paris. Es wäre so, als würde man Bier mit Paris verbinden.

Was unterscheidet deine Kekse von normalen Butterkeksen?

In erster Linie ist das Besondere daran natürlich das dekorative Design, welches saisonal wechselt. Dabei ist jedes Motiv von mir handgezeichnet.

Die Kekse erinnern an Broschen und sind so hübsch! Soll man sie essen oder lieber aufbewahren?

Essen natürlich! Es sagen mir sehr viele, dass die Kekse zum Essen viel zu schade sind und sie die Biscuits aufbewahren und anschauen. Das freut mich natürlich sehr, aber was gibt es Schöneres, als sich an den Biscuit zu erfreuen und ihn dann zu einer Tasse Tee zu genießen?!

Was verstehst du unter einer „Tea Time“ bzw. wie würdest du sie ausrichten?

Für mich ist eine Tea Time für meine ganzen lieben Freunde, sie zu verwöhnen und mit ihnen ein paar gemütliche Stunden zu verbringen. Dabei würde ich diverse Patisserien backen und sie zu den passenden Tee-Sorten anbieten. Dabei dürfen schöne Blumen nicht fehlen! Ich mache immer zu viel, freue mich aber, wenn ich meinen Freunden zum Abschied jeweils ein Stück mit nach Hause geben kann. So haben sie noch etwas länger davon.

Wie hast du in Paris Fuß fassen können? Hast du neue Freunde gefunden und wie gut ist dein Französisch? Könntest du dir vorstellen, eines Tages wieder nach Deutschland zu ziehen?

Ich hatte das Glück, dass ich in Paris schon ein paar Leute kannte. Durch sie habe ich neue Kontakte knüpfen können und mittlerweile habe ich wirklich ein paar gute Freunde gefunden, wofür ich sehr dankbar bin. Durch zwei Freundinnen ist mein Französisch ganz gut geworden, aber ich muss sagen, dass mir die Sprache auch großen Spaß macht.

Im Moment kann ich mir eine Rückkehr nach München nicht vorstellen, aber wer weiß schon, was in ein paar Jahren ist. Ich habe gelernt, nicht mehr so weit im Voraus zu planen. Es kommt meistens anders, als man denkt.

Wer oder was hat dir in der Zeit der Neu-Orientierung am meisten geholfen?

Das waren definitiv meine Freundinnen!

Wie reagieren die Pariser auf deine Kekse? Erinnerst du dich an deine erste Bestellung?

Die Franzosen reagieren sehr positiv auf meine Biscuits und das ist eigentlich das größte Kompliment, denn die Pariser sind sehr verwöhnt. Es freut mich wahnsinnig, wenn sie mich mit bekannten Patisserien vergleichen.

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Büro oder Backstube: Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?

Da ich erst vor sechs Monaten begonnen habe, mache ich zur Zeit noch alles alleine: von Büro-Tätigkeiten, über Recherche bis hin zum Backen, dekorieren und neue Ideen und Projekte entwickeln.

Bei einer größeren Order arbeite ich mit einer Patisserie zusammen, die mir die Butterkekse herstellt. Die Dekoration ist mir aber besonders wichtig und daher mache ich sie persönlich.

Welcher Bereich deiner neuen Tätigkeit fordert sich am meisten?

Am meisten fordert mich der psychische Stress, der das Selbstständige-Dasein mit sich bringt. Ich denke aber, dass es am Anfang ganz normal ist, bis sich ein Rhythmus eingependelt hat.

Was vermisst du in Bezug auf deinen früheren Job heute am meisten?

Am meisten vermisse ich das Reisen und meine Kollegen. Ich bin kein Einzelgänger, aber zur Zeit kann ich mir noch keine festen Angestellten leisten.

Was denkst du, wenn du jetzt die Streetstyle-Fotos von der Modewoche siehst und den Hype, der um die Moderedakteurinnen und ihre Outfits gemacht wird?

Es amüsiert mich teilweise, wie sehr sich alles verändert und der Hype sich verschoben hat. Früher waren es mehr namenhafte Stylisten, die als Stilvorbild galten und von denen Streetstyle-Fotos geschossen wurden. Jetzt mischt sich das mit den Bloggern, die selbst vor die Kamera treten und Leuten, die mit Fashion an sich professionell nichts zu tun haben, sondern einfach nur ein „gutes Foto“ abgeben.

Dadurch sehe ich teilweise einen zu erzwungenen Effort, den die Redakteurinnen um sich und ihr Outfit machen, damit sie Saison für Saison nicht als uninteressant oder langweilig abgestempelt werden und so riskieren, vielleicht nicht fotografiert zu werden. Man muss immer noch einen drauf setzen. Darüber muss ich teilweise schmunzeln, denn sie wirken für mich nicht mehr authentisch.

