„Erfolgreicher Gestalter ist man dann, wenn man seine Miete bezahlen kann“ – Im Karriere-Interview mit Lea Korzeczek von Studio Oink

Skandinavische Ruhe, Helligkeit und Stilsicherheit bis ins kleinste Detail

Die Einrichtung auf das Wesentliche reduzieren, dieses Prinzip gab es schon vor über 2.000 Jahren: Die Römer achteten auf hochwertige Möbel, nur wohldosiert. Eine Liege, ein kleiner Tisch und wenige Stühle – mehr befand sich in den meisten Wohnungen der Bürger nicht.

Ich glaube, die Architekten Lea Korzeczek und Matthias Hiller von Studio Oink scheinen diese Einstellung in den vergangenen Jahren ob bewusst oder unbewusst adaptiert zu haben. Mit skandinavischer Ruhe, Helligkeit, Stilsicherheit bis ins kleinste Detail und mit wenig Schnickschnack richten die beiden seit 2013 Häuser, Wohnungen und Apartments ein.

Angefangen hat alles mit einem Kinderzimmer für zwei kleine Mädchen, es folgte die Neugestaltung einer kleinen 50qm Wohnung. Knapp fünf Jahre, viel Ehrgeiz und Fleiß später zählen sie mit ihrem Designstudio aus Wiesbaden zu dem Besten, was die deutsche Interiorbranche zu bieten hat. Aus den vereinbarten wenigen Fragen an Lea von Studio Oink werden dann doch einige mehr – und am Ende steht die Gewissheit: Von nichts kommt nichts.

Liebe Lea, du arbeitest als Innenarchitektin, Möbeldesignerin und leitest dein Designstudio gemeinsam mit deinem Mann Matthias. Wie hat alles angefangen? Ganz klassisch mit einem Architektur-Studium?

Nicht ganz, ich habe zwar Innenarchitektur studiert, aber mein Studium sehr spät begonnen – erst mit 27! Diesen Beruf für mich zu definieren, ist mir vorher sehr schwer gefallen.

Das heißt also: Du wolltest nicht von Anfang an Architektin werden?

Ja und nein. Das Thema Wohnen und Leben hat mich stark beschäftigt und schon immer interessiert. Unsere Umgebung hat einen sehr großen Einfluss auf uns. Man kann sich das sehr anschaulich bei dem Thema „Film“ anschauen: Hier ist das Set unglaublich wichtig und hat einen entscheidenen Einfluss darauf, ob der Film den Zuschauer anspricht oder nicht. Außerdem transportiert das Set (neben der Aktion und Vertonung) auch die Stimmung, die der Film erreichen soll und schafft eine bestimmte Atmosphäre.

Genauso ist das auch beim Wohnen! Das, was uns umgibt, hat einen immensen Einfluss auf uns. Das können wir nicht einmal bewusst steuern. Es geschieht unbewusst. Für mich ist der Beruf Innenarchitekt eine große Aufgabe und eine starke Verantwortung. Es ist mir wichtig, Menschen eine humane und atmosphärische Umgebung zu schaffen.

Muss man dafür handwerklich begabt sein?

Man sollte zumindest wissen, wie sich Dinge zusammen fügen, wie sich Materialien bearbeiten lassen und welche Dinge machbar sind. Oft suggerieren einem die Gewerker, dass gewisse Dinge nicht umsetzbar seien. Wenn man diese aber selbst bereits umgesetzt hat und weiß, wie es funktioniert, dann kann man seine Ideen viel einfacher durchsetzen.

Wie wichtig ist ein guter Geschmack, wie wichtig die passende Ausbildung?

Geschmack ist eine sehr persönliche Sache und jeder Innenarchitekt oder Gestalter hat seine eigene gestalterische Sprache. Wir versuchen der Persönlichkeit unserer Kunden viel Raum zu geben und stellen hierbei unseren Geschmack nicht an oberste Stelle. Trotzdem haben wir aber eine gewisse Stilrichtung, in der wir mit voller Überzeugung arbeiten. Es gibt mit Sicherheit Naturtalente, eine gestalterische Ausbildung würden wir aber in jedem Fall empfehlen. Sie gibt einem viel Input und man reift auch an den Ideen anderer und befruchtet sich so gegenseitig. Dieser Austausch ist auch später immer wieder wichtig.

Das Studium der Innenarchitektur umfasst ja, neben der gestalterischen Ausbildung, auch ganz pragmatische Themengebiete, wie beispielsweise Statik, Bauordnungen, Gebührenordnungen, usw. Diese sind unglaublich wichtig für das spätere Tun – vor allem, wenn man selbständig arbeiten möchte.

Mich interessiert an dieser Stelle, wie ihr bei Studio Oink arbeitet?

