JOURgarderobe: Closet Diary mit Mira Wiesinger, Redakteurin bei „Icon“ / Welt am Sonntag

Im Winter sehnen wir uns nach Farbe! Wie gerufen, kommt da unser kunterbuntes Closet Diary

Genauso kunterbunt wie Mira Wiesingers Garderobe ist, so kunterbunt ist auch ihr Humor. Mit Witz, Wort und einem Augenzwinkern vermittelt sie uns schon seit 2008 bei der Welt ihr Wissen in Sachen Mode und Kultur. Gelernt hat sie das bei ihrem Studium an der Akademie Mode & Design und ist damit sozusagen eine Studienkommilitonin von mir 😉 Davor hat sie aber noch etwas „Ordentliches“ studiert, wie mein Vater sagen würde. Nordamerikastudien mit dem Schwerpunkt Literatur und Kultur.

Doch Mode war in ihrem Leben schon immer ein Thema: ob als Aushilfe in Shops, als Model oder Mitglied des Uniblogs. Ihr Herz schlägt für Worte, bunte Farben und freche Zitate.

Genug gequatscht, jetzt übergebe ich das Wort an meine Journalisten-Kollegin:

MONTAG

Es ist Montag und es ist grau. Meinem Gesicht sieht man es an. Meinem Outfit nicht. Und genau das ist der Trick, der die Menschen verwirrt, am meisten einen selbst. Fake it till you make it – immer eine gute Devise. Ein Kollege aus der Redaktion fragt kritisch: „Neuer Look?“. Mir ist bewusst, die bunte Kombination ist ein klassischer „Man Repeller“. Allerdings kenne ich keine Frau, die sich für Männer anzieht.

Ich liebe XL-Röcke in Kombination zu XL-Sweatshirts, fühle mich damit weiblich aber eben nicht sexy (obwohl ich eine Netzstrumpfhose trage!). Nichts ist schlimmer, als so auszusehen, als hätte man sich viel Mühe gegeben am Morgen. „Effortless“, nennen das Profis wie Inès de la Fressange, Caroline de Maigret oder Alexa Chung. Sie sind in Sachen Stil durchaus alle ein Vorbild für mich. Genau wie das Wetter verläuft auch der heutige Arbeitstag recht eintönig.

Am Abend, wie jeden Montag, fahre ich zum Yoga und tausche den Look gegen Leggings, weiche Socken und ein gemütliches T-Shirt – insgeheim ist das mein absolutes Lieblingsoutfit. Und ich denke: Ein richtig schöner Tag war das. Ob das am Outfit oder am Yoga lag? Who cares!

Jacke: Gestuz (ähnlich hier), Pullover: Acne Studios (ähnlich hier), Rock: H&M Trend (ähnlich hier), Strumpfhose: Kunert, Schuhe: Acne Studios, Tasche: Saint Laurent, Kette: Susa Beck

DIENSTAG

Es ist Dienstag, ich hab den Schrank voller Kleider und absolut nichts anzuziehen. Regelmäßig kommen sie vor, diese Tage, an denen kein Outfit sitzt und kein Ensemble funktioniert. An solchen Tagen wähle ich mein „Lifesaver“-Kleid von Isabel Marant, das im Sommer (solo) wie im Winter (mit schwarzer Strumpfhose und irgendetwas drüber) funktioniert. Sein Leopardenprint lässt einen etwas verwegen erscheinen, dank seiner dunklen Schattierung springt es dem Gegenüber aber nicht angriffslustig ins Gesicht. Für dieses Kleid braucht es weder eine Figur noch aufregende Accessoires. Deshalb wähle ich alles in Schwarz.

Bei der Jacke tobe ich mich dafür etwas aus (Sie wissen schon, der Teenager in mir). Ich mag den Retro- und Ready-for-Action-Charme der Trainingsjacke, sie erinnert mich an meine Schulzeit, in der solche Jacken meine Uniform darstellten. Damit es nicht zu sportlich wirkt, pinne ich eine Chanel-Brosche über die Adidas-Krone. Eine Kollegin registriert es naserümpfend, ich finde Logo-Clash aber einfach spitze! „So bad, that it’s good again“, würde Marc Jacobs dazu sagen. Er ist ein kluger Mann. Mittags gehe ich wie so oft beim Japaner ein Gericht essen, das ich nicht aussprechen kann. Dafür nehme ich immer meine Brille ab, ich bin minimal weitsichtig und brauche sie nur am Computer. Stimmt wirklich!

