Erfolgreich als Modedesigner – wie schafft man das? Interview mit Herbert Hofmann, Creative Director Voo Store

Die Abschlusskollektion wurde in einem großen Rahmen präsentiert, das Diplom ist in der Tasche und Eltern stolz wie Bolle – und jetzt? Wie kommt eine Kollektion in die Läden? Wenn man junge Designer nach ihren Lieblingsläden fragt, wird immer wieder der Voo Store genannt. Nicht nur, weil man selber gerne dort einkauft, sondern weil der

Die Abschlusskollektion wurde in einem großen Rahmen präsentiert, das Diplom ist in der Tasche und Eltern stolz wie Bolle – und jetzt? Wie kommt eine Kollektion in die Läden? Wenn man junge Designer nach ihren Lieblingsläden fragt, wird immer wieder der Voo Store genannt. Nicht nur, weil man selber gerne dort einkauft, sondern weil der Berliner Concept Store eine erste Adresse für Jungdesigner aus ganz Europa ist. Maßgeblich an diesem guten Ruf beteiligt ist der Creative Director und Einkäufer Herbert Hofmann, mit dem wir bereits mehrere Interviews über seinen Job und die jeweiligen Trends der Saison geführt haben.

Fakt ist: An Herbert kommt keiner vorbei und deshalb wollte wir ihn neben Chen Jerusalem und Malaika Raiss unbedingt für unsere Newcomer-Serie gewinnen. Welche Ratschläge er jungen Designern mit auf den Weg geben möchte und welche Labels ihn aus seinen weißen Tennissocken hauen, lest ihr hier:

Lieber Herbert, so wie Malaika Raiss bist du neuerdings ebenfalls Dozent an der Berliner Esmod. Was machst du denn da genau?

Ich gebe einen Kurs namens „Merchandising“. Dabei geht es generell um den Handel, nicht nur um Visual Merchandising. Design ist eine Sache, aber die Studenten müssen lernen, wie sie ihre Sachen verkaufen. Begriffe wie „Carry-over“, also Key Pieces oder Bestseller, die von Saison zu Saison neu aufgelegt werden und die Geldbringer sind, kennen viele noch gar nicht. Des Weiteren geht es in dem Kurs darum, wie der Einkauf funktioniert und wie man sich mit einem Einkäufer unterhält, was muss man wissen, wenn man ihn trifft.

Und was wäre das zum Beispiel?

Das bekommen viele Studenten gar nicht mit. Nach der Uni mieten sie sich einen Stand bei der Messe, was super teuer ist. Und dann kommt der erste Einkäufer und fragt Sachen wie: Wann ist deine Deadline? Wo produzierst du? Was die Marge? Das muss man aus dem Effeff wissen. Ich möchte den Studenten beibringen, wie sie ihr Label auf einem professionellen Level selbst verkaufen können.

Wow, diesen Kurs würde ich sofort belegen! Hast du denn das Gefühl, dass die Studenten, die dir gegenüber sitzen, eine völlig falsche Vorstellung von dem Beruf des Designers – und wie man davon leben kann – haben?

Die älteren kennen das schon und für viele ist der Beruf des Einkäufers bzw. Buyers mittlerweile ein Traumberuf. Der Verkauf selbst wird in den Hintergrund gestellt und ist für viele Mode-Unis nicht wichtig. Auf dem Stundenplan steht zwar auch ein wirtschaftlicher Teil, zum Beispiel lernt man, wie man einen Businessplan schreibt, aber die entscheidenden Momente, wie ich das Branding mache, meinen Stand aufbaue und mein Label präsentiere, kommen meist zu kurz.

Man muss genau wissen, welche Nische man besetzt, wer die Kunden sind und überhaupt, wie man sich dem Markt mit seiner Kollektion positioniert. Klar, kann man in so einem Studium nicht lernen wie man über Strickwaren und Hemden alles macht und dann auch noch weiß, wie man die Sachen am besten verkauft. Wenn die Kollektion fertig ist, beginnt die eigentliche Arbeit. Keiner reißt einem die Klamotten aus den Händen, wenn man mit der Uni fertig ist.

Wie fängt man am besten an?

Man muss Shops anschreiben und zwar die richtigen. Man muss sich verinnerlichen, dass man auch zu den falschen Shops Nein sagen kann. Erst einmal ist es wichtig, dass man gut präsentiert ist und die richtigen Leute die Sachen tragen. Wenn man ein super High-End-Label betreibt, kann man das natürlich nicht an Shops anbieten, die mittelpreisige Sachen haben. Wenn man ein High-End-Label betreibt, muss man aufpassen, dass die Kollektion nicht in einem zu „billigen“ Umfeld präsentiert wird.

Voo Store Berlin
Voo Store Berlin

Was für Fehler kann man noch machen?

