Gesprächsstoff: #Selfie 2014

Die Entwicklung des Selfies – von Umkleidekabinenbildern über Duckfaces bis hin zur ultimativen Selbstdarstellung und Inszenierung. Wo geht’s hin mit den Selfies im Jahr 2014 und wie viel können wir eigentlich noch ertragen? Selfie ist immerhin das Wort des Jahres 2013 geworden und wir können auf allen Ebenen, in jeder Berufsgruppe, bei No Names oder

Die Entwicklung des Selfies – von Umkleidekabinenbildern über Duckfaces bis hin zur ultimativen Selbstdarstellung und Inszenierung. Wo geht’s hin mit den Selfies im Jahr 2014 und wie viel können wir eigentlich noch ertragen? Selfie ist immerhin das Wort des Jahres 2013 geworden und wir können auf allen Ebenen, in jeder Berufsgruppe, bei No Names oder A-Promis beobachten, wie sich fein selbst inszeniert wird.

Spannend zu lesen ob all der Kritik an Outfit-Blogs und dem prophezeiten Ende dieses Hypes fand ich die frisch veröffentlichte Top15-Aufstellung von Fashionista, die die einflussreichsten Personal Style Blogger auflistet. Auf Platz 1: Leandra Medine dicht gefolgt von Bryanboy, Cupcakes & Cashmere oder Atlantic Pacific. Alles Amis, alles Profis, die den lieben langen Tag sich selbst und ihren Look zelebrieren und bis zu 10 instagram-Fotos pro Tag rausballern.

Wir sind auch ein Teil davon, durch JOURlooks und gelegentliche Selfies und ich muss gestehen: Macht auch Spaß – bis zu einem gewissen Punkt. Team Journelles diskutiert daher heute über die vermeintliche Zukunft des Selbstdarstellungs- und Selfie-Hypes. Wir freuen uns auch auf eure Meinungen!

Jessie: Als Web2.0-Sprössling, digital native (jaja, das sind wir ja nun alle!) und Bloggerin der ersten Stunde habe ich 2007 Spiegelfotos geknipst und öffentlich geteilt: mit den schlechtesten Handykameras, Staubschichten auf H&M-Umkleidekabinenspiegeln und wenig repräsentativen Ergebnissen. Der Grund: Dokumentation, die schnelle Frage nach dem „kaufen oder nicht kaufen“, Erinnerungsstütze, Blog-Material. Dabei stand weniger die eigene Person im Vordergrund, sondern das Erlebte und Gesehene. Über die Jahre hat sich der Prozess professionalisiert, schöne Bilder bringen dem Betrachter mehr, Inspirationen liefert man gleich mit. Für mich ist der Entwicklungsprozess bis zum heutigen Selfie somit völlig natürlich. Für mich sind lediglich die Absichten des Selfie-Knipsers nicht mehr ganz deutlich und der Vorwurf der Selbstdarstellung liegt nah. Ich hab mir also die Frage gestellt: Wieso mach ich eigentlich #Selfies? Ich glaube, es geht hierbei einzig und allein um sein Image. Schliesslich zeigt man sich so, wie man sich am liebsten selbst sieht.

Wieso knipst ihr Selfies, die ich, nebenbei bemerkt, übrigens total gern anschaue (siehe Headerfoto)?

Hanna: Ich blogge seit ich 15 bin und damals, 1999, gab es Selfies auch schon. Zwar in Form von statischen Webcam-Bildern, aber sie waren da. Und überaus beliebt! Auch heute führen Selfies bei Instagram die Top-Klick-Liste an. Auch in meinem Profil! Warum? Neben all den schönen Dingen, den wunderbaren Alltagseindrücken und netten Momentan „braucht“ man irgendwie ein Gesicht. Und zwar nicht irgendein geknipstes, sondern ein PERSÖNLICH gemachtes. Meine Hand, mein iPhone, mein Moment, mein Gesicht. Schon irgendwie irre! Es ist auch ein Rohr nach aussen, ein „so nah bei mir“- Moment. Der leider bei vielen einen regelrechten Narzissmus abtritt, weil man so lange eines nach dem anderen knipsen kann, bis man perfekt aussieht. Und dann die Kommentare dazu! Das sind ganz viele Streicheleinheiten, die bei manchen leider gekippt sind…

