Heute ist Weltfrauentag – und es ist noch eine Menge zu tun

ALLE machen heute am Weltfrauentag mit. Doch worum geht es heute eigentlich und wo stehen wir?

Heute ist Weltfrauentag. Am Weltfrauentag gibt es viele tolle Dinge für uns Frauen. Zum Beispiel kostenlose Rosen am U-Bahnhof von Marke X oder eine Instagram-Kampagne von Marke Y , in denen wir Bilder von uns hochladen können samt Beschreibung, warum wir gerne eine Frau sind. Aber bitte vergesst dabei nicht das Hashtag der Brand, die zur Aktion aufgerufen hat. Viele internationale Modemarken haben extra für den heutigen Weltfrauentag bunte Kapselkollektionen oder limitierte Editionen kreiert, die ihr kaufen könnt und von deren Erlös ein Betrag im Cent-Bereich an eine wohltätige, Frauen unterstützende Organisation gespendet wird.

Das fühlt sich doch gut an. Alle Augen auf uns! Eine Frau sein, das ist am Weltfrauentag wirklich eine feine Sache. Oder?

Der Ursprung liegt nicht im Kapitalismus, sondern im Sozialismus

Doch worum geht es am Weltfrauentag eigentlich wirklich? Geht es tatsächlich darum, dass sich die Drogeriekette Rossmann in Rossfrau umbenennt? Darum, dass wir Rosen, Prosecco und pinkfarbene Aufkleber geschenkt bekommen? Darum, dass wir Frauen Bilder von uns auf Instagram hochladen und darunter schreiben, warum wir uns so lieben? Darum, dass wir ein T-Shirt kaufen, auf dem „Fight the Patriarchy” steht? Darum, dass wir uns selbst mal auf die Schulter klopfen und uns gratulieren für diese gleichberechtigte Gesellschaft, in der wir in Deutschland leben? Unsere Postfächer sind voll von Pressemitteilungen aus dem Mode- und Beautykosmos, die irgendwas bewerben und den Tag zum Anlass für Konsum nehmen.

Tatsächlich geht die Geschichte des Internationalen Frauentags auf eine initiative der deutschen Sozialistin Clara Zetkin zurück, auf deren Vorschlag hin im Jahre 1910 die 2. Internationale Sozialistische Frauenkonferenz in Kopenhagen den Beschluss fasste:

 

Im Einvernehmen mit den klassenbewussten politischen und gewerkschaftlichen Organisationen des Proletariats in ihrem Lande veranstalten die sozialistischen Frauen aller Länder jedes Jahr einen Frauentag, der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient

Das Ziel damals: die Durchsetzung des aktiven und passiven Wahlrechts der Frauen. Seitdem ist eine Menge passiert. Das Frauenwahlrecht ist, zumindest in Deutschland, eine Selbstverständlichkeit. Wir Frauen dürfen über unser eigenes Geld verfügen, uns scheiden lassen, wir dürfen den Beruf wählen, den wir uns wünschen. Wir können uns frei bewegen, dürfen Kinder bekommen, oder auch nicht, dürfen eine Meinung haben. Mission erfüllt? Mitnichten. Allein schon die Tatsache, dass der Weltfrauentag von einem sozialistischen Tag des kämpferischen Aktionismus zu einer kapitalistischen Farce verkommen ist, zeigt, wie wenig Ernst die noch immer existierenden Probleme von Frauen in unserer Gesellschaft genommen werden.

Probleme, die man auch nicht mit dem feinsten, pinkfarbenen Schaumwein und Rabattaktionen in gängigen Onlineshops wettmachen kann.

