Kaia Gerber, Kendall Jenner, Hailey Baldwin: Warum „normale“ Models bald arbeitslos sind

Auf der Fashion Week kaum gesichtet: Models. Woran das liegt? Na weil Celebrity-Töchter jetzt die neuesten Modetrends präsentieren

2012 modelte sie das erste Mal als Zehnjährige für Versace, letztes Jahr kamen Kampagnen mit Chrome Hearts und Alexander Wang, ein Cover auf der französischen Vogue, ein Fashion-Film mit Miu Miu, ein Modelvertrag mit IMG Models, ein Editorial in der Septemberausgabe der amerikanischen Vogue und danach wurde sie das Gesicht von Marc Jacobs Beauty. Vor ein paar Tagen gab sie dann noch ihr Debut auf dem Laufsteg. Die Rede ist natürlich von Kaia Gerber.

Die Tochter von Cindy Crawford und Rande Gerber lief aber nicht nur bei einer Runway-Show. Calvin Klein, Versace, Bottega Veneta, Moschino, Fendi, Alexander Wang, Prada, Isabel Marant und Saint Laurent – fast jede dieser Schauen eröffnete oder schloss die 16-Jährige auf den Fashion Weeks in New York, London, Mailand und Paris, die gerade in vollem Gange sind. Sie ist DAS neue Lieblingsgesicht der Designer. Aber woran liegts?

Neu ist das Phänomen einer Kaia Gerber nicht. Das Erfolgsrezept des plötzlichen Imagewandels vom Promikind zum It-Girl? Gute Gene, lange Beine, ein hübsches Gesicht und jede Menge Vitamin B von Mama und Papa.

Funktioniert hatte diese Rezeptur schon bei Cara Delevingne, Gigi und Bella Hadid und natürlich Kendall und Kylie Jenner. Vor ein paar Jahren kannte diese Namen noch keiner in der Modebranche, dann entdeckte man die hübschen Töchter reicher Prominenter für sich und schwupps, sie waren überall. Auf jedem Magazin-Cover, auf jedem Laufsteg, in jedem Editorial, als Testimonials für sämtliche Labels – wie das bei It-Girls nun mal so ist. Sie werden ausgeschlachtet, bis man das Gesicht nicht mehr sehen kann. Den Namen nicht mehr lesen will. Und die Nase voll hat von den neuesten Schlagzeilen à la „Ist sie magersüchtig?“

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Bei Cara trat diese Phase irgendwann ein. Nicht nur die Zuschauer waren übersättigt von dicken Augenbrauen und blonder Wallemähne, auch Cara selbst. Die Konsequenz: sie zog sich eine Weile aus den Medien zurück, rasierte sich den Kopf und erfand sich neu. Eigentlich der gleiche Britney-Spears-Move von 2007, nur ohne Psychatrie und riesige Schlagzeilen.

Darüber muss sich Kaia allerdings noch keine Sorgen machen. Sie ist blutjung, wunderhübsch, ein Duplikat ihrer Mutter mit genetisch vorprogrammiertem Wiedererkennungswert und noch neu in der Branche. Außerdem hat sie das, was ein It-Girl heutzutage ausmacht: einen guten Kleidungsstil und eine coole Clique, die eines gemeinsam haben: berühmte Eltern.

Lila Moss, Hailey Baldwin, Sistine Stallone – sie alle sind schon etwas länger im Business als Kaia und geben ihr bestimmt gerne Tipps. Zusammen erobern sie die Laufstege der Welt und lassen angestaubte Labels jung und hip erscheinen. Eine clevere Marketing-Strategie?

Auf jeden Fall! Denn Modenschauen sind für die meisten Endverbraucher komplett uninteressant. Fachpresse und Einkäufer klatschen begeistert in die Hände (und natürlich auch ihr modeinteressierten Leser), aber normale Kunden (mit dem richtigen Budget) interessiert der Hype um die neueste Kollektion nicht die Bohne. Ganz im Gegenteil, dort zählt nur, was gerade auf den Stangen im Laden hängt. Der erste Schritt der Labels: See now buy now.

Der zweite? More attention please, besonders von den Medien. Wenn Kaia über den Laufsteg rennt, sitzen Mama, Papa und der Bruder im besten Fall in der Front Row und haben ihre besten Freunde aka Kate Moss und Co. gleich dabei. Sieben Fliegen mit einer Klappe. Aber haben Designer das wirklich nötig? Sollte nicht die Mode im Vordergrund stehen?

