„Bei Mater haben wir akzeptiert, dass es den Konsum immer geben wird“ – Henrik Marstrand im Gespräch über sein nachhaltiges Möbel-Label

Wir wollen tolle Möbelstücke – auch aus Müll

Wir als Verbraucher sind heute um einiges anspruchsvoller: Obst soll am liebsten aus lokalem Anbau stammen, Kleidung mit Öko-Siegeln versehen und das Fleisch vom Bio-Bauernhof von neben an sein. Doch wenn es darum geht, wo aufgetischt wird und worin die Kleider verstaut werden, spielte die sonst so allgegenwärtige Nachhaltigkeit meist eine Nebenrolle.

Nun aber setzt ein Umdenken ein: Wie auch in der Mode oder Schmuckbranche entziehen sich einige Designer den alten Kreisläufen der schnellen Industrie. Sie setzen wieder oder weiterhin auf echte Handwerkskunst, kombinieren modernes Design mit nachhaltigen Ressourcen und wiederverwertbaren Materialien. Möbel werden nicht mehr für einen kurzlebigen Deko-Spaß gekauft, sondern dienen als zeitlos schöne Wertanlage. Und sollen bestenfalls etwas Gutes für die Umwelt tun.

Wie das dänische Interiorlabel Mater, das 2006 von Henrik Marstrand auf einer ethischen Geschäftsstrategie gegründet wurde. Bei allem Handeln stehen die Umwelt sowie die Auswirkungen auf unseren Planeten im Vordergrund. In Zusammenarbeit mit einem Netzwerk aus Designern wie Space Copenhagen, Bötcher+Kayser oder Todd Bracher entstehen hochwertige Designs mit eigener Geschichte. Sie sollen Blickfang sein, der sowohl Design als auch Umweltbewusstsein verkörpert.

Wir haben mit Henrik Marstrand über sein Label, nachhaltiges Möbeldesign und wie Konsum und Umweltbewusstsein Hand in Hand gehen können, gesprochen. Frohes Lesen!

Lieber Henrik, erzähl doch mal: Wie hat alles mit Mater angefangen?

Ich habe Mater im Jahr 2006 gegründet, um die Design- und Möbelindustrie dahingehend zu inspirieren, bei der Herstellung die Umwelt zu schonen und zu zeigen, dass Nachhaltigkeit und gutes Design Hand in Hand gehen können.

Bei Mater haben wir akzeptiert, dass es den Konsum immer geben wird und ihn einzustellen keine realistische Antwort auf unsere Klimaprobleme ist. Als Hersteller müssen wir Lösungen entwickeln, wie wir Abfall auf neue, spannende Weise gestalten und so die Verbraucher motivieren können, ihr Verhalten zu ändern.

Das ist leichter gesagt als getan.

Natürlich, die Entwicklung neuer Materialien aus Abfällen oder die Unterstützung lokaler Handwerksbetriebe ist kostspielig. Zudem müssen wir als Designunternehmen zeitlose Objekte schaffen, die ein weltweites Publikum ansprechen. Wenn nicht, spielt die Geschichte über die Herstellung eines Stuhls gar keine Rolle.

Als Unternehmen müssen wir unser Verhalten hinterfragen und neue Ideen im Umgang mit Materialien und Ressourcen entwickeln. Die Ressourcen sind bereits vorhanden: Warum sie also nicht wiederverwenden, aufwerten und daraus bessere Produkte herstellen?

Absolut! Hattest du denn Berührungspunkte mit Möbeldesign, bevor du Mater gegründet hast?

Nicht wirklich, ich habe an der Copenhagen Business School meinen Abschluss gemacht und hatte danach mehrere leitende Managementpositionen in verschiedenen Unternehmen inne.

Da ist die Idee, eine nachhaltige Möbelmarke zu gründen, nicht unbedingt naheliegend.

Ich habe das Potential von Nachhaltigkeit in der Interiorbranche früh und damit als einer der ersten erkannt. Mit der Gründung von Mater habe ich mehrere externe Designer an Board geholt und lange Zeit nach engagierten Produktionsstätten gesucht.

Deine Rolle im Unternehmen ist also die des Geschäftsmanns.

Ja, wir arbeiten eng mit externen, sehr talentierten Designern zusammen. Es ist für mich als Geschäftsmann unglaublich spannend, mit ihnen Lösungen mit einer klaren ethischen Vision zu finden.

Stand denn von Anfang an fest, dass es ein nachhaltiges Label sein soll?

Wir verwenden Materialien, die entweder schnell reproduzierbar sind, aus Abfall hergestellt werden oder nutzen FSC-zertifiziertes Holz. Außerdem müssen die Materialien lange haltbar sein und Komfort garantieren, um sicherzustellen, dass die Möbel über Generationen hinweg genutzt werden.

