Über Rassismus und Vielfalt im Modelbusiness – Interview mit Lyn Slater und Bhumika Arora

Sie könnten nicht unterschiedlicher sein: Wir haben die beiden Models der aktuellen Mango-Kampagne getroffen und mit ihnen über die Missstände der Modeindustrie gesprochen

Dünner, schöner, größer – Die Modelindustrie von heute hat es in sich. Alle gleich, alle schön und alle sehr sehr dünn. Natürlich bestätigen Ausnahmen auch immer die Regel: Winnie Harlow mit der Hautkrankheit Vitiligo, Shaun Ross, der als erstes Albino-Model alle Aufmerksamkeit auf sich zog und Derrick Keens, der mit seiner Misfit Model Agency inzwischen Models vertritt, die unserem westlichen Schönheitsideal nicht entsprechen.

Allerdings sind diese drei Beispiele nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein, denn wenn man sich die Masse der Models anschaut, die täglich durch Agenturen gescheucht werden und wovon nur zwei Prozent international eine Karriere hinlegen werden, dann wird klar: Es muss sich etwas ändern.

Das passiert allerdings nur, wenn sich auch große Labels und Ketten dafür einsetzen. Schlechtestes aktuelles Beispiel: Louis Vuitton, die Ulrikke Hoyer, dänisches Model, dazu zwingen wollten, für einen Tag nur Wasser zu trinken, weil sie zu aufgebläht für die Cruise Show in Tokyo wäre – dabei hat sie Kleidergröße 34. Als sie sich weigerte, wurde sie ohne große Umstände in den nächsten Flieger zurück gesetzt.

Wir haben uns mit zwei Models unterhalten, die nicht der typischen Model-Norm entsprechen, unterschiedlicher nicht sein könnten und gerade deswegen so erfolgreich sind: Bhumika Arora und Lyn Slater. Beide sind die aktuellen Gesichter der Mango-Kampagne „A Story of Uniqueness“ und haben uns zum Thema Branchen-Rassismus, Vielseitigkeit und Alter interessante Antworten gegeben:

Lyn Slater, 63 Jahre alt, Professorin, Modebloggerin und Model

Botox hier, Straffung da. Was halten Sie von dem Jugendwahn in der heutigen Gesellschaft. Warum streben wir alle Perfektion an?

Ich werde das ganz einfach beantworten: Seht euch meine Fotos an. Das sagt alles darüber, was ich vom Jugendwahn halte. Jeder hat eine andere Vorstellung von sich selbst und von Perfektion: Für manche kommt Schönheit von Außen, für andere von Innen und ich würde sagen, ich ziehe sie aus dem Austausch mit anderen Menschen.

Vielfältigkeit in der Modebranche. Was müssen wir tun, damit sie noch größer wird?

Ich denke, dass das von ganz alleine passieren wird, weil die Konsumenten es wollen. Junge Menschen wollen ihre Geschichten selbst gestalten und sich nicht von anderen vorschreiben lassen, was sie zu tun oder zu mögen haben. Das ändert gerade die Spielregeln der Modebranche.

Leute, die die Industrie gerade ändern, haben die Grenzen überschritten, Selbstakzeptanz gewonnen und nehmen keine Rücksicht darauf, ob sie gemocht werden oder nicht. Das finde ich äußerst attraktiv.

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Welche Reaktionen haben Sie auf die Mango-Kampagne bekommen?

Eigentlich habe ich nur positives Feedback bekommen. Leute freuen sich mit mir, umso mehr Erfolg ich habe und ich bin so dankbar für die Inspiration, die ich durch meine Follower erhalte.

Mango ist seinen Kunden nah und diese wissen, was sie von dem Label wollen. Ich liebe die Story, die wir mit der Kampagne erzählen: Sie lassen mich einfach ich sein und das hat bei vielen einen Eindruck hinterlassen. Mango erzählt seinen Kunden damit, dass jeder einzigartig ist und eine Geschichte zu erzählen hat – und das hat viele Leute angesprochen.

Ihr ultimativer Styling-Trick?

Wisse, wer du bist, wer du sein willst und wie du aussehen möchtest. Drückt jedes deiner Kleidungsstücke genau das aus? Wenn ja, dann ergeben Mode und du eine Einheit, die zusammen wunderschön ist.

Fashionblogger, Streetstyle-Ikone, Instagram-Star und Model. Was kommt als nächstes?

Von Anfang an hatte ich kein Endziel für meine Karriere. Für mich geht es vor allem darum, mich mit meinem Blog und dem Schreiben kreativ auszuleben. Ich wollte mehr über das System der Modewelt herausfinden und die Stories der Menschen dahinter hören. Ich hätte mir dabei nie erträumt, welche Möglichkeiten ich geboten bekommen würde. Also, wer weiß, was als nächstes kommt? Ich kann es nicht erwarten, es herauszufinden.

Wer bist du? Wer willst du sein? Wie willst du aussehen?

Bhumika Arora, 29 Jahre alt, Topmodel

Wie wurdest du als Model entdeckt?

So richtig entdeckt wurde ich gar nicht. Freunde haben meine Bilder zu einem lokalen Magazin in Indien geschickt und sie haben sie veröffentlicht. Dann habe ich im Internet einen Modefotografen gefunden und im aus lauter Neugier meine Bilder geschickt, damit er mir seine Meinung sagt. Es war eigentlich eher aus Spaß und nicht ernst gemeint. Aber er mochte sie und hat mich dazu überredet, dass mit dem Modeln professionell zu machen. Nachdem ich in Indien dann drei Jahre als Model gearbeitet habe, habe ich angefangen meine Bilder an internationale Modelagenturen zu schicken.