Hat sich durch den Jobwechsel auch dein Look verändert?

Mein Look ist ein bisschen laissez-faire geworden, wie man so schön sagt, aber das liegt nicht an dem Job, sondern eher an Paris und die Pariserinnen.

Warum ist der Beruf der Moderedakteurin nach wie vor deiner Meinung nach ein Traumberuf?

Der Beruf der Stylistin kann sehr spannend, inspirierend und kreativ sein. Es liegt an einem selbst, was man sich aus all dem heraus zieht. Wer eine Leidenschaft für Mode hat, hat als Stylistin viele Möglichkeiten sich zu verwirklichen, interessante Menschen und auch tolle Orte kennenzulernen.

Was möchtest du den Frauen raten, die schon lange eine Idee haben, aber den Schritt in die Selbständigkeit (noch) nicht wagen?

Ich möchte allen raten, ihre Träume zu verwirklichen und sich zu trauen! Denn nichts ist schlimmer, als sich eines Tages zu fragen, was geworden wäre, wenn man sich damals nur getraut hätte. Man muss sich aber ehrlich fragen, ob man dazu bereit ist, nochmal von vorne anzufangen oder ob es nur eine Tageslaune ist.

Was ist für dich der nächste Schritt?

Ich plane ein Atelier zu eröffnen, in dem ich mit anderen Patisserie-Designern zusammen arbeiten kann, um alle meine Kunden glücklich machen zu können.

Vielen Dank für das Interview, liebe Chi-Young!

Mehr Bilder seht ihr in der Galerie:

Von Alexa

Ich liebe schreiben, bloggen und schöne Dinge zu entwerfen, also mache ich all das.

Als Journalistin habe ich für Magazine und Zeitungen wie Business Punk, Fräulein, Gala, FTD/how to spend it, Instyle, Lufthansa Magazin, Stern, Tagesspiegel, Vanity Fair und zitty gearbeitet. Meine Online-Erfahrungen habe ich u.a. Stylebook und styleproofed gesammelt. Mein Blog heißt Alexa Peng, mein Schmuck-Label vonhey. Ich komme aus dem Rheinland und bin in einem Dorf am Waldesrand aufgewachsen, wo nur einmal in der Stunde ein Bus fuhr. Da muss man sich was einfallen lassen, um sich nicht zu langweilen. Meine Tante hatte in der Stadt eine Boutique und einen Schrank voller Kleider, Schuhe und Taschen, mit denen wir Kinder verkleiden spielen durften. Wir haben Modenschauen im Hobbykeller veranstaltet und die ganze Nachbarschaft eingeladen. Dass ich mal was mit Mode machen würde, war also klar. Nach dem Abi habe ich an der AMD in Hamburg Mode-Journalismus studiert und später an der UdK in Berlin einen Master of Arts in Kulturjournalismus gemacht. In Zukunft will ich mein Label weiteraufbauen, die Welt sehen und gute Geschichten schreiben.

(Foto: Sandra Semburg)

Kommentare (4) anzeigen

4 Antworten auf „Karriere-Interview: Chi-Young Bang, Pâtisserie-Designerin von So Bang Paris“

toll, finde ich einen sehr mutigen schritt… klingt zudem ja auch alles sehr durchdacht, weil sie sich mit dem sabbatical dort reinfinden konnte. diese vorbereitung sollte man nicht vergessen bevor man dann „einfach macht“.

ich habe noch eine frage nach der langfristigen sicht: da paris die stadt der patisserien ist, ist es nicht genau aus dem grund dort mit einer solchen idee extrem schwer? es gibt sehr viele alteingesessene am markt, die ihre kundenbeziehungen lange hegen, und ich denke nur solche grossen beziehungen und die entsprechenden aufträge können das ganze letztlich finanziell stabilisieren? wie siehst du das?

weiterhin ganz viel erfolg!

Sehr schön zu lesen wie sowas bei anderen entstanden ist. Ja, der psychische Stress ist der einzige Nachteil, das empfinde ich genauso. Aber jetzt mache ich jeden Tag etwas schönes und das freut mich jeden Abend.
Die Kekse sind wunderschön, wirklich sehr tolle Idee und Umsetzung.

Ein wirklich tolles Interview, was zum Nachdenken anregt. Besonders interessant für mich, weil ich quasi mit Chi-Young Bang und der GLAMOUR aufgewachsen bin und sich so vermutlich auch mein Lebensweg in Richtung Mode und Design gedreht hat.

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.