Vor drei Jahren überzeugte Alexandra Kiesel die Jury rund um den Schirmherrn Marc Jacobs beim „Designer for Tomorrow“-Award mit ihrer Debutkollektion „Building Block Individuals 12/6/24“ und gewann damit den begehrten Förderpreis für Nachwuchsdesigner. Eine Saison später durfte sie im Rahmen der Mercedes-Benz Fashion Week Berlin ihre erste eigene Modenschau präsentieren: Ihr Markenzeichen, das Baukasten-System auf der Basis von Modulen, aus denen sich frei und individuell miteinander kombinierbare Kleidungsstücke kreieren lassen, hat sie seitdem beibehalten und weiterentwickelt.
Nach der Awardshow ging es für Alexandra, die zu dem Zeitpunkt frisch gebackene Absolventin der Kunsthochschule Weißensee war, so richtig los: Pressetermine, Vorbereitungen für die zweite Kollektion im neuen eigenen Atelier und ein Besuch bei Schirmherr Marc Jacobs in New York standen auf dem Plan.
Kurz vor der Finalshow der diesjährigen „Designer for Tomorrow“-Ausgabe am 9. Juli spricht sie mit uns im Interview über die Förderung von Nachwuchsdesignern in Deutschland, die Zusammenarbeit mit Designer Marc Jacobs und ihren Werdegang drei Jahre nach ihrem Sieg.

Liebe Alex, du bist als Gewinnerin des „Designer for Tomorrow“-Awards 2011 natürlich die ideale Interviewpartnerin, um über das Thema Nachwuchsförderung in Deutschland zu sprechen. Auf welche Weise hilft der DfT den Nachwuchsdesignern?
Ich muss sagen, dass das enorme Presseecho und die große Aufmerksamkeit einem neu gegründeten Label sehr helfen. Die erste Kollektion, die durch den DfT finanziert wurde, hat sich national wie auch international sehr gut verkauft – einen solchen Start hätte ich alleine nicht hinlegen können.
Was war für dich ausschlaggebend für deine Bewerbung beim DfT?
Ich habe meinen Abschluss an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin gemacht – hier war der DfT bereits bekannt. Da Kommilitonen wie Sasa Kovacevic und Michael Sontag bereits am DfT teilgenommen oder wie Parsival Cserer ein Jahr vor mir sogar gewonnen haben, stand der Wettbewerb ganz oben auf meiner Liste.
Die Förderung des DfT wird gerne als nachhaltig bezeichnet – was verstehst du unter diesem Begriff und wie sah konkret deine nachhaltige Förderung aus?
Nachhaltig ist das Gegenteil von Fast Fashion. Sternchen, die kommen und gehen. Ich habe noch immer ein gutes Verhältnis zu dem DfT-Team, welches mich bei meinem Gewinn begleitet hat. Sie stehen mir auch jetzt noch mit Rat und Tat zur Seite; sei es bei Pressetexten, bei Kontaktvermittlungen oder bei der Sponsorensuche. Auch werde ich immer wieder zu Veranstaltungen eingeladen und mit einbezogen. Ich freue mich sehr über die Nachbetreuung.
Wie sah dein Werdegang nach der Award-Verleihung aus, sowohl während des Jahrs beim DfT als auch danach? Kannst du uns etwas über deine Zusammenarbeit mit dem damaligen Schirmherren Marc Jacobs erzählen?
Ich habe im Sommer 2011 den DfT gewonnen – danach ging alles ganz schnell: ein neues Atelier, zwei Praktikanten, Pressetermine, die Vorbereitung meiner Kollektion für Januar sowie eine Inspirationsreise nach New York – u.a. ins Studio von Marc Jacobs und zur Fashion Week. Ich bin bei Marc im Atelier vorbei geschneit, während er gerade in den Vorbereitungen für seine Show steckte, die er einen Tag später präsentierte. Dort saß ich in der ersten Reihe und durfte danach sogar noch backstage sein.
Im Anschluss an New York reiste ich zur Stoffmesse nach Paris und dann wieder nach Berlin, um meine Kollektion für meine eigene Show auf der Mercedes-Benz Fashion Week fertigzustellen. Nach der Begleitung durch den DfT musste ich mich selbst behaupten. Ich war auf Messen in Berlin und Amsterdam, habe die Kollektion produzieren und verkaufen lassen. Kurz darauf wurde ich vom Goethe Institut in St. Petersburg eingeladen, meine neue H/W Kollektion zu zeigen. Im Juli 2012 war ich mit meiner zweiten Show auf der Berliner Fashion Week präsent. Neben dem Aufbau meines Labels „KIESEL“ arbeite ich seit September 2012 als Dozentin für Modedesign an der ESMOD in Berlin.

Wo siehst du die Probleme der Nachwuchsförderung in Deutschland? Warum wird Modedesign in Deutschland nicht staatlich gefördert, so wie es in anderen Ländern wie Frankreich oder Italien gängig ist?
Gute Frage! Auf nationaler Ebene versucht Berlin etwas zu erreichen. Ein guter Anfang ist da sicher der Berlin Showroom und die vom Senat vergebenen Slots auf der Mercedes-Benz Fashion Week Berlin. Wünschenswert wäre es, wenn Nachwuchsdesigner nicht nur alle halbe Jahre neben großen Namen mit in den Fokus der Branche rücken, sondern nachhaltig und kontinuierlicher gefördert werden würden.
Würdest du sagen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Modeverständnis der Deutschen und dem Stellenwert der Modeförderung gibt?
Ja, da gibt es aus meiner Sicht ganz sicher eine Koexistenz. Wir als junge Designer merken ja auch, dass es oft einfacher ist, im Ausland Sachen zu verkaufen als in Deutschland.
Abschließend, was war für dich die wichtigste Erkenntnis bei der Zusammenarbeit mit dem DfT?
Im Fokus meines Studiums stand ganz klar die Design-Ausbildung. Mit Themen wie Pressearbeit, Marketing und Verkauf bin ich erst später in Berührung gekommen. Ein Wurf ins kalte Wasser: Ich musste innerhalb von sehr kurzer Zeit lernen, was es bedeutet, ein Modedesigner zu sein und mit seiner Arbeit Geld verdienen zu müssen. Ich bin es angegangen und bin mit dem, was ich bisher geschafft habe, sehr zufrieden.
Was kannst du den diesjährigen Kandidaten und zukünftigen Bewerbern mit auf den Weg geben?
Macht Euch auf was gefasst! Da kommt etwas auf Euch zu, was Ihr Euch nicht vorstellen könnt. Nehmt alles mit und genießt die Zeit. Nutzt die Hilfe, die Euch geboten wird. Lernt so viel wie Ihr nur könnt. Nutzt diese tolle Chance für einen tollen Start ins Berufsleben. Viel Glück und vor allem viel Spaß.