Jacke: Adidas Originals, Kleid: Isabel Marant (ähnlich hier), Booties: Acne Studios (ähnlich hier), Tasche: Saint Laurent (ähnlich hier), Brille: Yun

MITTWOCH

Mittwoch ist eigentlich mein Homeoffice-Tag. Betonung liegt auf dem Wort eigentlich. Denn meistens bin ich überall, nur nicht Zuhause. So ist es auch an diesem Mittwoch. Zuerst fahre ich ins Soho House (Mitte) für ein Interview. Wie immer bin ich spät dran. Mein reizender Gesprächspartner nimmt es mir nicht übel, wir verplaudern uns und ich hetze weiter zu meinem nächsten Termin: Kaffee im „Westberlin“ (Kreuzberg) mit einer Modefotografin. Ist wieder derart nett, dass ich zu meiner nächsten Verabredung, Mittagessen bei einem kleinen Italiener (Schöneberg), zu spät komme (der Herr nimmt’s gelassen).

Von hier geht es weiter zu einem kleinen, geheimen kosmetischen Termin (Wilmersdorf), danach wird eine Jacke bei Acne Studios anprobiert (Schöneberg) und anschließend die Tochter beim Ballett abgeholt (wieder Wilmersdorf). Wir gehen zusammen Lebensmittel einkaufen. Puh. Stress und Straßenverkehr bekommen mir übrigens nicht, weshalb an meinem Autoschlüssel eine Appenzeller Kuh hängt (als halbe Schweizerin bringt sie mir offenbar Glück). Dabei sind auch immer mein Lippenstift (er lässt mich frischer aussehen) und ein Paar Kopfhörer (mit Musik ist alles besser). Außerdem trage ich fast immer flache Schuhe, um die Wege besser zu bewältigen. Reitstiefel von Chanel passen zu erstaunlich vielen Looks und signalisieren: Ich stehe auf eigenen Beinen! Jawohl!

Jacke: H&M (ähnlich hier), Pullover: Delicate Love (ähnlich hier), Rock: Demoiselle (ähnlich hier), Tasche: Chanel (ähnlich hier), Stiefel: Chanel (ähnlich hier), Lippenstift: Amazing Grace von Charlotte Tilbury

DONNERSTAG

Die Sonne scheint. Gut, dass ich am Computer sitze, es gibt keinen besseren Ort, um sich die Fingernägel zu lackieren. Donnerstags schreibe ich meine Kolumne „Findling“ für Die Welt. Ich bin etwas unter Zeitdruck, um 13:00 Uhr beginnt der Tag der offenen Tür einer Grundschule, die für meine Tochter in Frage kommt. Macht aber nichts, ich brauche Druck, dann klappt’s besser.

Etwas zu spät komme ich trotzdem, was auch an meinen Acne-Boots in Schlangenlederoptik liegt. Sie sind nicht gerade das Bequemste der Welt, doch, das soll Vivienne Westwood mal gesagt haben: „Fashion has nothing to do with comfort“. In der Schule wird es nicht besser, sie scheint endlos viele Stockwerke zu haben, ein paar Sechstklässler führen uns ohne erkennbares System durchs Gebäude – treppauf, treppab, treppauf – vielleicht um mich zu quälen. Ich fühle mich von ein paar kleinen Jungs verspottet, die auf meine Schuhe zeigen und kichern. Aber das kenne ich bereits aus dem Kindergarten, wo mein Schuhwerk regelmäßig für allgemeine Belustigung sorgt. Zuletzt, als ich mit sehr glatten Ledersohlen auf einer sehr wackeligen Spielplatzleiter eine ungewollte Akrobatik vollführte.

Ich beschließe mich nach dieser Anstrengung in einem veganen Café zu stärken (Gemüsecurry mit Mann) und fahre anschließend in die Redaktion, wo ich erfahre: kurzfristige Änderung, Anzeige reingekommen, Kolumne fällt diese Woche aus. Grrrr…nicht aufregen. Immer schön flexibel bleiben. Alter wird gemessen an der Beweglichkeit der Wirbelsäule. Das behauptet man zumindest im Yoga. Und genau da gehe ich nach der Arbeit hin. Endlich raus aus den Boots und rein in die Kaschmirsocken. Und schon wird aus einem Grrrr… ein Hmmm…

Wollmantel: Joseph (ähnlich hier), Longsleeve: Cotton Citizen, Jeans: Acne Studios (ähnlich hier), Boots: Acne Studios (ähnlich hier), Tasche: Chanel (ähnlich hier)

