Das Comeback von Proll-Marken wie Ed Hardy & Co.: Neu inszeniert plötzlich cool oder immer noch voll oll?

Ed Hardy is back! Nein, das ist kein verfrühter April-Scherz. Team Journelles diskutiert über Proll-Labels und deren Imagewandel

In letzter Zeit gab es zahlreiche Labels, die ein erfolgreiches Comeback samt Imagewechsel feierten. Angefangen bei Boy London, Fila, Ellesse, S. Oliver, Champion oder Esprit, wo man sich Unterstützung von Opening Ceremony holte, bis hin zu Vetements, die mit der Frühjahr/Sommer Kollektion 2017 gleich 17 Marken zu modischem Glanz verhalfen – darunter Carhartt, Alpha Industries und Juicy Couture.

Früher war man vorsichtig, welche Marken zusammenpassten. Heute sind Labelmacher mutiger, in manchen Fällen sogar kamikazemäßig tollkühn. Das Ergebnis kann genial sein.

Wie bei diesem Beispiel: Louis Vuitton kooperiert mit der New Yorker Skatermarke Supreme, bekannt für Mützen und T-Shirts mit rotem Logo. Nicht nur die Leser von Highsnobiety bekamen angesichts der auf der Männermodewoche in Paris gezeigten #LVxSupreme-Entwürfe heiße Ohren und Schnappatmung.

Jetzt hat die Branche den nächsten Coup auf Lager und der ist ungefähr so überraschend, als würde Philipp Plein der Nachfolger von Karl Lagerfeld bei Chanel: Ed Hardy ist zurück. Ja, genau jene vom verstorbenen Christian Audigier entworfenen Tattoo-T-Shirts, in denen Madonna jahrelang die Paparazzi langweilte und ihr Image als Stilikone demontierte. Allerdings wurden die T-Shirts jetzt von der Londoner Streetstyle-Marke Illustrated People so zeitgeistig inszeniert, dass man sie fast für schön befinden möchte.

Team Journelles diskutiert die neue Inszenierung der alten Labels in einem bisher ungewohnten Umfeld kann und wie früher als prollig geltende Brands zu neuen Fashionlieblingen avancieren können – und natürlich sind wir gespannt auf eure Meinung!

Ari: Hui, spannend. Also Supreme und Louis Vuitton finde ich vielleicht noch lustig. Beim Rest bin ich raus. Alpha Industries fand ich schon immer schlimm. Ed Hardy auch.

Alexa: Ja, Ed Hardy ist ein krasses Comeback. Aber die Fotos sehen nicht schlecht aus. Vielleicht kommt es immer auch auf die Inszenierung von Mode an. Für mich waren z.B. auch Alpha-Bomberjacken immer mit Skinheads verbunden und untragbar – jetzt gibt es sie bei H&M und Kaufhof und alle tragen sie, selbst meine kleinen Neffen. Und sehen cool aus! Manchmal muss ein Image auch erst in Vergessenheit geraten, dann kann eine Marke wiederbelebt werden?

Marie: Ich finde gerade bei Alpha Industries kann man sich auch die Frage stellen: Wie politisch bin ich mit meiner Mode? Natürlich möchte man Klischees ablegen und auch den Ruf der Marken verbessern, aber ich treffe mit meiner Kleidung ja trotzdem immer noch eine gesellschaftliche Aussage. Ich würde mir deswegen keine Alpha Industries Jacke kaufen, genauso schwer tue ich mich auch oft noch bei Fraktur-Schrift. Es hat ja einen Grund, dass wir die Dinge jahrelang gemieden haben. Oder?

Alexa: Das stimmt, der PLO-Print ist ja auch immer wieder umstritten. Dennoch glaube ich: Mode darf alles und es kommt immer auf den Kontext an. Im Closet Diary von Ubin Eoh sagt sie zum Beispiel, dass sie die Bomberjacke von Alpha cool findet und keinesfalls den Nazis überlassen will. Solche Statements finde ich stark.

Marie: Da hast du Recht, vielleicht muss einer einfach immer mutig sein und den Anfang machen.

