Vielleicht erinnert ihr euch noch an die Themenwoche „Mode-Mythen“? Damals wollten wir herausfinden, wie es um öko- und sozialverträgliche Mode bestellt ist. Inzwischen gibt es immer mehr Marken, die beweisen, dass sich gutes Design und eine „Bio“-Auszeichnung längst nicht mehr ausschließen. Zu dieser neuen Generation der Öko-Labels bzw. Onlineshops zählt Folkdays. Die Gründerin Lisa Jaspers ist von der Idee fair gehandelter Mode und Accessoires so überzeugt, dass sie dafür sogar ihren Job als Unternehmsberaterin an den Nagel hing. Mehr über die Philosophie der 32-Jährigen und die neue Folkdays Sommer-Kollektion erfahrt ihr im Interview:
Liebe Lisa, danke für deine Zeit. Erklär‘ doch bitte einmal kurz, welche Art von Produkten ich auf Folkdays finden kann?
Auf Folkdays sollte man gehen, wenn man Produkte liebt, die – wie wir es manchmal nennen – „eine Seele haben“. Denn jedes einzelne Teil, was man bei uns findet, ist von Hand hergestellt, von einem Menschen der am anderen Ende der Welt lebt und dessen Motivation es ist, die eignen Fähigkeiten zu nutzen um etwas Schönes und Einzigartiges zu erschaffen. Somit steht hinter jedem Produkt ein Mensch und eine Story. Diese Stories wollen wir auf folkdays.com vermitteln um deutlich zu machen, dass es bei uns nicht nur um stumpfen Konsum geht, sondern jedes Produkt, das man bei uns kauft irgendwie eine Beziehung zu dem Menschen aufbaut, der hinter diesem Produkt steht.
Sprich: Wie unterscheidet sich das Angebot von Folkdays von anderen Onlineshops?
Im Vergleich zu anderen Onlineshops ist unser Angebot sehr ausgewählt: Der Anspruch bei der Entwicklung der Produkte ist immer der, dass wir jedes Produkte auch selbst kaufen würden. Dadurch bieten wir nicht unendlich viele Dinge an, aber hochwertige Einzelstücke, hinter denen wir stehen und die aus unserer Sicht ganz besonders sind, Dabei legen wir nicht nur sehr viel Wert auf ein zeitloses Design, sondern auch auf die Materialien, wie Kaschmir, Seide und Alpaka, die wir für unsere Accessoires und Kleidung verwenden. Die meisten der Materialien und ihre Verarbeitungstechniken haben eine lange Geschichte in den jeweiligen Regionen. Unsere Kaschmirschals zum Beispiel werden im indischen Teil der Region Kaschmir handgewebt, unsere Seide wiederum kommt aus der Takeo Provinz in Kambodscha, dort wo das Herz der jahrhundertealten Seidenmanufakturen schlägt.
Du hast zusammen mit Heidi Winge Strom gegründet. Wie habt ihr beiden euch kennengelernt?
Heidi und ich haben uns vor über zehn Jahren in Paris in einem Französischkurs kennengelernt. Wir saßen zufällig nebeneinander und fanden uns auf Anhieb super. Was übrigens nicht besonders gut für unser Französisch war…
Was verbindet euch?
Uns verbindet die Liebe zu schönen Dinge und der Wunsch etwas verändern zu wollen. Mit Folkdays haben wir den Versuch gewagt, beides zu vereinen.
Wie teilt ihr die Arbeit bei Folkdays untereinander auf, wer macht was, wer kann was besonders gut?
Eine richtige strenge Aufteilung gibt es bei uns nicht. Wir haben vor über einem Jahr gemeinsam die Idee zu Folkdays entwickelt und den Onlineshop aufgebaut. Mittlerweile hat Heidi aber eine kleine Tochter bekommen und musste daher ein bisschen zurückschrauben. Da der Hauptsitz in Berlin ist und Heidi in Paris lebt, bin ich mittlerweile für das Operative bei Folkdays verantwortlich und leite als Geschäftsführerin gemeinsam mit meinem kleinen, aber feinen Team die alltäglichen Aufgaben in Berlin. Heidi ist jedoch immer noch bei den Designprozessen und der Produktauswahl stark involviert.
