Journelles Maison: Interview mit Anton Rahlwes von Objekte unserer Tage

Das Problem bei vielen Interior-Labels ist oft: Sie kommen aus einem fernen Land und kein deutscher Händler hat bislang die Order aufgenommen. Oder die Entwürfe sind traumhaft, aber unbezahlbar. Aus welcher Fabrik die Möbel genau stammen und wer sie aus welchen Materialien gefertigt hat? Unbekannt. Und wer gibt uns eine Garantie, dass der Stuhl oder

Das Problem bei vielen Interior-Labels ist oft: Sie kommen aus einem fernen Land und kein deutscher Händler hat bislang die Order aufgenommen. Oder die Entwürfe sind traumhaft, aber unbezahlbar. Aus welcher Fabrik die Möbel genau stammen und wer sie aus welchen Materialien gefertigt hat? Unbekannt. Und wer gibt uns eine Garantie, dass der Stuhl oder das Bett die nächsten fünf bis zehn Jahre hält?

Ihr merkt: Die Anforderungen in Sachen Möbel sind wie an die Mode gewachsen. Ein junges Berliner Label möchte all die oben genannten Punkte von vornherein erfüllen. Es heißt Objekte unserer Tage (OUT).

Der Name verrät nicht nur den minimalistischen Design-Anspruch, sondern weist auf den nachhaltigen Ansatz des 2014 gegründeten Unternehmens hin. Hinter dem Projekt stehen drei fesche Jungs, von denen einer all unsere Fragen über zeitgemäße Wohntrends beantwortet hat.

Das Interview mit dem 24-jährigen Anton Rahlwes lest ihr hier:

Lieber Anton, habe ich das richtig verstanden: Du studierst noch?! Wie schmeißt man denn nebenbei ein eigenes Möbellabel?

Die Idee für Objekte unserer Tage kam gegen Ende meines Studiums. David (David Spinner, einer der Mitgründer) und ich, haben während unserer Studienzeit in Potsdam viele gemeinsame Projekte bestritten. Zusammen mit Christoph (Christoph Steiger, ebenfalls Mitgründer) waren wir dann das optimale Team für die Umsetzung eines so ambitionierten Projektes. Die Gelegenheit mit zwei Freunden ein eigenes Unternehmen zu gründen ist dabei eine Chance, die man sich nicht entgehen lassen darf.

Zu Beginn habe ich noch parallel studiert, jetzt pausiert das Studium. Sobald ich wieder ein bisschen Luft habe, wird der Bachelor geschrieben, dessen Thema sicherlich OUT beinhaltet.

Welche Idee steht hinter OUT bzw. welche Marktlücke habt ihr gesehen, bevor ihr das Label gegründet habt?

Eine Idee wie die hinter Objekte unserer Tage in wenigen Sätzen zu umreißen, ist keine leichte Aufgabe. Wie vieles ist ein Label, oder die Idee dahinter, ein Prozess, der sich permanent verändert und konkretisiert. In erster Linie wollen wir Objekte erschaffen, die Substanz haben und sich durch zeitgemäße Werte auszeichnen. Es sind Objekte für eine selbstbestimmte Generation.

Konkret bedeutet das: intelligentes, anpassungsfähiges Design, eine geradlinige Formsprache mit hohem Wiedererkennungswert, eine nachhaltige Produktion und die damit verbundene Qualität. Das wollen wir durch das Zusammenspiel von traditionellem Handwerk und jungem, zeitgemäßen Design erreichen.

Wir nennen diese Symbiose gerne „Innovative Tradition“. Obwohl Deutschland eine lange Designhistorie besitzt, gibt es keine Möbelmarke, die diese Ansprüche in sich vereint. Hier möchten wir ansetzen.

Wer gehört alles zum Team und wie sieht die Aufgabenverteilung aus?

Zum Team gehören Christoph, David und ich. Wir sind ein kompaktes Team und müssen uns als Gründer vielen verschiedenen Aufgaben stellen. Da ist es wichtig, dass jeder in allen Bereichen einen gewissen Einblick hat, damit man einander unterstützen kann.

Je länger wir zusammen arbeiten, desto mehr kristallisieren sich aber die Aufgaben-bereiche heraus. Christoph, als studierter BWLer, sorgt für die Unternehmensstruktur und die Abläufe, kümmert sich um die Finanzen und behält dabei das große Ganze im Blick.