Matthias und ich kümmern uns um alles rund um das Thema „Wohnen und Leben“. Wir erarbeiten Interior-Konzepte und Grundrisse, richten Wohnungen, Häuser, Shops, Cafés oder auch nur einzelne Zimmer ein. Wir planen alles bis ins kleinste Detail und entwerfen hierfür auch gerne maßgefertigte Möbel.

Neben unseren Interior-Projekten entwerfen wir auch kleine Objekt- und Möbelkollektionen, die sich immer an der Schwelle zwischen Kunst und Design bewegen. Meistens produzieren wir diese in Kleinauflagen. Für andere Objekte/ Möbel wäre es schön, einen Hersteller für die Produktion zu finden. Wir sind sehr interessiert am Wandel der Gesellschaft und dem Bezug zum Thema „Wohnen – Leben“. Wir recherchieren viel zu diesem Thema in anderen Kulturen und vergangenen Zeiten und versuchen unsere Erkenntnisse und Beobachtungen mit unserer Zeit und Kultur abzugleichen. Zu diesen Themen geben wir auch hin und wieder Vorträge (der nächste: an der Uni Detmold).

House Cal

Das klingt nach viel Arbeit. Sprechen wir über das Stammtisch-Thema Nummer eins: die Arbeitslosigkeit. Wie habt ihr es geschafft, erfolgreich zu werden?

Ob wir so erfolgreich sind, kann ich persönlich gar nicht beurteilen. An welchen Dingen bemisst sich der Erfolg?

Am Geld?

Kürzlich habe ich, während eines Mentorings, welches wir geben, einen guten Satz eines anderen Mentoren gehört. Er sagte „Erfolgreicher Gestalter ist man dann, wenn man seine Miete bezahlen kann und der Kühlschrank gefüllt ist“. Das ist in unserem Beruf tatsächlich ein sehr großes Ziel und erfordert eine Menge Ausdauer und Durchhaltevermögen. Es hat viele Jahre gedauert, bis wir dieses Ziel erreichen konnten.

Erfolgreicher Gestalter ist man dann, wenn man seine Miete bezahlen kann und der Kühlschrank gefüllt ist.

Wie lange?

Der erste Erfolg kam nach etwa anderthalb Jahren. Aber dann war auch erst einmal wieder zwei Jahre Sendepause, die für uns sehr hart war.

Ihr konntet von Studio Oink also nicht von Anfang an leben.

Bis wir „erfolgreich“ waren, im oben genannten Sinne, hat es knapp fünf Jahre gedauert. In unserem Bereich ist es am Anfang schwierig mit einer gewissen Kontinuität, daher kann ich das zeitlich nicht ganz genau bestimmen. Am Anfang haben wir, neben unserer Arbeit als Innenarchitekten und Gestalter, auch noch im Bereich Styling und Grafik gearbeitet. Das haben wir erst nach und nach aus unserer Tätigkeitsliste gestrichen.

Welches Projekt war entscheidend?

Besonders begeistert waren die Leute von unserem „Apartment Wiesbaden“, da es zeigt, wie „viel“ ein Raum sein kann, auch wenn er noch so klein ist. Das Projekt findet ihr unter anderem auf dem Cover, und natürlich auch im Buch Raumwunder – Große Ideen für kleine Wohnungen. Aber auch unser Interior-Projekt „House CAL II“ und unsere Objektstudie „Design with the Unknown“ (2016 in Mailand zur Möbelmesse ausgestellt) mit der britischen Künstlerin Aimee Bollu kamen bei Print- und Online-Magazinen sehr gut an.

Apartment Wiesbaden

Halten wir fest: Es hat zwar knapp fünf Jahre gedauert, bis ihr ein festes Standbein aufgebaut hattet, aber ihr habt es heute geschafft. Was war nach der Gründung entscheidend?

  1. Präsentiert euch mit einer ansprechenden Website.
  2. Seid aktiv auf Social Media (für uns hat sich Instagram als sehr gute Platform herausgestellt).
  3. Netzwerken, netzwerken und nochmals netzwerken!

Außerdem: Glaubt immer an euch und eure Idee und kämpft dafür! Ohne diesen wirklichen Willen, ist es leider sehr schwer. Es gibt so unglaublich viele sehr gute Gestalter und Architekten. Man muss sich in irgendeiner Art und Weise abheben und unterscheiden und vor allem sichtbar werden – dabei aber ganz bei sich selbst bleiben. Das ist eine unglaublich schwere Aufgabe.

Wohnung in Leipzig

Eure Art, Räume einzurichten, erinnert nicht selten an eine natürliche, lockere Entwicklung. Wie geht ihr an ein Projekt heran?

Zunächst gibt es im besten Fall ein Treffen mit den potenziellen Kunden, bei dem man sich näher kennenlernt. Dann bekommen wir ein Briefing mit den Wünschen und Anforderungen zum Projekt. Nachdem der Kostenvoranschlag bestätigt ist, beginnt unsere Arbeit. Wir erstellen Moodboards und tasten uns an die finale Gestaltung heran. Hinzu kommen illustrative und technische Zeichnungen, die mit dem Projektverlauf dann immer detaillierter werden.

