Big News: H&Ms neue Designkooperation mit Erdem

H&M gibt seine neue Designkooperation bekannt

Da ist sie: Die neue Designkooperation von H&M. Same procedure as every year. Ein neuer Name in der Reihe der Designer von Stella McCartney (welch Ironie, wenn man an die Nachhaltigkeit denkt, die sie in unserem Interview fordert), Karl Lagerfeld, Viktor & Rolf, Balmain und zuletzt Kenzo. Und das waren nur einige Namen, denn die Kooperationstradition zieht sich beim schwedischen Modeunternehmen schon seit 2004, also seit gut 13 Jahren. Unglaublich, wenn man an die sonstige Schnelllebigkeit denkt, die uns medial vorgelebt wird, das Sortiment wechselt täglich, Tausende von Teilen, die täglich online gehen.

Doch die Designkooperationen scheinen den Schweden einfach nicht langweilig zu werden. Und das, obwohl einige von ihnen echte Ladenhüter waren: Man denke nur an Anna Dello Russos Kollektion voll goldenem Kitsch-Schmuck, Maison Martin Margielas kunstvolle Bodysuits, die im Alltag quasi untragbar waren und Kenzos bunte Tigerprints – massentauglich ist anders.

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Aber kommen wir nun erstmal zum neuen Auserwählten: Erdem Moralioglu. Von der Modebranche auch gerne mal „Der Bescheidene“ genannt. Schüchtern, öffentlichkeitsscheu, genau das Kontrastprogramm zu Social-Media-Star Olivier Rousteing von Balmain.

Moralioglu möchte sich nicht durch Selfies vermarkten, sondern durch seine Mode. Und die wurde schon vom British Fashion Council mit dem Nachwuchspreis gefördert. Danach ging es nur steil auf für den kanadischen Designer, der seinen Firmensitz in London hat. Im Juni 2011, nur ein Jahr nach dem Förderpreis des BFG, wird er auch für den Fashion Award als „Most Influential Womenswear Designer“ nominiert. Womit er so erfolgreich geworden ist? Mit seinen verspielten Blumenkleidern, dank denen er auch den Spitznamen „junger Lacroix“ erhält.

Genau diese Blumenkleider sind es auch, die man in dem ersten Preview-Trailer der neuen H&M Kooperation mit Erdem sieht. Zarte Plisseefalten, Millefleurs, verspielte Schnitte – romantischer könnte es nur auf einer Hochzeit zugehen. Inszeniert wurde der neue Trailer übrigens von keinem Geringeren als Filmemacher Baz Luhrmann, der zuletzt mit „The Get Down“ riesige Erfolge hatte und davor mit „The Great Gatsby“ seine Comeback auf der Kinoleinwand feierte.

Doch reichen Blumenkleider, damit eine H&M Designkooperation erfolgreich wird? Ist der Name Erdem bekannt genug, damit sich die Kollektion auch wirklich verkauft?

Erdem Resort 2018 / Fotos via vogue.com

Schon bei der Kooperation mit Balmain werden 2015 Stimmen laut, dass das Konzept der H&M Designkooperationen komplett überholt ist. Die Argumente: mehr als verständlich.

Der Trend der Billigmode ist vorbei. Primark und Co. schreiben zwar immer noch grüne Zahlen, ihr Ruf ist aber schlecht. Auch H&M muss nach dem Fabrikeinsturz in Bangladesh mit einem massiven Imageschaden kämpfen und sieht sich gezwungen, neu über Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen nachzudenken. Der Wunsch nach Nachhaltigkeit und Fair Fashion wird immer größer, umso verquerer der Gedanke, Luxusmode als Nachahmung bei einer riesigen Modekette zu kaufen. Erst recht, da viele Highend-Labels mit rechtlichen Schritten gegen die Ketten vorgehen, die ihre Designs dreist eins zu eins kopieren.