David ist für die Logistik und die Kommunikation mit sämtlichen Herstellern verantwortlich. Ich bin für alle grafischen Arbeiten, die Postproduktion und somit den visuellen Auftritt von Objekte unserer Tage verantwortlich. Es gibt daneben Bereiche, die man sich je nach Workload teilt, wie zum Beispiel das Entwerfen der Produkte oder die Betreuung der Social Media Kanäle. Die Kundenbetreuung teilen wir uns zu dritt, ebenso die Betreuung unserer Vertriebspartner, wie Minimum im Aufbau Haus.

Anton Rahlwes
Anton Rahlwes von Objekte unserer Tage

Was zeichnet den Stil „unserer Tage“ eigentlich aus bzw. was versteht ihr unter zeitgemäß?

Wir versuchen unsere Objekte sowohl sachlich-funktional, als auch ikonisch mit hohem Wiedererkennungswert zu formulieren. Eine zeitgemäße Form- und Bildsprache sollte ein gewisses Maß an Autonomie besitzen und nicht wild jedem Trend folgen, trotzdem natürlich Elemente, Einflüsse und Strömungen des Hier und Jetzt berücksichtigen.

Das ist ein schmaler Grat und gleichzeitig ein hoher Anspruch an uns selbst. Ob der Balanceakt gelingt, entscheidet jedoch nicht der Designer oder das Designstudio, sondern der Mensch, der sich im Alltag mit dem Objekt auseinandersetzt.

Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Trend, immer mehr Menschen wollen nachhaltige Produkte. Wie kommt ihr dem nach?

Wir haben uns dazu entschieden ausschließlich in Deutschland zu fertigen. So können wir sicherstellen, dass alle Prozesse fair und zumutbar sind und dadurch das, was unsere Kunden erwerben, nachhaltig ist. Unsere Materialien sind zertifiziert und nachhaltig angebaut bzw. hergestellt und verarbeitet.

Die Menschen, die in der Produktion an unseren Objekten beteiligt sind, werden fair entlohnt und sind keine gesichtslosen Arbeiter für uns. Es ist uns wichtig, dass wir gegebenenfalls direkt mit den Menschen reden können, die unsere Objekte fertigen. Nur so können wir garantieren, dass wir das liefern, was wir versprechen.

Warum ist euch der Hinweis „Made in Germany“ so wichtig?

Natürlich ist „Made in Germany“ ein klares Qualitätssignal. Wir beziehen dieses Prädikat aber nicht nur auf die Produktion, sondern genauso auf das Design und unsere ästhetische Prägung.

Die Wahrnehmung von Design wird stark vom jeweiligen Kulturkreis beeinflusst. In Deutschland ist das Produktdesign ein Abkömmling der Architektur und des Ingenieurswesen. Dies führt zu einer strukturierten, analytischen Designsprache.

Die deutsche Autoindustrie ist ein gutes Beispiel dieser sehr effizienten Art zu designen. Wir entwerfen ähnlich und wollen unseren Stil und unsere Herangehensweise im „Made in Germany“ manifestieren.

Objekte unserer Tage
Objekte unserer Tage


Ihr könnt vergleichsweise günstige Preise anbieten, weil ihr bestimmte Prozessschritte weglasst. Welche sind das genau?

Wir verfolgen einen sehr direkten Ansatz. Das bedeutet vor allem, dass wir Schritte, die unseren Kunden keinen Mehrwert bieten, streichen. Wir haben zu allen vor- und nachgelagerten Stufen einen extrem kurzen Draht, steuern ohne Umwege Produktion wie Versand und sind gleichzeitig der unmittelbare Ansprechpartner für Fachhändler und Verbraucher. So vermeiden wir, dass unsere Objekte durch unnötig viele Hände gehen.

Zwischenhändler etwa würden unser Sortiment nicht hochwertiger, aber gleichwohl teurer machen. Im Gegenteil hilft eine derart schlanke Organisation vielmehr dabei, Kundenwünsche sofort aufgreifen und unser Angebot ständig verbessern zu können.

In der Regel haben Studenten bzw. junge Leute ja nicht so viel Geld für Möbel übrig oder geben es lieber für Klamotten, Reisen oder Essen aus. Wie gelingt es da, eine neue Wertschätzung zu schaffen?

Objekte unserer Tage richtet sich an Menschen, die Wert auf hochwertige Möbel legen, sich für junges, innovatives Design begeistern können und dieses Lebensgefühl zu schätzen wissen. Dass unsere Objekte zudem nachhaltig und fair produziert werden, ist für uns selbstverständlich und komplettiert das Gesamtbild.