FREITAG

It’s Friday-yeay! Bei bestem Wetter mache ich mich auf gen Osten. Noch ist meine Laune bestens, Sonne scheint, ich bin mit zwei tollen Frauen zum Frühstück verabredet und ich mag mein Outfit. Dieser Rock mit seinen vielen bunten Planeten trägt natürlich dazu bei. Ich hatte zuvor meine Bedenken geäußert, hielt es für eine schlechte Idee, sich ausgerechnet in der Linienstraße zu treffen. Es gibt wahrscheinlich in ganz Berlin keine Straße, in der es schwieriger wäre, einen Parkplatz finden. Aber die Black Isle Bakery, damit werde ich gelockt, müsse man unbedingt mal ausprobieren. Und überhaupt, um diese Zeit (9:30 Uhr) wäre es da völlig okay mit den Parkplätzen. Stimmt aber nicht.

Um 10:00 Uhr, nach etlichen Schleifen und Rangeleien, rufe ich den Tränen nah eine der beiden an und will gerade absagen, als sich doch noch eine Lücke auftut. Nervlich vollkommen derangiert und viel zu spät komme ich in dem Café an, trinke einen Cappuccino und esse das Gebäck, das auf dem Tisch steht. Hauptsache Zucker! Man lässt mich ausgiebig von meiner „Odyssee“ erzählen, tröstet mich und verspricht mir, dass ich nie wieder in die Linienstraße kommen muss (ich sag doch, tolle Frauen). Von hier aus geht es in die Redaktion und am Nachmittag in die Sporthalle, wo ich meiner Tochter beim Turnen zu- und ich mich im Geräteraum heimlich nach einem alten Medizinball umsehe. Er würde doch so wahnsinnig gut in unsere Wohnung passen! Und ich habe eben eine Schwäche für gute Accessoires.

Pullover: H&M (ähnlich hier), Rock: Isabel Marant (ähnlich hier), Lackstiefel: Vintage (ähnlich hier), Tasche: Céline (ähnlich hier)

SAMSTAG

Immer wieder samstags versuche ich meiner Familie einen Besuch im KaDeWe als interessanten Ausflug zu verkaufen. Manchmal habe ich damit Erfolg. So wie an diesem Samstag. Wir nehmen auch die Oma mit. Das funktioniert fabelhaft, denn für jeden gibt es entsprechende Abteilungen und am Ende trifft man sich wieder in der Lebensmitteletage, unser gemeinsamer Nenner sozusagen.

Ich möchte mir ein Paar Vans kaufen, das will ich übrigens schon lang, doch das Vorhaben scheint verflucht zu sein – in Größe 39 sind sie immerzu und überall ausverkauft. Ich suche Trost bei Chanel, so wie es Holly Golightly bei Tiffany tat. In der Steiff-Abteilung – wo sonst? – finde ich schließlich meine Familie wieder.

Was in meiner Tüte drin ist? Eine Unvernunft natürlich! „Lieber verrückt als bucklig“ sagt mein Mann bei solchen Gelegenheiten. Diesen Satz hat er von seiner Oma. Wir entscheiden uns gegen einen Snack im Kaufhaus und fahren nach Hause, wo ich einen fabelhaften Aperitif vorbereite. Das kann ich wirklich gut. Es ist für mich die schönste Stunde der Woche: „Meine Definition von Glück? Keine Termine und leicht einen sitzen.“ Das hat Harald Juhnke mal gesagt. Ich muss ihm Recht geben.

Mantel: H&M (ähnlich hier), Top und Hose: Lala Berlin (ähnlich hier oder hier), Schuhe: Converse, Tasche: Céline (ähnlich hier)

SONNTAG

Es ist Sonntag und ich habe frei. Das ist nicht selbstverständlich für Menschen, die bei Zeitungen arbeiten. Deshalb genieße ich es umso mehr. Der Tag beginnt mit Sonne und mit Pfannkuchen (perfekt). Danach gehen wir eine Runde über den Flohmarkt (ich kaufe zur Abwechslung nichts). An meiner alten Levi’s Trucker Jacket heften auch schon genug Pins. Die meisten sind Souvenirs aus Frankreich – sie zu sammeln scheint einmal ein verbreitetes Hobby unter Franzosen gewesen zu sein. Man findet sie dort überall auf Flohmärkten. Dazwischen versteckt sich eine Avocado-Brosche (es war ein Kunststück sie zu ergattern) sowie ein Button von Chanel.