Ein weiterer Kritikpunkt: die Preise. H&M produziert (logischerweise) ihre Kooperationen nicht in extra Fabriken oder zu anderen Bedingungen. Auch die Materialien scheinen sich bei vielen Stücken nicht von den üblichen H&M Stoffen zu unterscheiden. Der Preisaufschlag dafür? Immens. Bis zu 500 Euro kann man für ein Teil bezahlen, da ist der Sale-Preis eines Originals oft günstiger beziehungsweise das Original gar nicht mehr so weit entfernt. Sparen und lieber das echte Designerteil besitzen? Eine Frage, die sich viele stellen.

Zudem ist die Empörung vieler Luxuskunden groß. Isabel Marant und Maison Martin Margiela legen bei ihren Kollaborationen einfach Originalteile aus den Archiven neu auf – mit Abstrichen in Qualität und Material. Trotzdem bleibt der Look der gleiche. Die Kundinnen der Highend-Brands sind verärgert: Warum ein Originalteil kaufen, wenn ich das exakt selbe Design ein paar Monate später auch bei einer Modekette finde?

Alles gerechtfertigte Kritik. Trotzdem darf man eines bei den Designkooperationen nicht vergessen: es geht um Demokratisierung. Nicht jeder kann sich im Sale ein Erdem-Kleid leisten. Trotzdem gibt es Frauen (hallo, c’est moi), die von einem Flower Dress des „neuen Lacroix“ träumen. Das bestätigen nicht nur die Augen des Journelles-Teams, die bei der Verkündung der neuen Zusammenarbeit von H&M leuchten, sondern auch die Verkaufszahlen, die seit 13 Jahren konstant bleiben. Der Hype um die Kollektionen geht auch nach dieser langen Zeit nicht vorbei. Und ist das nicht eigentlich ein positives Zeichen in einer Welt, in der Konsum immer schnelllebiger wird?

Auch Erdem setzt auf seine berühmten Archiv-Teile und legt diese mit kleinen Änderungen (einer sogenannten Neuinterpretation) auf, erweitert die Kollektion aber um eine Herrenlinie, die es so normalerweise nicht zu kaufen gibt.

Er selbst sagt zur Kooperation:

Ich bin so froh, mit H&M zusammenzuarbeiten und meine Arbeit auf einer ganz neuen Ebene entdecken zu können. Dazu zählt auch eine Kollektion für Herren – eine erstmalige Erfahrung für mich. Und es ist enorm spannend, mit Baz Luhrmann zu arbeiten, einem der wichtigsten Erzähler unserer Zeit.

Erdem x H&M wird ab dem 2. November in ausgwählten Filialen und auf hm.com erhältlich sein. Erstmalig entwirft Erdem dafür auch eine Herrenkollektion.

Was sagt ihr zu den Designkooperationen von H&M: spannend oder langweilig? Demokratisierung oder dreiste Nachmache?

Von Marie

Der erste Satz, wenn mich Leute kennenlernen ist: „Das ist aber selten.“ Ja, ich bin ein seltenes Exemplar: Berliner Eltern, Berliner Blut, Berliner Göre. Tatsächlich bin ich so sehr mit der Hauptstadt verbunden, dass ich meinem Kiez in Schöneberg seit über 20 Jahren die Treue halte und noch nie von hier weggezogen bin – und auch nicht dran denke. Und obwohl wir Schöneberger zwar sehr viel von Bio-Supermärkten und esoterischen Edelsteinläden halten, gibt es hier auch das ganz große Mode-Paradies: das KaDeWe. Der Tempel des Shoppings und der Ersatzkindergarten für meine Eltern, sozusagen das Småland bei Ikea für mich (andere Kinder haben dort ihren ersten Wutanfall, ich schmiss mich in voller Rage im Atrium des KaDeWe auf den Boden und weigerte mich zu gehen). Kein Wunder also, dass Mode und ich nie wirklich Berührungsängste hatten.