Tine: Die Ed Hardy-Kampagne ist gut inszeniert. Das erlebe ich täglich in meinem Job, die richtige Inszenierung ist alles: Nimm den richtigen Fotografen, gute Models, eine spannende Location und ich kann dir sogar Fleece-Westen schmackhaft machen! Das Ergebnis kennt aber jeder: sieht in der Kampagne gut aus, aber ein Ed Hardy Shirt bleibt ein Ed Hardy Shirt.

Alexa lacht laut wegen der „Fleece-Weste“

Anna-Lena: Wenn ich über diese Auferstehung oder Neuerfindungen nachdenke, vergleiche ich sie irgendwie mit Menschen. Jemand, der als pubertierender Teenager ein richtiger Vollidiot war und absolut beknackte Ansichten hatte, kann sich ja tatsächlich positiv verändern, wenn er etwas erwachsener wird und sich mit neuen Leuten umgibt. Deshalb finde ich, man sollte allem grundsätzlich erst einmal offen gegenüber stehen und eine zweite Chance gewähren. Dabei schaut man natürlich umso wachsamer hin, je umstrittener die Vergangenheit war.

Alexa: Ed Hardy war ein doofer Teenager und ist jetzt ein netter Erwachsener – das würde meine Mutter auch über mich sagen.

Anna-Lena: Zu den Alpha-Jacken: Mich würde interessieren, wie viele der Bomber-Fans sich überhaupt darüber bewusst sind, dass die Jacken einen Nazi-Touch haben. Denn oft erschrecke ich darüber, dass viele Leute stumpf und ignorant alles kaufen, was als Trend deklariert wird, und keinen Meter weiter denken und hinterfragen.

Ari: Ich finde es in jedem Fall interessant, dass die Intervalle der Trend-Revivals immer kürzer werden. Gefühlt nicht nur in 10-Jahresabständen sondern kürzer… Führt das eventuell dazu, dass irgendwie alles „Trend“ ist und alles wieder geht?

Alexa: Die Nachfrage nach neuen Sachen ist ja auch viel größer geworden. Eigentlich suchen wir doch täglich nach Trends, gerade als Onlinejournalisten.

Marie: Oh ja, da hast du Recht! BoF hat dazu einen interessanten Artikel geschrieben. Zara produziert im Jahr beispielsweise mehr als 10.000 Designs, was für ein Wahnsinn. Kein Wunder, dass den Designern vielleicht die Ideen ausgehen und sie in die Vergangenheit blicken. Und weil alles ja schon da war, werden dann eben die „Jugendsünden“ rausgeholt und hip gemacht. Cleverer Schachzug, schließlich verbinden wir mit den Bad-Taste-Trends alle etwas und haben eine Meinung. Ob gut oder schlecht mag bei jedem anders sein. Aber Mode mit Emotionen, die im besten Fall noch polarisiert, verkauft sich immer besser.

Ich habe mir gerade die Kollektion von Philipp Plein angesehen. Eigentlich ist das Label ja der Inbegriff an Geschmacklosigkeit und Reminiszenz an die 2000er, aber bei manchen Looks dachte ich dann plötzlich auch: „Hm, gar nicht so weit von Vetements entfernt: Oversized Daunenjacken, Lack und Leder, fette Proll-Sprüche.“

Alexa: Die Geschmäcker sind halt verschieden. Es gibt Leute, die das Totenkopf-Motiv in Strass megaschön finden und sich wundern, warum alle anderen so trist durch die Gegend wackeln. Ich weise wie immer gerne auf meine Style-Queen des Herzens, Carmen Geiss, hin. Die muss jetzt dauernd „Roberto Geissini“, das Label von ihrem Mann tragen. Der Begriff Wort „prollig“ reicht nicht aus, um diese Mode zu beschreiben.

Marlene: Instagram und die Influencer machen die Hype-Invasion einfacher denn je. Auf einmal wird dieser Style gefeiert, nur weil Personen mit mehreren tausenden Follower ihr Outfit publizieren. Und die Menge denkt sich: „Ok, sie muss ja Ahnung haben. Und wenn alle ihr folgen, muss es wohl cool sein.“ So werden Image-Makeovers einfacher denn je.