Wir möchten Menschen ansprechen, die Möbel genießen und es als Bereicherung betrachten, sich differenziert mit einer Kaufentscheidung auseinander zu setzen. Deshalb sensibilisieren wir unsere Kunden für die Arbeit, die in einem Objekt steckt und feiern die Handwerkskunst, indem wir sie transparent zeigen. Auf diese Weise lernt man ein Möbelstück ganz anders zu schätzen.

Ich finde den Gedanken schön, dass man in ein Möbelstück investiert, welches das Potential besitzt, mehrere Generationen zu überdauern und vererbt zu werden. Wer sich hier wiederfindet, ist unser Kunde.

Gibt es einen Entwurf der eure Arbeit auf den Punkt bringt?

Da muss ich zwei Beispiele nennen, die unterschiedlicher kaum sein könnten und dennoch beide absolut für unseren Stil stehen. Das Regalsystem „Fischer“ ist ein sehr intelligent gedachtes, puristisch anmutendes Systemmöbel.

Das Regal als solches ist nahezu in jedem Wohnszenario vertreten und kann viele verschiedene Bedürfnisse erfüllen. Einem derart komplexen Anspruch wird „Fischer“ gerecht. Es passt sich an und kann im Laufe eines Lebens neue Formen annehmen und wird somit zu einem Begleiter. Das Design ist zeitlos, reduziert und klar und harmoniert mit verschiedensten anderen Objekten.

Dann wäre da noch „Schulz“. „Schulz“ ist ein Möbelstück, das von seiner Form lebt. Er ist in unserem Sortiment als „Ur-Stuhl“ gedacht und soll somit ikonische, klassische Eigenschaften eines Stuhls aufweisen, gleichzeitig aber eine Formsprache vermitteln, die bezeichnend für uns, unsere Generation und die Ästhetik unserer Zeit ist. Er ist also ein Objekt, das natürlich eine Funktion innehat, aber genauso einen hohen skulpturalen Charakter aufweist.

Beide Objekte spiegeln unser Denken und unseren Anspruch an Design wider. Jedes auf seine Art und Weise.

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„Schulz“ von Objekte unserer Tage

Warum heißen die Entwürfe „Becker“, „Fischer“, „Hoffmann“ usw.?

Wir haben uns lange Gedanken zu unserem Naming gemacht. Gängig ist, den Produkten systematische Namen zu geben, die ein Produkt auf eine Zahl oder einen Buchstaben reduzieren. Das ist typisch Deutsch, in unseren Augen aber eine sehr kühle, unromantische, da sehr analytische Art mit Produkten umzugehen, vor allem dann, wenn sich ein emotionaler Bezug ergeben soll.

Unsere Objekte haben wir dann nach den häufigsten deutschen Familiennamen benannt. Müller, Meyer, Schmidt sind Namen, die jedem geläufig sind und in der Regel sogar schon emotional verknüpft werden, wie zum Beispiel mit einem alten Klassenkameraden oder einem Nachbarn. Es kann sogar der eigene Name sein. Die Objekte erhalten mit dem Namen eine Persönlichkeit und einen Bezug zu ihrer Herkunft. Das ist eine schöne Kombination.

Objekte unserer Tage
„Fischer“ von Objekte unserer Tage


Wieso habt ihr euch von Anfang an für den Vertrieb über den eigenen Onlineshop entschieden?

Unsere Generation ist die erste, die mit der Digitalisierung aufgewachsen ist. Wir sind die Brückengeneration, die sich sowohl für Analoges, als auch Digitales begeistern kann und keine Berührungsängste hat. Wir sind also die idealen Vermittler dieser zwei Welten und können viel zur Sensibilisierung gegenüber dem „Kaufen im Web“ beitragen. Die Zukunft liegt klar in diesem Bereich und wir möchten dort verfügbar sein, wo sich unsere Kunden aufhalten.

Objekte unserer Tage
„Schneider“ von Objekte unserer Tage

Wie stark lasst ihr euch von Möbel- und Farbtrends beeinflussen? Die Pantonefarben 2016 sind ja z.B. Hellblau und Rosa. Welche Rolle spielt das für euch?

Da haben wir eine ambivalente Position. Unsere Branche ist sehr darauf ausgerichtet, permanent vermeintliche Innovationen zu generieren. Trends im Interior-Bereich, sind ähnlich wie in der Mode, oftmals vielmehr Marketinginstrumente als reale, gesellschaftliche Strömungen oder Bedürfnisse.