Spätestens seit der Oberstufe, in der ich – dank Blair Waldorfs Inspiration aus Gossip Girl (ja, das war meine Serie zusammen mit Gilmore Girls) – die Schule nie ohne Haarreif, Fascinator oder eine gemusterte Strumpfhose betrat, hatte auch mein Umfeld begriffen: Marie macht was mit Mode. Und weil ich damit in meinem katholischen "Elite-Gymnasium" so ziemlich die Einzige war, suchte ich meine Verbündeten 2011 woanders: im Internet. Auf meinem Blog Style by Marie. Und so begann meine modische Laufbahn.

Noch mehr Gleichgesinnte und vor allem Freunde fand ich auf der Akademie für Mode & Design in Berlin, bei der ich 2013 meine Ausbildung in Modejournalismus und Medienkommunikation startete. Was für mich seit der 1. Klasse klar war, nämlich das Schreiben mein Ding ist, wurde jetzt zu meinem Beruf: Journalistin. (Denn ja Oma, es gibt noch etwas anderes als Modedesignerin). Dank meines Blogs und einem Praktikum bei der Harper’s Bazaar Germany in der Online-Redaktion blieb ich auch dem Internet und dem Online-Journalismus treu. Und ratet mal, wo ich jetzt bin: Genau, bei Journelles, dem Blogazine, was alle meine Leidenschaften verbindet: Bloggen, Schreiben, online sein – zusammen mit euch!

Kommentare (9) anzeigen

9 Antworten auf „Big News: H&Ms neue Designkooperation mit Erdem“

Demokratisierung? Es geht nur ums Geld, also um Verkaufszahlen. Kenne kein Unternehmen, dass ein anderes Interesse verfolgt und verfolgen kann. Der Artikel ist gut, da er in Ansätzen kritisch hinterfragt und auch die Position einer Stella McCartney nicht außen vor lässt. Eins bleibt im Kern und beißt sich: die Lust auf Mode – und der damit (leider?) verbundene Konsum.

„Der Hype um die Kollektionen geht auch nach dieser langen Zeit nicht vorbei. Und ist das nicht eigentlich ein positives Zeichen in einer Welt, in der Konsum immer schnelllebiger wird?“

Kannst Du Deine Argumentation vielleicht noch etwas ausführen? Mir will sie nicht so recht einleuchten, da in meinen Augen der Hype um die Kooperationen den FastFashion-Kreislauf und somit den Konsum weiter befeuert.

Das war in dem Sinne gemeint, dass wir uns in der Modewelt ja sehr schnell langweilen – deswegen kommen ja nicht mehr monatlich oder wöchentlich neue Kollektionen auf den Markt, sondern täglich. Und irgendwie finde ich es da schon bewundernswert, dass H&M es schafft, mit dem gleichen Prinzip von Designkooperationen seit 13 Jahren erfolgreich zu sein. Dafür, dass wir immer auf der Suche nach Neuem sind, neuen Trends, neuen Stilikonen, neuen Instagram-Stars, neuen Schuhen, DER neuen Handtasche, finde ich es interessant, dass das Interesse an Highend-Designern, die wie Erdem schon seit Jahren das gleiche machen – Blumenkleider –, so groß ist, dass eine schwedische Modekette das aufgreift. Vielleicht wollen wir ja doch nicht immer alles neu, sondern auch ein paar modische Klassiker, nur zu einem günstigeren Preis, weil die Luxuslabels preislich unerreichbar sind… Verstehst du meinen Gedanken?

