Jetzt schnell umstellen: Von der stationären Boutique zum Onlineshop mit Tina Mia Weidmann

Noch nie war es so wichtig, einen eigenen Onlineshop zu haben

Du musst in Zeiten von Corona schnell einen eigenen Onlineshop eröffnen und weißt nicht, wie und wo du anfangen sollst? Wir haben dazu einen echten Profi befragt und mit Tina Mia Weidmann über den Aufbau ihres eigenen eCommerce Witchlandia gesprochen – von der Idee über die Hürden bis hin zur finalen Umsetzung. Ihr Fokus: Esoterik und Spiritualität. Mit indischen Räucherstäbchen, Kristallen, ätherischen Ölen und sogenannten „Smudge Sticks“ – getrocknete Kräuter, die dazu dienen, Räume von alten, unerwünschten Energie zu säubern – bringt Tina den Zauber althergebrachter Rituale und Traditionen in unseren Alltag.

Sie selbst hat viele Jahre im Online-Marketing gearbeitet, bevor sie ihr Herzensprojekt Witchlandia im September 2019 lancierte. Wie wichtig eine digitale Strategie für Unternehmen ist, das zeigt uns die Corona-Krise. Ohne technisches Know-how kann das allerdings ein schwieriges Unterfangen sein. Doch Tina möchte euch Mut machen und ihre jahrelange eCommerce-Erfahrung nutzen, um euch zu zeigen, dass es auch einfach geht. Sie nahm das Problem beim Schopf und erstellte sogleich einen praktischen Online-Guide. Dieser umreißt, wie stationäre Boutiquen den Sprung zum Digitalunternehmen schaffen. Klingt gut? Fanden wir auch! Deshalb haben wir uns das Ganze mal genauer angeschaut und sie nach einem Shortcut für den erfolgreichen Online-Auftritt gefragt.

Hallo Tina! Aus deinem Hobby hat sich mittlerweile ein Business entwickelt. Wie kam es zu deinem Shop und hattest du Hilfe bei der Gestaltung?

Ich brenne für eCommerce und glaube, dass die Möglichkeiten dieses Mediums heute völlig missverstanden werden. Ich wollte unbedingt einen Onlineshop aufziehen, der Persönlichkeit und Humor hat und Kunden mehr gibt als eine Transaktion. Dafür war meine Leidenschaft für Mystik das perfekte Thema!

Aus einem puren Drang nach der Selbstverwirklichung habe ich bei der Gestaltung von Witchlandia einfach alles alleine gemacht. Dabei habe ich auch schwachsinnige Sachen umgesetzt, wie Tarotkarten als Visitenkarten. Aber mir geht es wirklich eher darum, Spaß mit dem Ganzen zu haben.

Erzähl doch mal, was für Produkte du überhaupt anbietest. Und wie kontrollierst du, dass diese nachhaltig und fair gehandelt sind?

Oh ja, da habe ich auch eine steile Lernkurve hingelegt. Relativ naiv bin ich in das Thema eingestiegen und bin dann schnell an meinem eigenen Qualitätsanspruch gescheitert. Heute arbeite ich mit richtig tollen Menschen zusammen, denen Nachhaltigkeit am Herzen liegt. Kontrollierte Kristalle von Partnern des Fair Trade Minerals Vereins, Räucherwerk von einem Händler der vor Ort mit den Ureinwohnern Amerikas zusammenarbeitet und handgerollte Bio-Räucherstäbchen aus London.

Natürlich bleibt weniger Marge übrig, aber ich sehe meinen Idealismus als Chance. Denn es gibt leider kaum Unternehmen, die es so genau nehmen, obwohl die Konsumenten sich das ausdrücklich wünschen. 

Kosten und Umsatz sind für Unternehmer die wichtigsten Themen während der Corona-Krise. Viele steigen auf deshalb auf digitalen Handel um. Welche Tipps hast du für die Eröffnung eines Onlineshops?