Von Gleichberechtigung sind wir noch immer meilenweit entfernt

Noch immer verdienen Frauen weniger als ihre männlichen Kollegen in gleichen Positionen. Die sogenannte bereinigte Gender Pay Gap liegt in Deutschland bei 6 Prozent, die nicht bereinigte gar bei 21 Prozent. Eine ausführliche Erklärung hierzu hat der {Faktenfinder der Tagesschau}. Frauen sind noch immer stärker gefährdet, in die Altersarmut abzurutschen, als Männer. Einer der Hauptgründe hierfür ist die Tatsache, dass es größtenteils Frauen sind, die zugunsten der Kindererziehung im Berufsleben pausieren oder in Teilzeit arbeiten. Mehr Informationen dazu gibt es hier.

Gewalt gegen Frauen zählt laut Weltgesundheitsorganisation WHO noch immer zu einem der größten Gesundheitsrisiken für Frauen weltweit. Weitere Hintergründe hat die {Bundeszentrale für politische Bildung}. Erst seit drei Jahren, nämlich seit dem 15. März 2015, ist die sogenannte „Pille danach” rezeptfrei erhältlich. Wer dennoch ungewollt schwanger wird, steht jedoch auch in Deutschland vor einem großen Problem.

Denn entgegen der allgemeinen Wahrnehmung ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland noch immer rechtswidrig und steht nach Paragraf §§ 218 ff. des Strafgesetzbuches unter Strafe – Abtreibungen werden offiziell nur geduldet. Aufsehen erregte der Prozess um die Ärztin Kristina Hänel, die zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt wurde, da sie auf ihrer Webseite darauf hingewiesen hatte, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Laut Paragraf §§ 219a des Strafgesetzbuches hat sie damit eine Straftat begangen. Nicht nur muss Frau also mehrere (oftmals demütigende) Stationen auf der Suche nach Beratung zu einem Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft durchlaufen. Sie wird auf dieser Suche auch allein gelassen. Selbstbestimmung? Mit angezogener Handbremse.

Auch an den 364 anderen Tagen im Jahr kann man für die Sache kämpfen

Wer genau hinschaut, merkt also: Von einer gleichberechtigten Gesellschaft sind wir, obgleich auf einem einigermaßen richtigen Wege, noch meilenweit entfernt. Da helfen auch keine Plus-Size-Barbies von Mattel, keine Sondereditionen feministischer Kampfspruch-T-Shirts von Modeketten, kein kostenloser Prosecco und keine Rossfrau.

Es gilt, die Augen nach verstecktem, alltäglichen Sexismus in Deutschland offen zu halten, Ungleichheiten zu erkennen und dagegen vorzugehen und vor allen Dingen wird es Zeit, dass wir Frauen anfangen, uns gegenseitig zu unterstützen, uns Mut zu machen. Miteinander zu arbeiten anstelle von nebeneinander her.

Im Feminismus geht es nicht darum, dass Frauen an erster Stelle stehen. Es geht darum, dass wir eine Gesellschaft erschaffen, in der jede*r, egal welches Geschlecht, welche Religion oder welche Hautfarbe er*sie hat, mit den gleichen Chancen und Möglichkeiten und entgegengebrachtem Respekt leben kann.

Es schadet natürlich nicht, mit dem Kauf eines Teiles, das man schön findet oder dessen Message man teilt, etwas Gutes zu tun. Schließlich ist jede Spende Geld, das für die Sache gebraucht wird. Wer Gutes Tun will, kann das aber auch an allen anderen 364 Tagen im Jahr, dafür müsst ihr nicht auf den 8. März warten.

Hier findet ihr eine Liste von Frauenorganisationen und -vereinen, die jede Spende gut gebrauchen können

Diesen Powerfrauen folgen wir auf Instagram:

Und diese tollen Frauen sind zwar nicht auf Instagram, jedoch auf Twitter anzutreffen

Ergänzungen sind herzlich Willkommen!