„Fair gehandelt“: Was bedeutet das in Zusammenhang mit euren Produkten?
Hmm, dass ist eine sehr gute Frage. Ich hatte letztens eine lange Diskussion mit einem Freund darüber, was eigentlich „fair“ bedeutet. Da gibt es natürliche unzählige philosophische Ansätze, die ich euch an dieser Stelle ersparen will. „Fair“ ist für uns ein Überbegriff, der für die Art und Weise steht, mit der wir unsere geschäftlichen Beziehungen führen, egal ob mit unseren Kunden, mit unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen oder unseren Produzenten und den kleinen Manufakturen vor Ort.
Wir möchten auf Augenhöhe mit den Menschen agieren, völlig wertfrei. Unser Antrieb ist es, ein Business zu schaffen, in dem jeder Beteiligte involviert ist und tatsächlich davon profitiert. Natürlich spielen dabei faire Löhne für unsere Produzenten eine entscheidende Rolle.
Wichtig ist jedoch auch, wie wir allgemein mit ihnen zusammenarbeiten. Einigen zahlen wir auch einen Teil der Produktionskosten, bevor sie überhaupt anfangen, für uns zu produzieren. Wenn z.B. der Einkauf des Materials ein zu großes finanzielles Risiko für sie bedeutet, übernehmen wir die Verantwortung. Bei anderen Produzenten, die professioneller aufgestellt sind, ist das nicht nötig.
Man merkt also, das Fairtrade mehr bedeutet, als nur der finanzielle Hintergrund. Vielmehr geht es um gegenseitigen Respekt und solidarische Lösungen bei wirtschaftlichen Produktionsabläufen. Auch wenn ich selbst nicht so viel von Labels halte, sind Organisation wie die World Fair Trade Organisation und die International Labor Organisation inhaltlich eine wichtige Referenz für uns.
Was unterscheidet die modernen Fair Fashion Labels von den Vorreitern?
Ich persönlich finde viele der alteingesessenen Labels zu „öko“ und auch im Design nicht zeitgemäß und innovativ. Oft wurde auch in der Vergangenheit nicht genug Wert auf hochwertige Materialien gelegt. Das versuchen wir und einige anderen jüngere Fair Fashion Labels zu verändern. Leider ist jedoch nicht einfach ein bestimmtes Bild von Fairtrade-Fashion aus dem Kopf der Leute zu bekommen. Die meisten die Fair Trade hören denken: „Oh, also nicht schön!“ Oder: „Oh, Eine-Welt-Laden-Style.“ Und das hat eben nichts mit dem Design von Folkdays zu tun.
Habt ihr die Länder eigentlich wirklich alle selbst bereist, aus denen die Produkte stammen?
Den Großteil der Länder haben wir selbst bereist, ja. Einige Produzenten habe ich auf Fair Trade Messen oder ähnlichen Veranstaltungen kennengelernt. Das ist immer sehr bereichernd, da man dort auf viele „like-minded“ Menschen trifft. Und dafür sind dann auch Siegel, wie das der World Fair Trade Organization (WFTO) ganz praktisch, denn das garantiert uns, dass die Arbeitsstandards regelmäßig kontrolliert werden. Mittelfristiges Ziel ist es aber, dass wir alle Produzenten vor Ort besuchen.
Wer oder was sind die „Folkdays Artisans“?
Das sind die Menschen hinter unseren Produkten, das Herz von Folkdays. Viele Stammen aus Familien, die sich seit Generationen mit einem ausgewählten Kunsthandwerk beschäftigen oder andere arbeiten in kleinen Manufakturen und sind Meister ihres Fachs.
Welcher Hersteller liegt euch besonders am Herzen und was ist die Geschichte dahinter?
Alle liegen mir am Herzen. Es fällt mir sehr schwer, da einen hervorzuheben. Aber natürlich haben mich manche Menschen ganz besonders beeindruckt. So zum Bespiel Vanntha, die in Kambodscha ein Sozialunternehmen aufgebaut hat das „Color Silk“ heißt. Vanntha ist ungefähr in meinem Alter. Nach ihrem Studium stand sie vor der Wahl, wie die meistens ihrer Kommilitonen zu einer Bank oder einem Internationalen Unternehmen zu gehen um gutes Geld zu verdienen. Sie hat sich damals dagegen entschieden, weil sie meinte, dass sie unbedingt etwas verändern wollte.