Ich bekomme jede Woche viele Emails mit dem ungefähren Wortlaut: „Ich habe eine super Kollektion, die gut zu Voo passen würde. Kann ich mal vorbeikommen?“ Die Leute schicken aber keinen Link oder Fotos mit und ich frage mich „Macht der Designer Socken oder Hüte?“ Für mich bedeutet das megaviel Arbeit. Newcomer müssen sich bewusst sein, dass die Einkäufer von großen Shops in Sekundenschnelle entscheiden, ob sie etwas interessant finden oder nicht. Meistens reicht ein aussagekräftiges Bild, bei dem die Kollektion, Make-up und Haare zu dem Kunden passen. Da sagt man dann auch mal locker Ja, weil man ungefähr weiß, was einen erwartet.

Wie oft lädst du denn Jungdesigner tatsächlich in den Voo Store ein?

Das machen wir schon oft! Wir wollen mit Voo die Jungdesigner ja auch unterstützen und laden sie deshalb gerne auch ein oder zwei Mal ein, um zu sehen, wo die Reise hingeht bzw. auch um Feedback zu geben, was noch nicht so ganz rund wirkt an der Marke, Präsentation oder Image. In Deutschland werden eher bekannte Marken gekauft und so muss man jungen Labels manchmal drei, vier Saison geben, bevor man merkt, dass es eine gute Investition war. Der Kunde muss die Marke immer und immer wieder sehen, erst dann fangen sie an, zu kaufen. Anders als in London, wo die Leute so fashion-affin sind, dass es reicht, wenn sie einen neuen Namen zwei Mal hören.

Im Grunde funktionieren viele Shops mittlerweile als Plattform, um Designer bekannt zu machen. Da wundert es einen manchmal, dass Fashion Shows, Showrooms und einzelne Designer vom Staat subventioniert werden, aber eigentlich müsste man schon einen Schritt weiter denken: Wenn die Kollektionen nicht zum Verkauf in einem Shop hängen, wird ein Label nicht lange überleben.

Mit den Gewinnspannen und dem, was am Ende nach den Steuern übrig bleibt, ist Mode-Retail nicht das Business, um Kohle zu machen. Deutschland ist da weit hinterher und sieht weder das wirtschaftliche Potential, das in der Modeindustrie steckt, noch den Vorteil der Förderung von jungen Modedesignern und Designern. Kleines Beispiel dazu: Man muss sich für den Designpreis der Bundesrepublik bewerben, indem man schon mal eine Bewerbungsgebühr von 210 Euro zahlt – die nicht jeder Jungdesigner in der Tasche hat – um dann im besten Fall den Preis von 8000 Euro zu gewinnen. Es geht nicht darum, wie viel man gewinnen kann, jedoch sollte das ganze nicht wie Lotto funktionieren und die Bewerber den Pokal finanzieren.

Was ist, wenn ich einfach zu schüchtern bin, um mein Label zu verkaufen und es nicht mag, im Vordergrund zu stehen?

Dann muss man einen guten Assistenten und eine Presse-Agentur finden, die das übernimmt. In manchen Fällen geht es auch ohne eine aufgeweckte Person zu sein – wenn denn das Image darum herum dazu passt! Martin Margiela wollte nie im Mittelpunkt stehen. Wichtig ist eine klare Sprache, das gilt auch für alle Social Media Kanäle. Wenn man eine Blümchen-Kollektion macht, kann man auf Instagram keine Heavy Metal Konzerte und Currywürste posten. Denn selbst wenn man eine zurückhaltende Persönlichkeit ist, muss man wissen, was man macht und für welche Werte man steht.

Gibt es ein neues Label, das deiner Meinung nach in dem Sinne alles richtig gemacht hat?

Das belgische Label Filles à papa finden wir super gut, wobei es schwierig ist, die Prints zu verstehen. Solche Labels muss man den Kunden erklären. Das sind zwei rotzfreche Gören, die meiner Meinung nach alles richtig machen, weil sie wissen, wohin sie wollen und visuell sehr stark sind.

Die Jungs um die Marke Larsson & Jennings machen auch alles richtig: Ein simples Produkt wird mit tollen Persönlichkeiten und Looks inszeniert und so begehrlich gemacht.

Filles à papa Spring/Summer 2015
Filles à papa Spring/Summer 2015

Siehst du eine Marktlücke, die es deiner Meinung nach noch zu besetzen gilt – oder anders gefragt, welchen Trend kannst du nicht mehr sehen?

Sonnenbrillen und weiße Tennisschuhe macht gerade irgendwie jeder, wobei es da auch immer wieder spannende Labels gibt, zum Beispiel Manifesto aus Schweden, die edgy Modelle machen. Das werden am Anfang sicherlich keine großen Seller sein, aber zumindest ist es mal wieder etwas frisches. Außerdem sind die Nachwirkungen von Normcore immer noch zu spüren. Alle machen ein weißes T-Shirt oder einen grauen Sweater, es darf nicht so bunt und gemustert sein – die cleveren Labels folgen diesem Trend.