Bei der Nachhaltigkeit im Möbeldesign geht es aber nicht nur um das Material, sondern auch darum, wie es gehandhabt, gefertigt und zusammengestellt wird. Daher verarbeiten wir die Materialien im Ursprungsland und mit der Unterstützung der talentiertesten einheimischen Handwerksbetriebe, um die lokale Handwerkskunst und die hohe Qualität unserer Produkte zu wahren. Wir sind eine skandinavische High-End-Designmarke, die bei der Qualität keine Kompromisse eingeht. Der Verbraucher wird das Design kaufen, wenn ihm die Ästhetik gefällt, aber auch weil er bewusst mit der Geschichte der ethischen Produktion verbunden sein will.

Wie kann man nachhaltige Möbel definieren?

Wir verwenden Materialien, die entweder schnell reproduzierbar sind, aus Abfall oder FSC-zertifiziertem Holz hergestellt werden. Außerdem müssen die Materialien lange haltbar und bequem sein, um sicherzustellen, dass die Möbel lange genutzt werden.

Bei der Nachhaltigkeit im Möbeldesign geht es aber nicht nur um das Material, sondern auch darum, wie es gehandhabt, gefertigt und zusammengestellt wird. Wir arbeiten mit den talentiertesten Handwerksbetrieben zusammen, um die lokale Handwerkskunst und die hohe Qualität des Designs zu wahren. Wir sind eine skandinavische High-End-Designmarke, die bei der Qualität keine Kompromisse eingeht. Der Verbraucher wird das Design kaufen, wenn ihm die Ästhetik gefällt, und weil er mit der Geschichte der ethischen Produktion und der bewussten Wahl verbunden sein will.

Das muss eine große Herausforderungen sein, wenn die Produktion, Materialbeschaffung etc. nachhaltig und umweltfreundlich sein soll?

Es ist immer eine Herausforderung, die richtigen Produktionsmethoden und -fertigungen zu finden. Es braucht Zeit, um langfristige Partnerschaften und das nötige Vertrauen aufzubauen. Bisher ist es nahezu unmöglich, zu 100% nachhaltig zu sein. Aber als Unternehmen, das dazu inspirieren möchte, den Sprung zu einer ethischeren Produktion zu wagen, tun wir unser Bestes, um unserer Zeit voraus zu sein – angefangen mit der Wahl unserer Partner und unserer Materialien bis hin zur Herstellung an sich.

Es ist eine spannende Reise, da sich unsere Produktionsmethoden ständig in neue Richtungen entwickeln und neue Technologien ein genaueres Ergebnis des Materials ermöglichen, mit dem wir experimentieren. Zum Beispiel arbeiten wir mit Abfällen aus der Bierproduktion – und da hat die Verwendung von Flüssigkeit zur Herstellung eines Stuhls so ihre Herausforderungen.

Oder euer Stuhl aus Meeresabfällen.

Richtig, der Ocean Chair gehört zu einer Gartenmöbelkollektion, die wir aus Kunststoffabfällen aus dem Meer entwickelt haben, um diese große Umweltproblematik anzugehen. Es ist die Neuauflage eines Designs des renommierten Designerpaares Nanna & Joergen Ditzel aus dem Jahr 1955. Jeder Stuhl entfernt dabei 960 Gramm Plastikmüll, darunter alte Fischernetze.

Damit unterstützen wir Punkt 14 der UN-Umweltziele: Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen.

Ocean-Chair

Ihr verwendet sogar Holz von einem Mangobaum.

Wir haben von Anfang an mit FSC-zertifiziertem Holz gearbeitet. Wenn wir unsere beliebten Bowl Tables aus Mangoholz herstellen, verwenden wir den Baum erst, wenn er keine Früchte mehr trägt, denn dann hat er keine Funktion mehr. So geben wir den Ressourcen neues Leben und eine neue Funktion.

Wir haben im Laufe der Jahre einen Pionierstatus erlangt, weil wir in der Lage sind, Materialien zu erforschen, Risiken einzugehen und Innovationen zu entwickeln. Wir arbeiten viele Stunden an dem Material, um aus verschiedenen Arten von Abfall das langlebigste Produkt zu erschaffen.

Ihr begleitet und steuert die komplette Wertschöpfungskette eurer Produkte, seid so sehr nah am Produkt. Welche Vorteile ergeben sich hierdurch für den Kunden?

Transparenz! Verbraucher werden immer bewusster; das Konsumverhalten hat sich im Laufe der Jahre stark verändert.

Inwiefern?

Ich erlebe es immer mehr, dass sich Produktionsmethoden und -technologien weiterentwickeln und Menschen mehr Transparenz verlangen. Unternehmen müssen diesem Verbraucherverhalten folgen, wenn sie dauerhaft bestehen wollen, bis die Umweltprognosen wieder zum Vorteil des Planeten und der Menschen ausfallen. Mit der Einführung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung wurde es für uns einfacher, unsere Ziele zu kommunizieren. Plötzlich wurde es akzeptabel, Nachhaltigkeit zu kategorisieren und effektiv daran zu arbeiten, die Ziele zu unterstützen und transparenter nach außen zu sein.