Das hatten wir schon bei dem Artikel über die Fashion Weeks diskutiert und uns gefragt, ob der Runway als Präsentationsform nicht schon längst tot ist, wenn es solcher Unterstützung wie verrückter Performances, untragbarer „Couture„-Mode, Motocross-Shows und Promis auf dem Laufsteg bedarf.

Foto: Opening Ceremony

Der Gegentrend zu Celebrity-Models wie Kaia Gerber und ihren Freundinnen? Die Nicht-Models. Denn auch davon gab es auf der Fashion Week viele. Ob alt, dünn, dick, groß oder klein, hetero- oder homosexuell – bei Opening Ceremony, Eckhaus Latta, Desigual und Chromat liefen Menschen jeder Haut- und Haarfarbe mit ganz verschiedenen Körperformen über den Laufsteg und setzten damit ein Anti-It-Girl-Statement.

Denn was Designer auch oft vergessen: Kaia, Gigi und Kendall sind zwar wunderhübsch und haben laut gängigem Laufstegideal die perfekten Maße, üben mit ihrem Aussehen aber auch einen unfassbaren Druck auf junge Mädchen aus und vermitteln falsche Schönheitsideale. Ob das noch zeitgemäß ist? Ich denke nicht. Stattdessen ist die Idee toll, dass Mode auch schon auf dem Laufsteg von verschiedenen Figurtypen präsentiert wird, schließlich wird sie auch später auf der Straße nicht nur von einer Größe 34 getragen.

Schönheit ist einfach langweilig. Weil sie heutzutage auf allen Medien überpräsent ist. Influencer, wohin das Auge blickt, alle eint sie eines: wunderhübsche Gesichter, perfekte Löckchen, ein Leben unterm Eiffelturm mit French Toast und Eggs Benedict. Perfektion wird uns mittlerweile in allen Sparten des Lebens vorgelebt: ob Mode, Beauty oder Interior – deswegen ist es erfrischend, andere Figurtypen zu sehen, Models mit Narben und Makeln und Menschen, die statt Wandelbarkeit und 0815-Gesicht Charakter, Stärke und Individualität repräsentieren.

Die bringen dann vielleicht keine Millionen Follower mit, haben eine coole It-Clique oder berühmte Eltern, dafür aber eine Message: Wir sind alle schön, so wie wir sind!

Trotzdem bleiben die Fragen: Ist der normale Modelberuf tot? Stirbt der Mädchentraum des Jetset-Modellebens bald aus? Braucht man die richtigen Gene und den passenden Nachnamen, um international erfolgreich zu sein?

Um das zu beantworten, bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich die Modewelt verändert. Hin zur Normalität, zur Vielfalt auf dem Catwalk oder hin zu Influencer-Shows, It-Girls und neuen „Supermodels“, denn etwas anderes sind Kendall, Bella und Gigi ja nicht in unserem Jahrzehnt.

Es wird auf jeden Fall Zeit, das Gehabe abzulegen. The bigger the better? Wir brauchen weder Motocross-Show, noch tanzende Volksstämme. Das generiert zwar Klicks, sagt aber nichts über die Mode aus, sondern trägt nur zur Unterhaltung bei. Stattdessen freuen wir uns weiterhin auf Mode von Prada, Dior, Jil Sander, Attico und Co., bei denen die Entwürfe, kunstvolle Handarbeit und Kreativität weiterhin im Fokus steht. Aber wie es immer im Leben ist: die Mischung machts!

Wir prophezeien Kaia Gerber jedenfalls schon jetzt, die nächste Kendall Jenner/Bella Hadid/Gigi Hadid zu werden. Macht euch drauf gefasst, Cindy Crawford 2.0 bald überall zu sehen!

Headerfotos v.l.n.r. :Versace, Moschino, Fendi, Saint Laurent

Von Marie

Der erste Satz, wenn mich Leute kennenlernen ist: „Das ist aber selten.“ Ja, ich bin ein seltenes Exemplar: Berliner Eltern, Berliner Blut, Berliner Göre. Tatsächlich bin ich so sehr mit der Hauptstadt verbunden, dass ich meinem Kiez in Schöneberg seit über 20 Jahren die Treue halte und noch nie von hier weggezogen bin – und auch nicht dran denke. Und obwohl wir Schöneberger zwar sehr viel von Bio-Supermärkten und esoterischen Edelsteinläden halten, gibt es hier auch das ganz große Mode-Paradies: das KaDeWe. Der Tempel des Shoppings und der Ersatzkindergarten für meine Eltern, sozusagen das Småland bei Ikea für mich (andere Kinder haben dort ihren ersten Wutanfall, ich schmiss mich in voller Rage im Atrium des KaDeWe auf den Boden und weigerte mich zu gehen). Kein Wunder also, dass Mode und ich nie wirklich Berührungsängste hatten.