Julia: Ah Selfie. Das Wort tut mir in den Ohren weh. So wie Hipster. Alleine aufgrund der Tatsache, dass dieses Phänomen so diskutiert wird, habe ich irgendwie das Gefühl, davon Abstand nehmen zu müssen. Es gibt da dieses Video, das letztens rum ging – „Hipster“, die denken, dass sie fotografiert werden, in Wirklichkeit wird aber ein Video gedreht. Niemand will sich so sehen, oder? Ich persönlich komme mir panne dabei vor… Die Hand so drapieren, dass man ihr den Krampf nicht ansieht, 100 mal neu posieren, weil es keinen Fotografen gibt, der zuschaut… Ich mag Bilder von mir selbst, dass muss ich zugeben, aber lieber, wenn sie jemand anderes geschossen hat!

Jessie: Guter Punkt, ich hatte manchmal Schiss, beim Selfie erwischt zu werden, haha! Und bei dir war obenstehendes Selfie auch tatsächlich das einzige in deinem instagram-Feed. Wie findest du Selfies bei anderen?

Julia: Ich gucke mir generell gerne, zum Beispiel auf Instagram, Fotos anderer Leute an! Gar keine Frage. Aber bei manchen Selfies denke ich echt „Oh Gott musst du dich verrenkt haben, damit dieses Bild entsteht“. Das meine ich gar nicht böse, aber ich kenne diesen Impuls auch nicht so wirklich, jetzt unbedingt ein Bild von mir in dieser und jener Position schießen zu müssen. Manchmal kann ich da den Mitteilungsdrang nicht ganz nachvollziehen. Aber ich mache sehr gerne Bilder von meinem Essen. Ich liebe Essen und auch die Dokumentation davon. Das kann man genauso für bescheuert erklären und rechtfertigen kann ich das auch nicht. Deswegen sei jedem sein Selfie gegönnt. Ich persönlich kann aber mit anderen Arten von Fotos wesentlich mehr anfangen.

Kerstin: Ein heikles Thema, mir wurde schon oft gesagt wie exhibitionistisch die ganze Bloggerei doch sei, dabei besonders das Selbstgeknipse. Ich fühle mich auch etwas beschämt, wenn ich mir den Vorgang bewusst mache. Aber faktisch hat es doch einen Vorteil. Ich will meine Looks, Inspiration, Ideen, Orte gerne anderen zeigen, meist bin ich allein auf Reisen unterwegs. Tja, bleibt ja nur die selfie-Nummer. Außerdem sehe ich oft bescheuert aus, wenn jemand anderes meine Handy-Kamera bedient. Dann mach ich es einfach selbst. Basta! Aber im großen Ganzen gehört die Selbstinszenierung mittlerweile zu unserer Generation.

Facebook, instagram ist nicht mehr wegzudenken. Und die denken, dass früher alles besser war und sich dagegen verwehren, verpassen meiner Meinung nach sehr viel. Das sind dieselben, die auch ewig übers Handy schimpften. Tja, ruft dich eben keiner an! Genauso gehört eben zu Facebook und Instagram eben die Selbstdarstellung. Macht ja auch Spaß! Wir sind alle so mobil, da macht es einfach Freude, trotzdem Feedback von Freunden zu haben. Ich jedenfalls finde nichts Anrüchiges daran, sich zu zeigen. Genauso gucke ich mir gerne andere an. Das ist eben der neue Austausch. Mir gefällt’s.

Alexa: 1. Selfies von Freunden und Promis gucke ich mir immer gerne an 2. bei vielen anderen Leuten denke ich: „Ohje, fishing for compliments“ oder „Warum postet er/sie das????“. Auch bei meinen eigenen Fotos habe ich oft die Sorge eingebildet zu wirken. Bei mir dauert so ein Selfie zu machen sehr lange. 50 x versuche ich ein gutes Foto zu machen, probiere verschiedene Filter und checke danach alle 5 Minuten, ob jemand das Foto geliked hat. Wehe wenn nicht! Das ist auf jeden Fall banane, aber oft sind Selfies in der Tat die Fotos, die am besten funktionieren, wenn man bloggt oder wie z.b. Kerstin und ich etwas verkaufen wollen. Mein Neffe ist 12 und macht auch Selfies. Das ist für den das, was bei uns früher mit Edding auf die Klotür „I WAS HERE“ schreiben war.