Wir haben Mater kurz vor der Finanzkrise gegründet – das war natürlich eine Herausforderung. Es hat mich gelehrt, dass die Lösung in einer solchen Krise nicht darin besteht, mit dem Konsum aufzuhören, was der natürliche Effekt in dieser schrecklichen Situation war, in der Menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben, etc.. Wir müssen helfen, das Rad am Laufen zu halten, um Arbeitsplätze zu erhalten, die Entwicklung fortzusetzen und den wirklichen Wandel zu vollziehen. Gemeinsam. Es gibt im Moment ein Sprichwort zu den Umweltfragen: „Die Macht liegt in deiner Geldbörse“. Der Verbraucher hat die Macht, die tatsächliche Veränderung zu erwirken, Ausgaben sinnvoll zu tätigen und in ethische und zukunftsweisende Lösungen zu investieren.

Hinter dem Handeln muss ein fester Glaube stecken. Möchtest du uns hierüber etwas erzählen?

Meine Motivation stammt von der Klimabewegung und der Zukunft, für die die jungen Generationen so kämpfen. Sie leisten hervorragende Arbeit bei der Vermittlung ihrer Überzeugungen, und sie vertrauen darauf, dass wir sofort etwas gegen den Klimawandel unternehmen.

Ich bin sehr froh, wie der Verbraucher und der Markt auf unsere Geschichte und Mission reagiert haben, und als Unternehmer werde ich nicht aufhören zu erforschen, wie man Abfall in klimafreundliche Lösungen umwandeln kann.

Euer Fokus liegt auf Purismus – was ist dir wichtiger: Design oder Nutzen?

Wir arbeiten mit den besten Designern zusammen und sie teilen unsere Vision, skandinavisches Design zu kreieren, das über Generationen hinweg genutzt werden kann. Die Funktionalität liegt in der Designtradition und ist ein einfacher, aber wichtiger Faktor bei der Herstellung hochwertiger und nachhaltiger Möbel.

Wie viele Produkte umfasst euer Portfolio und wie viele neue Produkte kommen im Schnitt jährlich hinzu?

Wir führen rund 100 Produkte in der permanenten Kollektion und entwickeln jedes Jahr 5-10 neue Produkte.

Was ist euer absoluter Topseller?

Vor zehn Jahren haben wir die High Stools in Kollaboration mit dem renommierten Design-Duo Space Copenhagen auf den Markt gebracht. Die Barhocker finden sich inzwischen auf der ganzen Welt und wir sind sehr stolz auf diesen Erfolg. Heute, zum zehnjährigen Jubiläum des High Stools, haben wir unsere Zusammenarbeit fortgeführt und den Dining Chair lanciert – ein formschönes Design auf Holz- und Lederbasis mit einer abgerundeten Rückenlehne, das Komfort für Stunden garantiert.

Ein weiterer Erfolg ist die bereits erwähnte Ocean Collection; die Geschichte der Neuauflage eines alten Designklassikers aus Kunststoffabfällen aus dem Meer in einer schönen Ästhetik hat die Wahrnehmung vieler Menschen über Design und Nachhaltigkeit verändert.

Und was wird es künftig Neues von Mater geben?

Wir setzen unsere Zusammenarbeit mit der Familie Ditzel fort und planen einige der alten Designs aus wiederverwendbarem Glas herzustellen. Weiteres dazu darf ich noch nicht verraten.

Zudem arbeiten wir derzeit an einem sehr inspirierenden Projekt, bei dem wir uns mit Kunststoffabfällen eines großen dänischen Unternehmens beschäftigen. Darüber hinaus arbeiten wir mit bezahlbarer und sauberer Energie im Bereich Beleuchtung mit LED-Leuchten in neuen innovativen Designs. Das ist ein sehr schwieriges, aber interessantes Gebiet, das wir weiterentwickeln möchten.

Danke für das nette Interview, lieber Henrik!

Alle Bilder via PR

Von Alexandra

Schreiben sollte mir eigentlich leicht fallen, könnte man meinen. Doch wenn es darum geht, etwas über mich selbst zu erzählen, bin ich – ja sagen wir mal – überfordert. Wo fange ich an? Ich habe bei Journelles als Praktikantin angefangen. Danach ging es weiter in die Moderedaktion vom Tagesspiegel und dann wieder zurück an die Uni und dann wieder zurück zu Journelles ;-)

Ich mag Mode und Beauty: Ich liebe neue Trends, spannende Outfits und (zugegeben) auch etwas Shopping. Doch fast noch mehr mag ich es, Mode als Phänomen zu betrachten: Wieso gibt es diesen Trend? Woher kommt er? Welchen Einfluss hat die Politik oder Gesellschaft auf die Mode? Und umgekehrt! Ebenso finde ich es spannend, über großartige Frauen und ihre noch so unterschiedliche Errungenschaften zu berichten, sie kennenzulernen, von ihnen zu lernen ...

Wenn ihr meine Texte lesen solltet: Dankeschön! Es gibt nichts Schöneres, als zu wissen, dass meine Artikel gelesen werden. Und bitte seid gnädig mit mir, wenn ich Fehler mache. Ich lerne noch ... das wird sich wohl auch nie ändern ;-)

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.