Dior Haute Couture Frühjahr 2017 – Alice im Diorland

Die Haute Couture Woche in Paris startet mit dem Wunderland Dior und märchenhaften Designs – das ist unser Fazit zur Kollektion

Es passiert schneller als man denkt. Erst sieht man Fotos, dann liest man Berichte und schon hat man seine eigene Meinung leider schnell mal über den Haufen geworfen. Wovon ich rede? Modenschauen- und berichte. Dabei sind wir als Modejournalisten ja eigentlich dazu da, die Kollektion zu beurteilen, euch ein Gefühl für unsere Ideen zu vermitteln und zu helfen, euch eine eigene Meinung zu bilden. Wenn man dann so einen großen Namen wie Dior liest, dazu noch Begriffe wie „Erste weibliche Couturière in der Geschichte des Modehauses“, „Märchenhafte Träume“ und so weiter, dann fällt es schwer, seine ehrliche Meinung zu schreiben.

Ein Blick auf alle Schauenberichte der großen Modemagazine zeigt nur Lobeshymnen, kein Funken Zweifel ist zu finden, die Applauswellen sind hoch. Vielleicht, weil das die ehrliche Meinung der Moderedakteure ist, vielleicht aber auch, weil Dior mehrseitige Anzeigen in den Redaktionen schaltet, man Kooperationen hat oder es sich mit niemandem verscherzen will. Versteht mich nicht falsch, ich bin ein riesengroßer Dior-Fan (die Diorama-Bag steht schon seit Jahren auf meiner kleinen geheimen Wishlist) und die ersten beiden Kollektionen von Maria Grazia Chiuri fand ich unerwartet gut, nachdem ich mein Fähnchen lange weiter für das Atelierteam des Hauses (das das Zepter nach Raf Simons plötzlichem Abschied mehr als gut in die Hand nahm) hoch hielt.

Doch kommen wir jetzt zur Haute Couture Show, die gestern in Paris in Musée Rodin präsentiert wurde. Natürlich muss man die maßgeschneiderte Mode in einem ganz anderen Kontext betrachten, als Prêt-a-porter Kollektionen. Hier spielt Geld keine Rolle, Materialien können fein sein, Handarbeit ist ein Muss und Kreativität steht an oberster Spitze. Aber gerade unter diesem Aspekt hatte ich so hohe Erwartungen an Dior, dass sie (vielleicht) auch einfach nicht erfüllt werden konnten. Das Setting war traumhaft: Das französische Modehaus hatte einen Wald nachgebaut mit einem riesigen Wald in der Mitte, von dem bunte Bänder, Kristalle und Spielkarten hingen (schnell abspeichern unter möglicher Hochzeitsdeko…). Die Gäste fragten sich bestimmt kurz, wie sie durch das Loch ins Wunderland zum Kaninchen gefallen waren, ohne es zu bemerken. Die Inspiration von Maria Grazia Chiuri? Das Labyrinth, delikate Blumen, Femininität, Märchengestalten.

Das spiegelte sich auch in den Kleidern wider. Aufgestickte Sterne, handgemalte Tarot-Symbole auf langen fließenden Kleidern, samtene Stoffe. Nach ihrer progressiven Ready-to-wear Kollektion jedoch ein Schritt zurück – dort hatte sie es schon geschafft, pure Weiblichkeit mit moderner Stärke zu verbinden. Transparente Abendkleider, sportliche Unterwäsche und Basics wie das weiße Shirt mit dem Feminismus-Spruch machen Dior nahbar, begehrenswert, luxuriös und doch endlich wieder cool und angesagt. Bei der Couture Kollektion konnte man diesen Twist aber nur sehr vereinzelt bei manchen Looks finden. Ja, das ikonische Bar-Jacket von Dior war (wieder einmal) neu aufgelegt worden, aber nicht so neu, dass es den Sprung ins 21. Jahrhundert fand – ganz im Gegenteil zu zum Beispiel Balenciagas wieder aufgelegten Blazern.

Fazit

Und ja, viele Kleider waren einfach märchenhaft schön und man wünscht sich auch nur einen Anlass im Leben, zu dem man so etwas tragen könnte, aber ich war trotzdem etwas enttäuscht. Einfach weil ich Dior und Chiuri sonst als Modelabel und Designerin so sehr schätze. Vielleicht sieht Chiuri Couture einfach noch als heiligen Gral an, orientierte sich bei manchen Kleidern doch etwas zu sehr an vergangenen Entwürfen zu Diors Galliano Zeiten oder schwelgte in Erinnerungen an ihre Valentino-Zeit.