Julia: Zum Thema Weiterentwicklung des Selfie habe ich in einem Artikel die Vermutung zu mehr Videos aus der Ich-Perspektive gelesen. Stickwort Google Glasses usw. Kann ich mir gut vorstellen, dass das kommen wird. Bzw. das ist ja eigentlich schon da. Aber bei allem Voyeurismus, nachher läuft es darauf hinaus, dass man sich garnicht mehr über das eigene Erlebte freuen kann, sondern nurnoch begeistert ist, von dem, was die anderen treiben. Das erste Selfie wurde übrigens wohl 1800 geschossen!

Jessie: Haha, ja, früher hiessen Selfies noch Selbstportraits! Und wie steht es nun um die Zukunft des Selfies?

Kerstin: Selfies bleiben auch in Zukunft Mittel zur Selbstdarstellung ob als Video oder als Bild. Für Blogger sind sie die einfachste Lösung unabhängig vom Fotografen Bilder zu zeigen. Zeigt man nur den Ort an dem man sich befindet ist es unpersönlich, ist man selbst mit abgebildet, wirds interessant und zum Beweismaterial. Also: Selfies bleiben!

Jessie: Bestimmt. Mir geht höchstens die Häufigkeit der geposteten Selfies auf die Nerven. Wenn man viele andere spannende Ansichten mit in sein Feed mischt, ist die eigene Visage doch viel erträglicher und spannender – und zeigt auch, dass man die Welt nicht nur aus der Ego-Perspektive sieht.

Alexa: Selfies bleiben, aber dürfen nicht mehr so peinlich gestellt wirken. Auch das ständige Posing mit neuen teuren Handtaschen a la Byranboy wird langweilig. Vor allem im Bereich Reise und Promis finde ich Selfies weiterhin spannend. Duckface & Co. sind passé.

Und was denkt ihr?

Von Jessie

Ich bin Jessie Weiß, 32 Jahre jung, lebe verheiratet in Berlin, bin Mama von Levi (1), schwanger mit dem zweiten Kind sowie Gründerin von Journelles. Ich liebe Phoebe Philo, Stella McCartney und Isabel Marant, kann aus anatomischen Gründen nicht auf hohen Schuhen laufen, habe einen Céline-Taschentick, tanze und höre leidenschaftlich gern Hip Hop, kann mir selten Ironie verkneifen, leider immer noch kein Französisch sprechen, obwohl ich Paris für die schönste Modestadt der Welt halte, gucke am liebsten Jimmy Fallon, Jan Böhmermann, Game of Thrones oder entspanne beim Serienmarathon auf Netflix, bin ein kleiner Workaholic mit Multitaskingtalent, professionelle Instagram-Durchscrollerin, in jeder Lebenslage tollpatschig, habe ein Faible für skandinavisches Interior und einen Kissen-Tick, bin groß im Wellness machen und wäre daher noch lieber professionelle Hoteltesterin. Mode ist meine grosse Liebe, aber meine Kohle investiere ich eher in Reisen und Essen – und neuerdings fast ausschliesslich in mein Kind.

Als alter Bloghase – 2007 habe ich LesMads mitbegründet – ging im Oktober 2012 mein persönlicher Traum in Erfüllung: Ich habe mich mit "Journelles" selbstständig gemacht. Das Blogazine ist mein digitales Zuhause, News-Plattform, Modetagebuch und tägliche Anlaufstelle für spannenden Content rund um die Themengebiete Interior, Reisen, Beauty und sowohl High Fashion als auch Contemporary Labels und Highstreetmode.

Nebenbei habe ich die Modesendung It's Fashion auf EinsPlus von der ARD moderiert, berate Firmen im Social-Media-Bereich, halte Vorträge und reise um die Welt, um euch täglich den schönsten Content zu präsentieren. Im Juni 2015 habe ich mein eigenes Modelabel JOUUR. gegründet.