Was hält deine Familie von deinem Beruf?

Eigentlich unterstützen mich meine Eltern und mein Bruder in allem, was ich tue – aber als ich ihnen das erste Mal von meiner Model-Idee erzählte, war ich 14 Jahre alt und sie geschockt. Meine Mutter war wütend, weil sie mich für viel zu jung hielt. Ich sollte mich einfach auf die Schule konzentrieren. Aber nachdem sie gesehen haben, wie besessen ich mit dem Modeln war, stimmten sie zu. Es war schließlich mein großer Traum.

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Du bist gut, so wie du bist.

Rassismus ist immer noch ein großes Thema in der Modeindustrie. Hattest du schon unangenehme Situationen?

Ich habe selbst noch keinen Rassismus am eigenen Leib erlebt, alle waren immer sehr nett und einladend zu mir.

Was würdest du am Modelbusiness gerne ändern?

Ich würde es definitiv vielfältiger machen. Alle Ethnien sollten gleich behandelt und geschätzt werden.

Die Mango-Kampagne heißt "A Story of Uniqueness". Was bedeutet Einzigartigkeit für dich?

Ich bewundere Leute dafür, wenn sie einfach sie selbst sind und nicht zu sehr versuchen, sich zu verstellen und den Richtlinien der Gesellschaft in Sachen Schönheitsideal zu folgen. Ich versuche mich selbst nicht zu ändern, weil andere Leute denken, dass ich es sollte. Das habe ich meinen Eltern zu verdanken, die mich immer so geliebt haben, wie ich war.

Leute haben mir schon oft gesagt, dass ich nicht groß und dünn genug bin, nicht den idealen Look für Indien verkörpere. Meine Eltern haben mich dann gestärkt und mir gesagt: „Du bist gut, so wie du bist.“

Fotos: Courtesy of Mango

Von Marie

Der erste Satz, wenn mich Leute kennenlernen ist: „Das ist aber selten.“ Ja, ich bin ein seltenes Exemplar: Berliner Eltern, Berliner Blut, Berliner Göre. Tatsächlich bin ich so sehr mit der Hauptstadt verbunden, dass ich meinem Kiez in Schöneberg seit über 20 Jahren die Treue halte und noch nie von hier weggezogen bin – und auch nicht dran denke. Und obwohl wir Schöneberger zwar sehr viel von Bio-Supermärkten und esoterischen Edelsteinläden halten, gibt es hier auch das ganz große Mode-Paradies: das KaDeWe. Der Tempel des Shoppings und der Ersatzkindergarten für meine Eltern, sozusagen das Småland bei Ikea für mich (andere Kinder haben dort ihren ersten Wutanfall, ich schmiss mich in voller Rage im Atrium des KaDeWe auf den Boden und weigerte mich zu gehen). Kein Wunder also, dass Mode und ich nie wirklich Berührungsängste hatten.

Spätestens seit der Oberstufe, in der ich – dank Blair Waldorfs Inspiration aus Gossip Girl (ja, das war meine Serie zusammen mit Gilmore Girls) – die Schule nie ohne Haarreif, Fascinator oder eine gemusterte Strumpfhose betrat, hatte auch mein Umfeld begriffen: Marie macht was mit Mode. Und weil ich damit in meinem katholischen "Elite-Gymnasium" so ziemlich die Einzige war, suchte ich meine Verbündeten 2011 woanders: im Internet. Auf meinem Blog Style by Marie. Und so begann meine modische Laufbahn.

Noch mehr Gleichgesinnte und vor allem Freunde fand ich auf der Akademie für Mode & Design in Berlin, bei der ich 2013 meine Ausbildung in Modejournalismus und Medienkommunikation startete. Was für mich seit der 1. Klasse klar war, nämlich das Schreiben mein Ding ist, wurde jetzt zu meinem Beruf: Journalistin. (Denn ja Oma, es gibt noch etwas anderes als Modedesignerin). Dank meines Blogs und einem Praktikum bei der Harper’s Bazaar Germany in der Online-Redaktion blieb ich auch dem Internet und dem Online-Journalismus treu. Und ratet mal, wo ich jetzt bin: Genau, bei Journelles, dem Blogazine, was alle meine Leidenschaften verbindet: Bloggen, Schreiben, online sein – zusammen mit euch!

Kommentare (2) anzeigen

2 Antworten auf „Über Rassismus und Vielfalt im Modelbusiness – Interview mit Lyn Slater und Bhumika Arora“

genau! und hallo habe mich bei euch eingeloogt um immer up to date zu sein !
Wo kann ich den echt coole kleien Labels finden die ausgefölleen Mode anbeiten die wie gesagt echt cool sind und ausgefallen und auch zu jedem Produkt eien geschichte haben bzw eien verstcket geschichte. die sachen von zara und h&m und other stories sind ja schön und gut aber mir fehlt der nährwert als eien bischen sinn bei der sache oder ein versteckter witz sachen mit denen ich mich ausdrücken kann und auch ein bischen was besonderes tragen und haben kann!

Psst – nochmal fix redigieren… „Eigentlich sind unterstützen mich meine Eltern und mein Bruder in alle, was ich tue – aber als ich ihnen das erste Mal von meiner Model-Idee erzählte, war ich 14 Jahre alt und sie geschockt.“

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.