Alexa: Ich sage jetzt mal was ganz Krasses: Ich finde Gucci mittlerweile genauso prollig wie Ed Hardy. Die klassischen Loafer ausgenommen, aber die Bling-Bling-Taschen und Logo-T-Shirts für 600 Euro finde ich peinlich. Die tragen nur Parvenus, die nicht wissen, was sie mit ihrem Geld machen sollen.

Marie: Hand hoch, ich bin da ganz bei dir Alexa! Gucci ist einfach gerade so gehypt, die können sich alles erlauben. Und die Modebranche schreit nur hurra und kauft. Das hat nix mehr mit Provokation und gegen den Strom schwimmen zu tun.

Jessie: Mich kriegen die Logo-Klamotten auch immer mal wieder, aber ein Blick in den Kleiderschrank zeigt, dass das Haltbarkeitsdatum einfach so schnell überschritten ist. Ein Mal getragen und schwupps, kann man es auch schon nicht mehr sehen – sowohl als Träger als auch als Person, die es von außen sieht. Bestes Beispiel sind die Gucci- sowie Chanel-Shirts, deren Preis so voller Ironie steckt. Die ersten zwei Mädels darin fand ich auf Instagram noch entzückend, dann folgte die Übersättigung. Aber wenn man gut aufgepasst hat, weiß man ja auch, dass die Shirts verschenkt wurden. Da sind wir dann wieder bei cleverem und kostengünstigem Marketing. Selbst wenn es nur für einen kurzfristigen Hype sorgt.

Alexa: Viel cooler sind dann solche Kooperationen von Louis Vuitton x Supreme. Wenn auch unbezahlbar, dann wenigstens überraschend.

Tine: Ist Supreme denn wirklich ein „Proll“-Label?

Alexa: Naja, sagen wir mal etwas „abgelutscht“. Jedes Insta-Girl trägt das rote Logo auf der Brust, einfach nur weil es eine Skater-Marke ist, die Jungs geil finden. Das finde ich hohl. Aber das Gleiche könnte man auch über die Trasher-Sweatshirts mit Flammen-Logo sagen und davon habe ich selber einen im Schrank. Hmpf. Aber wie gesagt in Kombination mit Louis Vuitton finde ich die Marke wieder interessant. Hier ist die Frage, wer wen cooler wirken lässt.

Tine: Ach, auf dem Skatergirl-Trip waren wir doch alle mal, find ich weder dumm noch prollig, das gehört doch irgendwie dazu. (lacht)

Jessie: Allerdings! Und ihr geht auch ganz schön hart ins Gericht mit den Brands – im schier unendlich dichten Label-Wald Aufmerksamkeit zu erlangen ist immer noch das Wichtigste – und das ist den Brands damit ja gelungen. Übrigens ein alter Hut mit der Logo-Mania: Ich wollte mit 16 uuuuunbedingt einen Gucci-Gürtel mit der GG-Schnalle, eine kleine Prada-Tasche mit Logo und das fette „Carhartt“ auf dem Sweater. Ich glaube, das war auch damals schon prollig, hat mir nur keiner gesagt.

Jetzt seid ihr dran: Was denkt ihr über Ed Hardy & Co. und wer aus Team Journelles redet sich in dieser Runde Gesprächsstoff um Kopf und Kragen? Wir sind gespannt auf eure Kommentare!

(Fotos im Header: instagram.com/illustratedpeople, instagram.com/vetements_official, instagram.com/alphaindustries)

Von Alexa

Ich liebe schreiben, bloggen und schöne Dinge zu entwerfen, also mache ich all das.

Als Journalistin habe ich für Magazine und Zeitungen wie Business Punk, Fräulein, Gala, FTD/how to spend it, Instyle, Lufthansa Magazin, Stern, Tagesspiegel, Vanity Fair und zitty gearbeitet. Meine Online-Erfahrungen habe ich u.a. Stylebook und styleproofed gesammelt. Mein Blog heißt Alexa Peng, mein Schmuck-Label vonhey. Ich komme aus dem Rheinland und bin in einem Dorf am Waldesrand aufgewachsen, wo nur einmal in der Stunde ein Bus fuhr. Da muss man sich was einfallen lassen, um sich nicht zu langweilen. Meine Tante hatte in der Stadt eine Boutique und einen Schrank voller Kleider, Schuhe und Taschen, mit denen wir Kinder verkleiden spielen durften. Wir haben Modenschauen im Hobbykeller veranstaltet und die ganze Nachbarschaft eingeladen. Dass ich mal was mit Mode machen würde, war also klar. Nach dem Abi habe ich an der AMD in Hamburg Mode-Journalismus studiert und später an der UdK in Berlin einen Master of Arts in Kulturjournalismus gemacht. In Zukunft will ich mein Label weiteraufbauen, die Welt sehen und gute Geschichten schreiben.