Sowieso, ich mag nicht nur Label-Clash sondern auch den aus High und Low, aus Steetwear und Designerkleidung. Beides schwächt und bekräftigt sich gegenseitig (ich weiß, klingt paradox, aber genauso ist es gemeint) und macht es schwer, dich in eine Schublade zu stecken. Außerdem macht es ganz einfach Spaß. Ein von der Tochter selbst gemachtes Armband zum Diamantring? Ein spießiges Seidentüchlein zu abgewetztem Denim?  Was könnte besser sein?! Das hier zum Beispiel: Eis essen und auf eine Wiese legen, auf der gerade ein Fotoshooting vonstattengeht. Meine Tochter ist fasziniert, mein Mann und ich amüsiert. Ist wie Fernsehen unter freiem Himmel. Nur besser.

Jacke: Levi’s, T-Shirt: 6397 (ähnlich hier), Rock: H&M (ähnlich hier), Tasche: Chanel (ähnlich hier), Schuhe: Acne Studios (ähnlich hier), Ketten: Malaikaraiss

Von Marie

Der erste Satz, wenn mich Leute kennenlernen ist: „Das ist aber selten.“ Ja, ich bin ein seltenes Exemplar: Berliner Eltern, Berliner Blut, Berliner Göre. Tatsächlich bin ich so sehr mit der Hauptstadt verbunden, dass ich meinem Kiez in Schöneberg seit über 20 Jahren die Treue halte und noch nie von hier weggezogen bin – und auch nicht dran denke. Und obwohl wir Schöneberger zwar sehr viel von Bio-Supermärkten und esoterischen Edelsteinläden halten, gibt es hier auch das ganz große Mode-Paradies: das KaDeWe. Der Tempel des Shoppings und der Ersatzkindergarten für meine Eltern, sozusagen das Småland bei Ikea für mich (andere Kinder haben dort ihren ersten Wutanfall, ich schmiss mich in voller Rage im Atrium des KaDeWe auf den Boden und weigerte mich zu gehen). Kein Wunder also, dass Mode und ich nie wirklich Berührungsängste hatten.

Spätestens seit der Oberstufe, in der ich – dank Blair Waldorfs Inspiration aus Gossip Girl (ja, das war meine Serie zusammen mit Gilmore Girls) – die Schule nie ohne Haarreif, Fascinator oder eine gemusterte Strumpfhose betrat, hatte auch mein Umfeld begriffen: Marie macht was mit Mode. Und weil ich damit in meinem katholischen "Elite-Gymnasium" so ziemlich die Einzige war, suchte ich meine Verbündeten 2011 woanders: im Internet. Auf meinem Blog Style by Marie. Und so begann meine modische Laufbahn.

Noch mehr Gleichgesinnte und vor allem Freunde fand ich auf der Akademie für Mode & Design in Berlin, bei der ich 2013 meine Ausbildung in Modejournalismus und Medienkommunikation startete. Was für mich seit der 1. Klasse klar war, nämlich das Schreiben mein Ding ist, wurde jetzt zu meinem Beruf: Journalistin. (Denn ja Oma, es gibt noch etwas anderes als Modedesignerin). Dank meines Blogs und einem Praktikum bei der Harper’s Bazaar Germany in der Online-Redaktion blieb ich auch dem Internet und dem Online-Journalismus treu. Und ratet mal, wo ich jetzt bin: Genau, bei Journelles, dem Blogazine, was alle meine Leidenschaften verbindet: Bloggen, Schreiben, online sein – zusammen mit euch!

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19 Antworten auf „JOURgarderobe: Closet Diary mit Mira Wiesinger, Redakteurin bei „Icon“ / Welt am Sonntag“

Yesss, ich liebe den ICONIST!!!!! Gäbe es die Möglichkeit, nur diesen Teil der Welt/WamS zu abonnieren, ich hätte es schon längst getan. Super Magazin mit Content- wie ich dieses Wort hasse…..- welches tatsächlich noch etwas mit Journalismus zu tun hat.
Super für die unterhaltsame Lesepause zwischendurch!! Unbedingt so weitermachen.
Diary ist ebenfalls sehr unterhaltsam. Und nicht 0815.

Ohhh der Dienstags Look ist super!!! Schade, dass es das Marant Kleid nicht mehr gibt!
Und welche Tasche ist es geworden??

Ein fabelhaftes Closet- Diary!
Nicht nur an den Bildern hängen geblieben, auch regelrecht die Zeilen verschlungen.
Mädels, ihr seid großartig.

Tolle Frau, inspirierende Looks und ansprechender Text. Für mich eines der besten Closet Diaries ever.
Sorgfältig ausgesuchte Key Pieces kombiniert mit einer Portion Selbstironie. Mega!

Ich plädiere hier für ein Monats-Diary – bitte mehr von diesen interessanten Outfits und mehr von den tollen Texten:-)!

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.