Kambodscha ist nach wie vor, eines der ärmsten Länder der Welt mit einer extrem brutalen Geschichte und vielen traumatisierten Menschen. Vanntha arbeitet heute mit mehr als 400 Weberinnen in der Takeo Provinz zusammen, die Seide für sie weben. Die meisten arbeiten von Zuhause, um sich nebenbei noch um die Reisfelder und die Familie kümmern zu können.
Durch „Color Silk“ haben vielen von diesen Frauen mittlerweile ein zusätzliches Einkommen, das weit über dem Kambodschanischen Durchschnitt liegt. Aus unserer aktuellen Kollektion wird z.B. der Kimono und ein Kleid sowie ein wunderschöner Ikat-Schals von den Damen aus Kambodscha produziert.
Wie gelingt es, dass sich modernes Design und jahrhundertealte Handwerkstradition ergänzen? In inwieweit seid ihr am Design-Prozess beteiligt?
Der Designprozess hat sich nach und nach verändert. Am Anfang ging es uns in erster Linie darum Produkte zu finden, die man kaum verändern muss, weil sie so wie sie sind, schon perfekt sind. Schnell ist uns aber bewusst geworden, dass unsere Produzenten selbst ein großes Interesse daran haben einen Input bei den Designs von uns zu bekommen, da wir den europäischen Markt einfach viel besser kennen als sie. Dadurch ist eine „Design-Fusion“ entstanden. Wir gehen vom dem aus, was unser Artisan zu bieten hat und überlegen uns, wie man ein bestimmtes Material oder eine spezielle Verarbeitungstechnik gut in ein Design übersetzten kann, die gerade den Trends in Deutschland und dem Rest der Welt nahe kommt. Im Prinzip interpretieren wir somit Muster und Formen traditioneller Verarbeitungen neu und bewahren jedoch den Kern – oder wie gesagt – die Seele ihrer Herkunft.
Der Sitz von Folkdays ist in Berlin, die Lieferanten kommen aus der ganzen Welt: Wie gelingt da ein reibungsloser Ablauf, was Herstellung und Lieferzeiten betrifft? Wie kommuniziert ihr mit euren Produzenten, wenn die keinen Internet-Zugang oder ein Fax haben? Gibt es dazu vielleicht eine lustige Anekdote?
Ach, Anekdoten gibt es viele! Wenn unsere Produzenten selbst kein Internet haben, arbeiten wir häufig mit Menschen vor Ort zusammen, die uns dabei helfen, mit den Herstellern zu kommunizieren und ihnen auch beim Versand zu helfen. Ein Produzent hat z.B. mal ein Paket, das für Berlin bestimmt war, in die USA geschickt. Aber eigentlich bin ich immer wieder überrascht, wie reibungslos die Zusammenarbeit funktioniert. Natürlich variiert die Kommunikation zwischen Ländern extrem, aber darauf kann man sich ja einstellen.
Sind die Artikel im Shop alle auf eine bestimmte Stückzahl limitiert?
Ja, sind sie. Die Stückzahl variiert von 10-50. Wenn man also etwas schön findet, sollte man nicht zu lange warten.
Inwieweit hilft Dir dein Know-how als Unternehmensberaterin bei deinem heutigen Job?
Ich glaube, als Unternehmensberater muss man extrem flexibel im Kopf sein und sich immer auf neue Situationen und Menschen einlassen. Das ist auch bei Folkdays extrem wichtig. Und das man ein bisschen mit Excel umgehen kann schadet auch nicht.
Ihr beschreibt eure Kunden als „anspruchsvoll“: Nach was für Produkten suchen die? Welche Art von Service könnt ihr ihnen bieten?
Unsere Kunden lieben schöne, zeitlose Dinge. Das ist die Stärke von Folkdays: Einzigartige Produkte, die eine Geschichte haben und hochwertige Materialien. Deswegen gibt es Kunden, die immer wieder auf uns zu kommen. Auch eine Art Vertrauensbasis.