2016 ist mein Sohn Levi auf die Welt gekommen. Baby-Themen werden seither auf Mini Journelles behandelt und das nun auch wieder intensiver, da unser zweites Kind unterwegs ist.

Journelles ist inzwischen gewachsen: Wir sind ein sechsköpfiges Redaktionsteam im Berliner Prenzlauer Berg und haben im Sommer 2018 unseren ersten temporären Concept-Store, den Journelles Marché, eröffnet.

Mein Credo: Mode muss Spaß machen, auf Augenhöhe funktionieren und sollte sich nicht so ernst nehmen.

Mehr über mich findet ihr im Presse-Bereich, auf Instagram und ab und an auf YouTube. Subscribe!

Aktuelles Presse-Feature:

VOGUE.DE: "Influencer im Portrait: Jessica Weiß - Alles, nur kein Stillstand"

Kommentare (7) anzeigen

7 Antworten auf „Gesprächsstoff: #Selfie 2014“

Um beim „denglish“ zu bleiben: I like them!
Aber interessant ist auch, dass man die eigen inszenierten Fotos selber ganz anders wahrnimmt als andere. Ich denke oftmals von Selfies der Anderen: wie kannst du dich nur so darstellen 🙁 . Bei den eigenen Bildern bin ich zwar kritisch aber empfinde sie doch schöner als zB meine Family!!

Bei interessanten Menschen, die viel erleben (euch zähle ich alle dazu), finde ich Selfies völlig ok und gucke sie mir gerne an. Es wirkt aber nur dann sympathisch, wenn man sich nicht so zeigt, als hätte man sich extra nur für das Foto gestylt. Leute, die aus Langeweile Selfies posten (ca. 5 am Tag), nerven mich! Und leicht bekleidet im Bett räkelnde #nomakeup #justwokeup Fotos finde ich gruselig, das ist meiner Meinung nach reines Fishing for compliments!

Spannendes Thema! Die Selbstinszenierung ist schon merkwürdig, andererseits sind Selfies irgendwie persönlich und Gesichter einfach spannend…

Selfies = guilty pleasure. Sowohl das aktive Aufnehmen als auch das passive Konsumieren! Irgendwie schämt man sich dafür (treffende Wortwahl von Jessie: die Angst, „erwischt“ zu werden!), aber irgendwie ist es auch spannend und aufregend und witzig und ohne geht’s auch nicht mehr.
http://www.gerigazette.blogspot.com

Ein bisschen Trivia vom Oxford Dictionaries-Blog: „The earliest known usage is found in an Australian online forum post:
2002 ABC Online (forum posting) 13 Sept.
‚Um, drunk at a mates 21st, I tripped ofer [sic] and landed lip first
(with front teeth coming a very close second) on a set of steps. I had a
hole about 1cm long right through my bottom lip. And sorry about the
focus, it was a selfie.'“
Das Ergebnis war dann wohl ein drelfie…

Spannender Post! Ich muss an einen Artikel von James Franco denken ( http://www.nytimes.com/2013/12/29/arts/the-meanings-of-the-selfie.html ). „In our age of social networking, the selfie is the new way to look someone right in the eye and say, “Hello, this is me.”“

Wie Hanna kenne ich Selfies schon aus meinen Internetanfängen (bei mir 2002/3). Da war ich in einem Forum angemeldet. Die Selbstportraits der User waren schnell der Renner und das eigentliche Thema des Forums (Grafik-/Webdesign) geriet in den Hintergrund. Selfies waren schon immer beliebt und werden es auch bleiben. Mit Selfies kann man sich so präsentieren, wie man möchte, sich „ausdrücken“, wenn man so sagen will. Und andersrum schaut man sich (okay, die meisten) Selfies halt gerne an – zur Inspiration oder weil man einfach neugierig ist. Ich muss sagen: ich war selbst etwas „erschrocken“, dass meine „5 top liked photos 2013“ auf Instagram alle samt mein Gesicht oder mich insgesamt abbilden. Ein tolles Landschaftsfoto oder ein atemberaubender Sonnenuntergang bekam nie so viele Likes wie ein Foto mit meiner Fresse drauf. Aber so ticken wir anscheinend eben.

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.