Ich bin jetzt jedenfalls noch viel gespannter auf die Herbst/Winter 2017/18 Prêt-a-porter Kollektion von Dior und erhoffe mir dort wieder etwas mehr Mut, Progression, Modernität – schließlich wollen wir zwar alle Märchenprinzessinnen sein, aber nicht nur in der Vergangenheit schwelgen und die Zukunft mit ganz viel Power erobern.

Fotos: PR

Von Marie

Der erste Satz, wenn mich Leute kennenlernen ist: „Das ist aber selten.“ Ja, ich bin ein seltenes Exemplar: Berliner Eltern, Berliner Blut, Berliner Göre. Tatsächlich bin ich so sehr mit der Hauptstadt verbunden, dass ich meinem Kiez in Schöneberg seit über 20 Jahren die Treue halte und noch nie von hier weggezogen bin – und auch nicht dran denke. Und obwohl wir Schöneberger zwar sehr viel von Bio-Supermärkten und esoterischen Edelsteinläden halten, gibt es hier auch das ganz große Mode-Paradies: das KaDeWe. Der Tempel des Shoppings und der Ersatzkindergarten für meine Eltern, sozusagen das Småland bei Ikea für mich (andere Kinder haben dort ihren ersten Wutanfall, ich schmiss mich in voller Rage im Atrium des KaDeWe auf den Boden und weigerte mich zu gehen). Kein Wunder also, dass Mode und ich nie wirklich Berührungsängste hatten.

Spätestens seit der Oberstufe, in der ich – dank Blair Waldorfs Inspiration aus Gossip Girl (ja, das war meine Serie zusammen mit Gilmore Girls) – die Schule nie ohne Haarreif, Fascinator oder eine gemusterte Strumpfhose betrat, hatte auch mein Umfeld begriffen: Marie macht was mit Mode. Und weil ich damit in meinem katholischen "Elite-Gymnasium" so ziemlich die Einzige war, suchte ich meine Verbündeten 2011 woanders: im Internet. Auf meinem Blog Style by Marie. Und so begann meine modische Laufbahn.

Noch mehr Gleichgesinnte und vor allem Freunde fand ich auf der Akademie für Mode & Design in Berlin, bei der ich 2013 meine Ausbildung in Modejournalismus und Medienkommunikation startete. Was für mich seit der 1. Klasse klar war, nämlich das Schreiben mein Ding ist, wurde jetzt zu meinem Beruf: Journalistin. (Denn ja Oma, es gibt noch etwas anderes als Modedesignerin). Dank meines Blogs und einem Praktikum bei der Harper’s Bazaar Germany in der Online-Redaktion blieb ich auch dem Internet und dem Online-Journalismus treu. Und ratet mal, wo ich jetzt bin: Genau, bei Journelles, dem Blogazine, was alle meine Leidenschaften verbindet: Bloggen, Schreiben, online sein – zusammen mit euch!

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3 Antworten auf „Dior Haute Couture Frühjahr 2017 – Alice im Diorland“

DANKE für diese endlich Mal etwas kritischere Meinung zu Chiuris Dior Kollektion!
Ich war auch ein riesiger Fan des Hauses und fand diese Show schlicht enttäuschend. Ja, das Setting absolut traumhaft allerdings auch wenig innovativ. Und auch mir ging es ähnlich- bei all den Lobeshymnen traut man sich kaum so recht seinem Gefühl zu vertrauen und etwas Negatives zu sagen. Obwohl Mode und Gefühl doch untrennbar sind.
Also ein herzliches Dankeschön an Eure stets währende Ehrlichkeit und liebe Grüße!

Da lenkt die Location ja beinahe von den Roben ab. Finde die Kleider alleine betrachtet zwar sehr schön, aber auch irgendwie langweilig. Irgendwie fehlt das eine gewisse Raffinesse. Schade eigentlich.

Ich finde, eine Marke wie Dior muss eine DNA haben. Das ist der Wert. Nach vielen misslungenen Annäherungen an die moderne Zeit findet Maria zurück zu den Wurzeln von Christian Dior. Die Taille ist wieder da! Sie schafft sogar die Gratwanderung von der Ursprünglichkeit zum Look 2017 – mit Lederjäckchen und natürlich mit ihrem Coup „Simple T-shirt“. Ich bin begeistert!

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.