Spätestens seit der Oberstufe, in der ich – dank Blair Waldorfs Inspiration aus Gossip Girl (ja, das war meine Serie zusammen mit Gilmore Girls) – die Schule nie ohne Haarreif, Fascinator oder eine gemusterte Strumpfhose betrat, hatte auch mein Umfeld begriffen: Marie macht was mit Mode. Und weil ich damit in meinem katholischen "Elite-Gymnasium" so ziemlich die Einzige war, suchte ich meine Verbündeten 2011 woanders: im Internet. Auf meinem Blog Style by Marie. Und so begann meine modische Laufbahn.

Noch mehr Gleichgesinnte und vor allem Freunde fand ich auf der Akademie für Mode & Design in Berlin, bei der ich 2013 meine Ausbildung in Modejournalismus und Medienkommunikation startete. Was für mich seit der 1. Klasse klar war, nämlich das Schreiben mein Ding ist, wurde jetzt zu meinem Beruf: Journalistin. (Denn ja Oma, es gibt noch etwas anderes als Modedesignerin). Dank meines Blogs und einem Praktikum bei der Harper’s Bazaar Germany in der Online-Redaktion blieb ich auch dem Internet und dem Online-Journalismus treu. Und ratet mal, wo ich jetzt bin: Genau, bei Journelles, dem Blogazine, was alle meine Leidenschaften verbindet: Bloggen, Schreiben, online sein – zusammen mit euch!

Kommentare (7) anzeigen

7 Antworten auf „Kaia Gerber, Kendall Jenner, Hailey Baldwin: Warum „normale“ Models bald arbeitslos sind“

Liebe Marie,
in deinem Artikel denkst du mehrere Themen an, die alle für sich interessant sind (einmal die „modelkinder“, dann die „heisse luft“-Fashionshows, die du treffend „the bigger the better“ nennst, dann wieder die „alternativen“, nämlich „durchschnittlichen“ Models, die mehr Bandbreite an Körperformen zeigen sollen). Alle diese Themen sind, wenn man sich denn für Mode interessiert, für sich brennend und aktuell. Ich finde es auch fein, dass diese Themen hier auf Journelles gebracht werden, denn ich lese auch eure Meinung darüber ganz gerne.
Und jetzt das große ABER: Du mischst in diesem Artikel alle drei Themen so durcheinander, dass ich nun als Leser am Ende des Artikels angekommen bin und mich frage, worum es jetzt eigentlich ging. Was du jetzt eigentlich drüber denkst, dass Modelkinder die Laufstege übernehmen, weiß ich nämlich nicht. Es interessiert mich aber (immerhin hat der Titel des Artikels den Eindruck erweckt, dass du darüber schreiben möchtest) – vielleicht kommt ja noch eine revised Version dieses Artikels, und du erzählst es uns?
Liebe Grüße nach Berlin.
Caroline

Das sehe ich ganz genauso. Im Prinzip werden interessante Themen angeschnitten, die Themen verflüchtigen sich dann aber – und die abschließende Stellungnahme fehlt.

Cara Delevingne hat sich die Haare für eine Schauspielrolle abrasiert.
Was soll der Vergleich mit Britney Spears?

Hallo liebe Lena, tut mir leid, falls der Vergleich zu krass war, das war natürlich überzogen und sarkastisch gemeint – sorry!

Schuster bleib bei seinen Leisten… Für das, was du zum Ausdruck bringen willst, fehlt dir das journalistische Handwerkszeug.

Liebe Marie,

dein Artikel regt zur Diskussion an, vielen Dank! Ich konnte deinem Artikel gut folgen und mir hat gefallen, dass du verschiedene Themen dazu angeschnitten hast. Dein Artikel ist sicher nicht zu komplex.
Kritik (siehe Kommentare) gibt es immer, man kann es nie allen recht machen.
Von mir ein klares „Daumen hoch“ !
Viele Grüße
Christina

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.