Ist mal etwas schief gegangen?

Es gibt tatsächlich auch Momente oder Arbeiten während eines Projektes, die nicht optimal laufen. Das gehört aber dazu und wir lernen oft das Meiste aus diesen Fehlern. Dass das Ergebnis und unsere Arbeit einem Kunden aber am Ende gar nicht gefallen hat, ist bisher zum Glück noch nicht vorgekommen (lacht).

Wo wir schon dabei sind: Wie kann man sich euren Arbeitsalltag vorstellen?

Matthias erledigt meist zuerst alle wichtigen und anstehenden Telefonate mit den Gewerken und ich beantworte Emails. Anschließend besprechen wir die Projekte, die für diesen Tag anstehen. Ich bin dann oft am Recherchieren für Moods oder Möblierung, Matthias arbeitet an den technischen Zeichnungen. Oft haben wir Meetings für die Konzepte unserer Projekte oder auch den ein oder anderen Kundentermin bei uns oder „on location“.

Neben all diesen „regulären“ Dingen, gibt es dann immer noch Zusatzarbeiten wie Messevorbereitungen und Nachbereitungen, das Beantworten von Interviews (hehe), das Bearbeiten von Vorträgen, Steuern, Ausstellungen, Website und Social Media, Fotoshootings, Meetings mit Herstellern, Organisation von Möbeln und Leuchten, usw. Die wirklich kreative Arbeit kommt leider meist zu kurz und der Tag müsste mehr Stunden haben. Oft endet er erst spät abends, da wir hier manchmal noch Telefonkonferenzen mit unseren Kunden aus den USA haben.

Zwischendrin ist aber bei uns immer Familienzeit – und zwar sobald wir unseren Sohn Joseph aus dem Kindergarten abgeholt haben. Diese Zeit ist uns extrem wichtig!

Atelier Franziska Klee in Leipzig
Wohnung in Leipzig

Ich muss dich noch ein wenig zu den Interior-Trends auszufragen: Was wird 2019 interessant?

Natürlichkeit, softe erdige Farben, Naturstein, Glas, zarte Farbakzente.

Welcher Wohnstil dominiert gerade?

Momentan ein sehr poppiger und farbenfroher Stil!

Welche Designklassiker findet man in deiner Wohnung?

Wir besitzen beispielsweise einen ganz klassischen Thonet 209, den wir sehr mögen.

DIVANO PER LA FAMIGLIA –Multifunktionales Sofa für Kinder und Erwachsene

Wenn etwas nicht einfach ist, dann die Wohnung stilvoll einzurichten. Was sind deine persönlichen Lieblingshandgriffe oder Tricks, mit denen man ein Zimmer mit relativ wenig Aufwand maximal schöner gestalten kann?

Ausmisten und strukturieren, lebendige Akzente durch Äste, Blumen etc. aus der Natur (nicht aus dem Blumenladen!).

Vielen Dank für das Interview, liebe Lea!

Alle Bilder via PR: Matthias Hiller / STUDIO OINK / Bild von Lea: annabelle sagt

Von Alexandra

Schreiben sollte mir eigentlich leicht fallen, könnte man meinen. Doch wenn es darum geht, etwas über mich selbst zu erzählen, bin ich – ja sagen wir mal – überfordert. Wo fange ich an? Ich habe bei Journelles als Praktikantin angefangen. Danach ging es weiter in die Moderedaktion vom Tagesspiegel und dann wieder zurück an die Uni und dann wieder zurück zu Journelles ;-)

Ich mag Mode und Beauty: Ich liebe neue Trends, spannende Outfits und (zugegeben) auch etwas Shopping. Doch fast noch mehr mag ich es, Mode als Phänomen zu betrachten: Wieso gibt es diesen Trend? Woher kommt er? Welchen Einfluss hat die Politik oder Gesellschaft auf die Mode? Und umgekehrt! Ebenso finde ich es spannend, über großartige Frauen und ihre noch so unterschiedliche Errungenschaften zu berichten, sie kennenzulernen, von ihnen zu lernen ...

Wenn ihr meine Texte lesen solltet: Dankeschön! Es gibt nichts Schöneres, als zu wissen, dass meine Artikel gelesen werden. Und bitte seid gnädig mit mir, wenn ich Fehler mache. Ich lerne noch ... das wird sich wohl auch nie ändern ;-)

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Eine Antwort auf „„Erfolgreicher Gestalter ist man dann, wenn man seine Miete bezahlen kann“ – Im Karriere-Interview mit Lea Korzeczek von Studio Oink“

Tolles Interview, ich kenne und liebe Studio Oink schon seit ein paar Jahren und es ist toll zu sehen, was sich bei den beiden so alles getan hat! Immer inspirierend zu sehen, wie sich Leidenschaft gepaart mit harter Arbeit auszahlen.

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.