Einfach mal machen! Als ich gemerkt habe, dass in meinem Umfeld einige Läden jetzt möglich schnell online gehen wollen, um ihre wegbrechenden Umsätze zu sichern, habe ich mich an einen kleinen Guide für das Digitalisieren einer Boutique gesetzt. Darin zeige ich in wenigen Schritten auf, was wirklich essentiell ist um online zu verkaufen: Ein Shop-System, eine Online-Zahlungsmethode, ein Versanddienstleister und eine mehr oder weniger professionelle Fotoproduktion

Die allergrößte Hürde habt ihr als Ladenbesitzer*innen bereits genommen, denn ihr habt bereits einen Kundenstamm, der nur darauf wartet, dass ihr online geht. Über Instagram lässt sich so ein Shop heute flexibel vermarkten, auch wenn man kein Online-Experte ist. Und wenn man sich nicht in visuellen Feinheiten verliert, dann braucht man nicht mal einen Programmierer, um mit dem eigenen Shop live zu gehen. 

Welche juristischen Fallstricke gibt es zu beachten?

Hier würde ich tatsächlich eher zu ein bisschen mehr Angstfreiheit raten. Wellen von Abmahnungen kommen langsam aber sicher aus der Mode. Das deutsche Justizsystem hat erkannt, wie diese ursprünglich gut gemeinte Vereinfachung ad absurdum geführt wurde.

Wie waren deine ersten Erfahrungen mit deinem Onlineshop nach deinem Launch?

Der schönste Shop bringt natürlich nichts, wenn niemand dich findet. Und ich habe wirklich bei Null angefangen: 0 Instagram-Follower, 0 Backlinks, 0 Markenbekanntheit. Instagram war dann aber instrumental, um Reichweite zu bekommen. Nicht nur bei Kunden, sondern auch bei der Presse. Nach etwa zwei Monaten kam das ganze ins Rollen und ich kann jetzt auch ein kleines Werbebudget investieren, um auf meine Seite aufmerksam zu machen.

Gab es Momente, in denen du aufgeben wolltest?

Ich stecke noch in meinem ersten Geschäftsjahr und hatte diesen Gedanken tatsächlich noch nicht. Momentan ist es ein bisschen wie verliebt sein, kein Ende in Sicht. Schön, oder?

Finde eine Nische, an der du Freude hast und fülle sie mit Persönlichkeit und Authentizität.

Was sind deiner Meinung nach Faktoren für den Erfolg eines Onlineshops?

Persönlich glaube ich nicht an die sterilen, optimierten Onlineshops, die sich im Mainstream durchgesetzt haben. Ich frage mich, wann die Menschen genug von dieser Art des Shopping haben werden. Finde eine Nische, an der du Freude hast und fülle sie mit Persönlichkeit und Authentizität. Habe eine Vision, vom Produkt bis zur Präsentation. Und schaffe einen Mehrwert für deinen Kunden. Der Rest kam in meinem Fall fast von allein und es hat sich richtig gut angefühlt, dass ich meinen Prinzipien treu geblieben bin.

Wie haben deine Kunden bisher auf den Guide reagiert? Welches Feedback hast du bekommen?

Momentan herrscht sehr viel Unsicherheit und es kursieren zu viele Meinungen zum Umgang mit der Krise. Der Druck auf Unternehmer*innen ist gerade riesig und von allen Seiten kommen gut gemeinte Ratschläge. Manche wittern jetzt sogar ihre Chance, Vorteile aus der Notlage anderer Unternehmen zu schlagen. Ich wollte mit meinem Guide ein bisschen Mut machen und zeigen, dass es keine Hexenwerk ist, online zu gehen.

Das positive Feedback darauf hat mir mal wieder gezeigt, wie toll die Community von Unternehmerinnen in Deutschland ist und wie wertvoll ehrlicher Austausch ist, nicht nur fürs Geschäft sondern auch für die Seele.

Was ich Ladenbesitzer*innen wirklich ans Herz legen möchte: You’ve got this! Wir als Onlinehändler haben uns doch ursprünglich alles von euch abgeschaut. Unsere Startseite ist euer Schaufenster, unsere Webadresse eure Ladentür, unser Checkout eure Kassentheke. 