(Foto: Sandra Semburg)

Kommentare (6) anzeigen

6 Antworten auf „Das Comeback von Proll-Marken wie Ed Hardy & Co.: Neu inszeniert plötzlich cool oder immer noch voll oll?“

Ich finde, von Vetements bis Ed Hardy ist es doch gar nicht mehr so weit. Muf10, das Label, das die ganze Skandinavierinnen gerade hypen, schlägt da in die gleiche Kerbe. Ein Urteil darüber will ich mir nicht erlauben. Steht man nicht auf den Vetements-Style ist man ja eh irgendwie raus.
Ich mach da jedenfalls nicht mit. Und das nicht, weil ich niemals so viel Geld dafür ausgeben würde 😉

Bei diesen Trends bin ich auch raus 😉 Mir wird alles rund um Ed Hardy nie gefallen, ebensowenig wie FILA, Bomberjacken, Oversize-Hoodies oder diese merkwürdige Entwicklung, die das Haus Louis Vuitton gerade nimmt. Mit über 30 fühle ich mich persönlich schlicht zu alt um diese Modetrends mitzumachen bzw. dem hinterherzuhechten und bleibe einfach bei den eher zeitlosen Outfits, die mir immer schon gefielen und auch in 10 Jahren noch gefallen werden.

Liebe Grüße aus Frankfurt sendet Anna

Ich stimme Ari zu. Die Rhythmen werden immer kürzer und das führt mehr und mehr dazu, dass alles irgendwie ein Trend sein kann. Auch wenn ich persönlich nichts mit Ed Hardy und Co. anfangen kann, finde ich es erfrischend, dass die Mode immer liberaler wird und mittlerweile eigentlich alles „erlaubt“ ist, solange man sich selbst wohl fühlt. Bis vor ein paar Jahren waren die Trends noch deutlich klarer definiert und irgendwie auch engstirniger. Ich freue mich über die neue Freiheit 🙂

Für meine Schwiegermutter bin ich ein langweiliges Tantchen, da ich die von ihr geschenkten Strassshirts direkt zum Second Hand Laden bringe.
Sie wünscht sich einfach mehr Glitzer und Farben in meinem Leben.
Ich stehe zu meinen Blau- und Weiß- und Schwarz- Nuancen, die meinen Stil prägen.
Etwas Rot, Rosa und Grün darf auch immer mal wieder in meine Garderobe einziehen. Ich bleibe bei meinem Faible für unifarbene Kleidung. Muster mag ich entweder im klassischen Herrenhemden-Stil oder in Form von Blümchen.
Da sind wir beim nächsten Thema: ich habe zwei wundervolle Seidenkleider mit Blümchenmuster von Juicy Couture.
Ja, ich habe Lieblingsbrands, aber es darf eben auch bei mir einziehen, was mir wirklich gefällt und nicht nur was die entsprechende Markenbotschaft aussendet.
Auch ich beglücke meine Schwiegermutter übrigens häufiger mit Mode, dann jedoch wähle ich das aus, was ihr ganz sicher gefällt: viel Glitzer, Pailletten oder Nieten, alles etwas overdosed, Animalprints, and so on.
Ich bin der Meinung, es soll eben jeder das tragen, in dem er sich am wohlsten fühlt.
Wünsche euch ein schönes Wochenende!

😀 😀 Was bin ich froh, dass meine Schwiegermutter mit keine Klamotten schenkt! 🙂
Aber mal schauen, wie das wird, wenn der Nachwuchs erstmal da ist…ich sehe schon ganz viele knallige Farben vor mir, was null mein Ding ist. Am schlimmsten: Rot. Diese Farbe finde ich so schlimm, dass man davon kein einziges Teil in meiner Wohnung findet. 😀

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.