Jungdesigner sehen sich ja gerne als neuer Karl Lagerfeld oder John Galliano und wollen gerne Couture machen. Wie ist dein Eindruck: Haben deine Studenten schon den Realitätscheck gemacht?

Auf jeden Fall. Die bekommen von ihren Lehrern sogar schon das Feedback, dass ihre Sachen zu kommerziell sind und sie wieder krassere Sachen machen sollen.

Wo kommen deiner Meinung nach die spanndensten Jungdesigner im Moment her? Wo siehst du wirklich etwas Neues?

Jacquemus ist in der Kommunikation sehr gut. Common Sweden machen zum Beispiel eine reduzierte und sehr gute Männerkollektion. Ich persönlich finde Labels interessant, die nicht überall da sitzen, wo alle anderen sind. Also nicht in New York, Paris oder Berlin, sondern wenn Designer in irgendeinem Kaff aufgewachsen sind oder leben und am besten noch Quereinsteiger sind und nicht davon beeinflusst wurden, was alle anderen machen. Die haben oft keine Angst etwas Neues zu machen, sondern ziehen ihr Ding durch. So wie das portugiesische Designer-Duo Marques Almeida, das in diesem Jahr den LVMH Prize gewonnen haben. Manche Entwürfe sehen wie verrückte Kostüme aus, was spannend aber nicht verkäuflich ist, aber der Rest der auf der Stange im Showroom hängt, ist richtig gut.

Außerdem bin ich Fan von Charlie May, die sagt: Das, was ich will, macht niemand – deshalb mache ich jetzt einfach selber. Die Kollektion ist klein, aber ich würde jedes Teil vom Fleck weg kaufen, weil sie einfach einen guten Stil hat. Ihre Kollektion hat mich echt umgehauen!

Danke für das Interview, lieber Herbert!

(Headerfoto: Sören Jepsen via Hallo Herbert/Instagram)

Von Alexa

Ich liebe schreiben, bloggen und schöne Dinge zu entwerfen, also mache ich all das.

Als Journalistin habe ich für Magazine und Zeitungen wie Business Punk, Fräulein, Gala, FTD/how to spend it, Instyle, Lufthansa Magazin, Stern, Tagesspiegel, Vanity Fair und zitty gearbeitet. Meine Online-Erfahrungen habe ich u.a. Stylebook und styleproofed gesammelt. Mein Blog heißt Alexa Peng, mein Schmuck-Label vonhey. Ich komme aus dem Rheinland und bin in einem Dorf am Waldesrand aufgewachsen, wo nur einmal in der Stunde ein Bus fuhr. Da muss man sich was einfallen lassen, um sich nicht zu langweilen. Meine Tante hatte in der Stadt eine Boutique und einen Schrank voller Kleider, Schuhe und Taschen, mit denen wir Kinder verkleiden spielen durften. Wir haben Modenschauen im Hobbykeller veranstaltet und die ganze Nachbarschaft eingeladen. Dass ich mal was mit Mode machen würde, war also klar. Nach dem Abi habe ich an der AMD in Hamburg Mode-Journalismus studiert und später an der UdK in Berlin einen Master of Arts in Kulturjournalismus gemacht. In Zukunft will ich mein Label weiteraufbauen, die Welt sehen und gute Geschichten schreiben.

(Foto: Sandra Semburg)

Kommentare (2) anzeigen

2 Antworten auf „Erfolgreich als Modedesigner – wie schafft man das? Interview mit Herbert Hofmann, Creative Director Voo Store“

Nettes Interview! Leider, finde ich das viel zu wenige Deutsche Designer im Voo Store stattfinden. Gerade als Einkäufer für einen der schönsten und erfolgreichsten Concept Stores Berlins, sollte man doch vor allem auch den landeseigenen Nachwuchs fördern. Unter der Vielzahl von gängigen Labels wie Acne, Carin Wester, Nike und Co. findet man nur wenige Deutsche Designer im Voo Store. Lokalpatriotismus ist in der Deutschen Modewelt ja generell eher ein Fremdwort und wohl auch hier!

Vielen Dank für das interessante Interview. In der Wirtschaftswoche vom 19. Juni 2016 gab es auch zum Thema Erfolg einige Beiträge: http://weiter-lesen.net/1937/deinen-erfolg-sichern/ Meiner Meinung nach gehört zum Erfolg, Dinge zu tun, die einem liegen, die man idealerweise sogar liebt und nicht zu früh aufzugeben! Und ohne eine gewisse Disziplin geht es meisten auch nicht!

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.