Allein die Geschwindigkeit, in der diese „Trends“ produziert werden, spricht ihnen eine tatsächliche Relevanz ab. Man kann gut beobachten, dass sich viele Anbieter völlig auf diese künstliche Art der Trendbeschaffung verlassen. Entweder, weil die eigene Innovationskraft nicht ausreicht, oder, weil man Angst hat, die breite Masse als Käufer zu verlieren, die von den gleichen Mechanismen beeinflusst wird. Die Pantonefarben sind dafür ein gutes Beispiel.

Natürlich wird man als Designer immer von seinem Umfeld beeinflusst. Design fungiert im Idealfall als gesellschaftlicher Seismograph und inkarniert, was sonst nicht greifbar wäre. Ich werde von allem inspiriert was mich umgibt. Das können Menschen, die Natur, Arbeiten anderer Designer oder Künstler, Farben, Muster und vieles mehr sein.
Um es auf den Punkt zu bringen: Vermeintliche, diktierte Trends sind für uns nicht erstrebenswert. Objekte unserer Tage setzt lieber selbst Trends.

Gerade fand in Mailand wieder die Möbelmesse statt. Gibt es Designer oder Labels, die ihr richtig gut findet und die wir neben OUT unbedingt auf dem Schirm haben sollten?

Niemand schafft es Stoffe so sinnlich und charmant zu präsentieren, wie unser Partner Kvadrat, von dem wir unsere Stoffe beziehen. Dieses Jahr präsentieren sie sich in Mailand mit einer Installation von Neri & Hu, die sich vom russischen Maler Kazimir Malevich  inspirieren ließen.

Egal ob im Kontext der Salone del Mobile, oder in ihren diversen Showrooms: Kvadrat präsentiert sich immer stilvoll elegant und kreativ durchdacht. Von daher ist Kvadrat unser permanenter Geheimtipp.

Objekte unserer Tage
Objekte unserer Tage


Was wird der nächste große Trend in Sachen Wohnen und in welchen Bereichen werden wir uns in Zukunft am meisten aufhalten?

Ich hoffe auf eine Art „Slowfood-Bewegung“ der Möbelbranche. Immer mehr Menschen fühlen sich nicht mehr wohl mit Objekten, die zwar eine oberflächliche Schönheit besitzen, aber im Kern keine vertretbaren Produkte sind. Ein Objekt kann nie ohne seine Herstellung betrachtet werden. Dieses Bedürfnis hat sich schon in vielen anderen Branchen offenbart und ist nun im Interior-Bereich angekommen.

Damit verbunden glauben wir an das Bedürfnis nach einem gemütlichen Zuhause, das Sicherheit und Beständigkeit bietet. Die Geschwindigkeit, in der sich vieles verändert und entwickelt, führt dazu, dass die Sehnsucht nach einem Kleinod der Sicherheit und Sorglosigkeit entsteht. Das Familiäre und Gemütliche kommt zurück. Das Zuhause in seiner Gesamtheit ist also der Ort der Zukunft.

Vielen Dank für deine Zeit, lieber Anton!

Mehr Bilder seht ihr in der Galerie:

(Fotos: Objekte unserer Tage)

Von Alexa

Ich liebe schreiben, bloggen und schöne Dinge zu entwerfen, also mache ich all das.

Als Journalistin habe ich für Magazine und Zeitungen wie Business Punk, Fräulein, Gala, FTD/how to spend it, Instyle, Lufthansa Magazin, Stern, Tagesspiegel, Vanity Fair und zitty gearbeitet. Meine Online-Erfahrungen habe ich u.a. Stylebook und styleproofed gesammelt. Mein Blog heißt Alexa Peng, mein Schmuck-Label vonhey. Ich komme aus dem Rheinland und bin in einem Dorf am Waldesrand aufgewachsen, wo nur einmal in der Stunde ein Bus fuhr. Da muss man sich was einfallen lassen, um sich nicht zu langweilen. Meine Tante hatte in der Stadt eine Boutique und einen Schrank voller Kleider, Schuhe und Taschen, mit denen wir Kinder verkleiden spielen durften. Wir haben Modenschauen im Hobbykeller veranstaltet und die ganze Nachbarschaft eingeladen. Dass ich mal was mit Mode machen würde, war also klar. Nach dem Abi habe ich an der AMD in Hamburg Mode-Journalismus studiert und später an der UdK in Berlin einen Master of Arts in Kulturjournalismus gemacht. In Zukunft will ich mein Label weiteraufbauen, die Welt sehen und gute Geschichten schreiben.

(Foto: Sandra Semburg)

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.