Und wie wirkt sich die Corona-Krise aktuell auf dein Unternehmen aus? Welche Veränderungen kannst du während der Krise beobachten?

Auch hier stand ich mir erstmal mehr selbst im Weg, als die Krise mir im Weg stand. Ich habe mich von viel ökonomischen Unmut in meinem Umfeld zermürben lassen, aber schnell gemerkt: Ich habe es bei weitem nicht so schlecht wie die Kulturschaffenden, die Restaurant- und Ladenbesitzer. Also möchte ich mich auch nicht beschweren. Die Unsicherheit ist nur im Kopf, denn der Onlinehandel läuft für mich genauso weiter wie zuvor. Und für ein wirklich gutes Produkt wird es meiner Meinung nach immer Abnehmer finden, auch in Zeiten einer Krise. 

Welche Möglichkeiten nutzt du, um Kunden auch in Krisenzeiten an deinen Shop zu binden?

Ich musste meine Vertriebsstrategie ein bisschen anpassen und arbeite gerade folgendes Modell aus, das auch für andere Branchen adaptierbar ist: Auf ein verlässliches Basissortiment, im Fachjargon NOS (Never out of stock) genannt, treffen monatliche “Drops” mit limitierten Einzelstücken, die Schnelligkeit auf Seite des Kunden abverlangen, um an die beliebtesten Teile zu kommen. So gebe ich dem Kunden was er möchte und steigere gleichzeitig meine Relevanz. Außerdem haben Kunden einen guten Grund, regelmäßig vorbeizuschauen.

Ich wollte mit meinem Guide ein bisschen Mut machen und zeigen, dass es keine Hexenwerk ist, online zu gehen.

Wie sieht deiner Meinung nach die Zukunft des Online-Shoppings aus?

Social Media zeigt uns: Wir wünschen uns mehr Authentizität! Alle sprechen von Big Data – solche Datensätze, mit denen sich Kundenverhalten und Kaufverhalten überwachen, optimieren und automatisieren lässt, haben wir Kleinunternehmer nicht. Aber: Wir können von Instagram lernen, große Accounts durchforsten und uns abgucken, was Menschen bewegt und interessiert. Das waren mal schöne Bilder und farblich abgestimmte Feeds, aber die Menschen langweilen sich mittlerweile ob so viel Perfektion. Das bedeutet auch für Onlineshops, dass wir mehr Echtheit zeigen sollten. Am Ende des Tages möchten wir uns alle wie Menschen fühlen, eine unserer ganz großen Herausforderungen in Zeiten der Digitalisierung.

Und hast du schon konkrete Pläne für dein Business?

So viele Pläne! Ich sollte mal mein Orakel befragen, was als nächstes ansteht, ich weiß es schon gar nicht mehr. Am meisten freue ich mich auf eine kommende Kollaboration mit der bezaubernden Lori Haberkorn, die ja auch keine Unbekannte auf Journelles ist. Und auf ein tolles Buchprojekt, das gerade in den Kinderschuhen steckt.

Eine Vorschau von Tinas Guide:

Den ausführlichen Leitfaden mit allen Tipps und Tricks für die Eröffnung eures Onlineshops könnt ihr euch hier herunterladen.

Vielen lieben Dank für das Interview, liebe Tina!

Kommentare (4) anzeigen

4 Antworten auf „Jetzt schnell umstellen: Von der stationären Boutique zum Onlineshop mit Tina Mia Weidmann“

Ich finde Shopify und Squarespace eher kompliziert! Ich finde um auf die Schnelle einen schönen Online Shop zu erstellen, reicht auch ein Baukastensystem – habe meinen Shop auch easy per Drag and Drop in einer halben Stunde aufgestellt. GoDaddy oder Jimdo sind da ganz gut! Eine Domain sollte man sich auch sichern, dann ist es rund um gelungen 🙂

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.