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Kommentare (6) anzeigen

6 Antworten auf „Heute ist Weltfrauentag – und es ist noch eine Menge zu tun“

Um ehrlich zu sein ist das Medium Journelles doch keinen Deut besser als die kommerzielle Dekontextualisierung des Weltfrauentags die hier diskreditiert wird. Ich selbst verstehe diese Website nicht als feministische Plattform. gegendert wird hier so gut wie nie, Themen in Richtung Feminismus werden sehr selten aufgegriffen und finden meistens nur im allgemeinen öffentlichen Aufschrei statt, zudem habe ich gerade deinen Instagram Post gesehen, in dem du Jessi dich über vermeintlich dargestellte „Hängebrüste“ beschwerst. Das passt für mich nicht zusammen. Ich finde die Kommerzialisierung feministischer Inhalte auch bedenklich, bin aber dankbar für die öffentliche Aufmerksamkeit und verstehe die gesamte Sensibilisierung als einen langwierigen Prozess, der in unserer kapitalistischen Gesellschaft kaum anders funktioniert.

Liebe Lena,

danke für deinen Kommentar. Ich verstehe deinen Punkt, denke aber, dass auch eine Plattform wie Journelles das Recht hat, sich kritisch gegenüber solchen Themen zu äußern. Zum Thema Gendern gebe ich dir Recht, ich versuche in meinen Artikeln dennoch darauf zu achten. Sich für solche Thematiken zu öffnen geschieht eben ab einem gewissen Punkt und da Journelles eine Seite von Frauen für (vornehmlich) Frauen ist, sehe ich Bedarf, mich zu äußern. Anstoß waren die wirklich zahlreichen Emails, in denen Produkte und Kollektion für den Weltfrauentag angepriesen wurden. Auch ich bin der Meinung, das im Prinzip jede Aufmerksamkeit erst mal gut ist (daher verweise ich am Ende des Artikels auch darauf, dass das Kaufen etwa eines speziell für diesen Tag designten T-Shirts kein Verbrechen ist).
Wo es aber hilft, dass etwa eine Schokoladenmarke mit viel Pink und dem Slogan „Alles, was Mädels brauchen” den Weltfrauentag als Marketingaufhänger nutzt, musst du mir erklären.

Auch unser Artikel trägt doch hoffentlich zum Sensibilisierungprozess der Gesellschaft bei. Wenn auch nur im kleinen Rahmen.

Liebe Grüße x
Lisa

Liebe Lena, für mich ist die Kernaussage deines Kommentars, dass Journelles als Webseite keine feministisch und/oder konsumkritischen Artikel veröffentlichen soll, da sie sich hauptsächlich mit den oberflächlichen Themen und Konsum auseinandersetzt. Das finde ich auf der einen Seite sehr nachvollziehbar und der Satz „Das passt für mich nicht zusammen.“ ist mir auch schnell in den Kopf geschossen. Aber genau dort, wo Dinge „eigentlich nicht zusammen passen“ verändern sich Dinge, erst wenn der Autofan zum Fahrradfahrer wird, der Fleischliebhaber einen Veggietag einlegt und das „Modemädchen“ konsumkritisch denkt und schreibt, verändern sich Dinge. Es ist doch wahnsinnig schön zu sehen, dass immer mehr Menschen und Medien reflektierter werden, Dinge hinterfragen und sich an der eigenen Nase packen. Zumindest immerhin ein Anfang.
Und so ganz zusammen passt doch irgendwie nichts, wir widersprechen uns andauernd und überall.
Aber zum Stichpunkt „Hängebrüste“ und „Gendern“: auch ich freue mich sehr, wenn die Redaktion sich noch mehr Gedanken über ihren Einfluss auf die Leser*innen macht und feministische Sichtweisen selbstverständlicher die Beiträge prägen.
Happy Frauentag!

Und ich finde es ganz toll, dass hier keines der Slogan-Shirts verlinkt ist! Der Inhalt ist wichtig und steht im Vordergrund, nicht der Konsum! Super, Lisa! Ich find’s gut!

Danke für diesen Artikel Lisa! Ich finde du bist eine tolle Bereicherung fürs Team. Seit du dabei bist (und Marie weg ist), bin ich wieder viel mehr auf Journelles!

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.