Ja, danke Dir für die Erläuterung. Deine Gedanken kann ich nachvollziehen. Auch wenn sie mir persönlich fremd sind. Denn irgendwann habe ich für mich beschlossen dieses Spiel nicht mehr mitspielen zu wollen. Das Tempo mit all seinen Nebenwirkungen tat mir einfach nicht gut und manchmal frage ich mich wem es eigentlich gut tut, wenn man von den Kassen der Unternehmen absieht 😉

Liebe Marie, bei allem Verständnis für deinen Traum vom Erdem-Kleid: Du schreibst dass einzelne Teile der Designkooperationen bis zu 500 Euro kosten können, obwohl sie in Kambodscha, Burma und und und hergestellt werden – und zwar von entrechteten Frauen (jedenfalls überwiegend), die für absurd niedrige Löhne arbeiten, die sich nicht gewerkschaftlich organisieren dürfen etc. Findest du ernsthaft, man könne von einer Demokratisierung der Mode sprechen, wenn privilegierte Frauen aus der westlichen Welt Dinge konsumieren, die unter undemokratischen Verhältnissen produziert werden?

Ich verstehe schon, warum man bei solchen Designkooperationen leuchtende Augen bekommt. Aber Bock auf Teile, die man sich unter normalen Umständen nicht leisten kann, mit dem Demokratisierungsgedanken zu rechtfertigen – echt jetzt?

Hallo liebe Mia,

ich verstehe deine Kritik vollkommen, ich habe das auch genau so in meinen Artikel geschrieben, wie du ja lesen konntest.
Der Text ist eine reine Argumentation mit Pro- und Contra, nicht alles davon ist meine persönliche Meinung.

Ich kann den Wunsch nach Erdem zu günstigeren Preisen verstehen, sehe das aber durchaus auch kritisch – wie du an diesem Artikel ja siehst. Ein guter Journalist sollte aber nicht nur einseitig denken, sondern auch versuchen die Sicht der anderen miteinzubeziehen. Wir sind hier schließlich keine Meinungsdiktatoren, sondern informieren in erster Linie. Ich hoffe, du kannst das verstehen.

Liebe Grüße,
Marie

Danke für deine Antwort, liebe Marie. Ich verstehe, dass man das Pro/Contra abbildet. Die Verwendung des Begriffs Demokratisierung verstehe ich trotzdem nicht. Als Journalist sollte man ja PR-Gerede à la „Demokratisierung der Mode“ hinterfragen – das hat nichts mit Meinungsdiktatur zu tun. Sei’s drum. Viele Grüße und dir ein schönes Wochenende.

Danke für die Erläuterung. Ich muss zugeben, dass ich als Leserin zwischen „reiner Argumentation mit Pro- und Contra“ und „persönlicher Meinung“ nicht immer unterscheiden kann. Die meisten Artikel und Themenserien sind hier sehr persönlich gehalten und eng mit den Autorinnen verknüpft, sodass ich dazu tendiere auch Infoartikel wie diesen als persönliches Meinungsbild zu lesen. Wieder etwas dazu gelernt 😉

Schwieriges Thema, gut beschrieben, auch in den Kommentaren bisher. Ich habe damals ein Kleid von Stella McCartney x HM gekauft und trage es bis heute sehr gerne. Das ist dann in gewissem Sinne das Gegenteil von Fast Fashion. Trotzdem wurde es unter vermutlich miserablen Bedingungen hergestellt. Wobei das Material klasse ist, es ist tatsächlich aus echter Seide. Ist ja auch schon etwa 10 Jahre alt, heute wäre es wohl aus Polyester. Was mich übrigens wahnsinnig ärgert ist, dass die teuren Originale teilweise auch in China etc. hergestellt werden. Da fühle ich mich dann verarscht, egal ob ich es im Sale bekommen habe oder sogar den vollen Preis gezahlt habe.
Ob die Kooperationen jetzt eine Demokratisierung bedeuten? Ich denke eher nein. Mein Tip: im Italienurlaub z.B. findet man wunderbare Blumenkleider, made in Italy und genauso schön wie Erdem und Co. es steht halt nur nicht der „richtige“ Name auf dem Etikett…..für mich eine echte Alternative.

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.