Welche Rolle spielt der vegane Trend für Folkdays?
Veganismus ist aus unserer Sicht eine Reaktion auf die gegenwärtige Nahrungsmittelindustrie sowie Folkdays – wenn man so will – eine Reaktion auf die Bekleidungsindustrie ist. Man will nicht länger stumpf mitmachen, sondern sucht nach nachhaltigen Alternativen. Unser Sortiment ist nicht vegan. Allerdings haben wir auch vegane Produkte dabei, zum Beispiel unsere Eri-Seide aus Assam in Indien. Bei der Seidengewinnung wird nämlich der Seidenwurm, nicht wie bei der herkömmlichen Seidenproduktion getötet, sondern die Kokons werden erst verwendet, nachdem der Schmetterling geschlüpft ist. Die Seide ist nicht so fein wie herkömmliche Seide, aber genauso weich und, schmiegt sich perfekt an die Haut an. Aber das Besondere ist: sie ist vegan.
Kaschmir gibt es ja überall zu kaufen: Was zeichnet eure Plaids oder Schals aus?
Kaschmir ist nicht gleich Kaschmir. Das weiß jeder der schon einmal bei H&M oder Zara einen Kaschmirpullover gekauft hat. Um für unsere Kunden das hochwertigste Kaschmir zu finden, gehen wir deshalb zum Ursprung dieses tollen Materials, in den indischen Teil der Kaschmir-Region. Die Qualität spürt man direkt auf der Haut. Es gibt einfach nichts Weicheres als Kaschmir. Das bedeutet jedoch auch, dass man nicht mehr vom Kaschmirschal wegkommt, wenn man ihn einmal im Kleiderschrank hatte. Lebenslängliches Suchtpotenzial also!
Was ist neu bei Folkdays im Sommer 2015?
Für den Sommer 2015 haben wir es gewagt, mit Folkdays einen Schritt weiter zu gehen. Bisher haben wir ausschließlich Fashion und Interior-Accessoires angeboten. Viele Kunden haben uns geschrieben, dass Sie sich auch nach fair gehandelter und gleichzeitig modebewusster Kleidung sehnen. Daher haben wir jetzt zum ersten mal gemeinsam mit einer Berliner Designerin eine kleine Garment-Collection entworfen, über deren positive Resonanz wir uns sehr freuen! Es sind sehr aufwendige Teile wie das „Alaina“-Shirt aus Seide, aber auch easy-to-wear Stücke wie unser Seidenkimono oder das „Faissal“-Hemdaus Baumwolle dabei.
Welches Produkt ist euer persönlicher Liebling? Wie tragt ihr ihn oder wo befindet er sich bei euch zuhause und wird wie genutzt?
Unsere absoluten Interior-Lieblinge sind die Pinar Kilims, die von Frauen in Anatolien, Ost-Türkei geknüpft werden. Von den Schafen, den natürlichen Farbstoffen bis hin zum fertigen Teppich – alles entsteht innerhalb von zwei Kilometern Umkreis, was die Teppiche zu sehr nachhaltigen Produkten macht. Die tollen Farbkombinationen, die sich die Frauen selbst aussuchen, geben den Wohnungen all unserer Teammitgliedern das gewisse Etwas.
Vielen Dank für das Interview, liebe Lisa.
Alle Bilder aus dem Lookbook Spring/Summer 2015 seht ihr in der Galerie:
6 Antworten auf „Interview mit Lisa Jaspers von dem Berliner Fair Fashion Label Folkdays“
Sehr cooles Interview!
Echte Mode-Designs! Ich liebe diesen sehr schlichten aber eleganten Stil.
Tolles Interview und superspannendes Label – gerne mehr davon!
Tolles Interview – Folkdays sind aber sowieso ne dufte Truppe 😉
Lisa – AT/LEAST
Ich mag das Interview mit Lisa sehr. Eine sehr schöne Geschichte über Ideen und Umsetzung, Träume und Realität. Und Ehrlichkeit. Ich wünsche dem Label und dem ganzem Unternehmen Erfolg, bis hin nach Kambodscha und Kaschmir und überall hin.
Sogar in Herdecke (Nordrhein-Westfalen) ist man von Lisas Stil überzeugt. Mach weiter so.