Was wir diesen Herbst tragen? Buyers Interview mit Kerstin von Hayashi

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Als Gründerin und Einkäuferin für ihren eigenen Luxusdepartment-Store Hayashi in Frankfurt weiß unsere liebe Kerstin schon berufsbedingt über aktuelle Trends und die angesagtesten Labels Bescheid. Volants, Farbe, Muster – ihre Outfits beweisen ihr ausgeprägtes Trendgespür. Kein Wunder also, dass wir sie zu unseren Buyers Interviews Saison für Saison aufs Neue dazu bitten. Nach Daniel Marker, Einkäufer bei der KaDeWe Group verrät uns heute also Kerstin, worauf es diesen Herbst/Winter ankommt. Viel Spaß!

PS: Besonders ans Herz möchte ich euch aber Kerstins Meinung über die Entwicklung in der Mode legen.

Du hast einen Traumjob und bist jeden Tag von all den schönen Dingen umgeben, ich bin neugierig auf deine Antwort: Auf welchen Trend freust du dich im Herbst am meisten?

Auf kuschlige oversized Cashmere-Mäntel wie den hier und Tops mit Statement-Schultern.


Was hast du dir schon gekauft?

Ich habe mir selbst schon einen bordeaux-farbenen Isabel Marant Mantel und ein langes Kleid von Christian Wijnants gekauft. Außerdem ein aufregendes Kleid zum Ausgehen von Mara Hoffman.


Welche sind die fünf Key-Pieces für Herbst?

  • Oversized Mäntel

  • Kurze Kleider mit Statement-Schultern

  • Stiefel mit Raffung und weitem Schaft

  • Strick mit Längsstreifen

  • Strick mit Statement-Schultern

Welchen Artikel würdest du aus der letzten Saison tragen und wie würdest du ihn kombinieren?

Ich liebe immer noch weite Hosen mit schmalem Saum und schmaler Taille wie die von Chloé Ich kombiniere sie mit lockeren Mänteln, einem schlichten Strickpullover und Boots.


 

Was ist dein persönlicher Evergreen und wird immer einen festen Platz in deinem Kleiderschrank haben?

Chucks! Jeden Herbst kann ich erstmal nur diesen Schuh tragen bis man sich endlich vom warmen Wetter verabschiedet und die Stiefel rauskramt. Ich trage aber nur die 70s-Variante, die passt zu jedem Look.

Welche Teile verkaufen sich am besten bei Hayashi?

Ganz klar: auffällige Kleider, die für den Alltag und zum Ausgehen geeignet sind und besonderer Strick, zum Beispiel Längsstreifen oder auffälliger Schulterpartie. Den kann man dann auch abends zum eleganten Dinner tragen.

Angenommen ich habe ein kleines Budget. In welches Teil sollte ich investieren?

In einen schönen Mantel. Im Winter nützt ja das schönste Outfit nichts, wenn der Mantel obendrüber schon durchgetragen ist. Mäntel sind meine Leidenschaft und ich achte darauf, dass sie zu vielem passen. Wenn er auch noch oversized ist, dann kann man ihn auch über größere Strickpullover ziehen.


Gab es in der Vergangenheit ein Label oder Trend, von dem du sicher warst, es erlebt ein Comeback und daraus wurde leider nichts?

Das kenne ich nicht. Ich achte immer darauf, dass der Trend neu umgesetzt wurde, also nur inspiriert ist aus der Vergangenheit. Eine einfache Kopie wirkt meistens albern und verschwindet schnell wieder. Außerdem soll es schön sein. Die riesigen überteuerten Dad-Sneaker will zum Beispiel keiner mehr tragen, weil es einfach nicht schön ist, sondern albern. Mal ganz witzig, aber auf Dauer nicht haltbar.

Das muss man sich vorher überlegen, ob man das als Einkäufer mitmacht. Dieses schnelle Feuer einiger Trends erlischt schon bis die Sachen in die Stores kommen. Ein Trend auf Instagram ist nicht immer langlebig genug, um ihn auch wirklich für den Store einzukaufen. 

Im Sommer waren es ja überraschender Weise die Flip-Flops. Welche Art von Schuhen prägen den Look dieser Saison?

Im Moment sieht man übergroße Chelsea-Boots, die ich persönlich schrecklich finde. Das sind Boote, keine Boots. Da kommt es an, für welche Zielgruppe man einkauft. Meine Kundinnen wollen eher sportlich-chic bis elegant aussehen, aber nicht albern. Diese Art der Schuhe wird man nächste Saison sicher nicht mehr tragen. Niemand will aussehen als hätte er Schuhgröße 46.

Deshalb setze ich eher auf geraffte Stiefel mit kleinem Absatz. Das sieht elegant und trotzdem cool aus, passt zum Kleid und zur Hose. Military Boots mag ich auch immer, aber bitte klassisch und nicht übergroß.


Welche Tasche ist die It-Bag dieser Saison?

Gibt es so etwas noch? Ich bin da mittlerweile eher nüchterner eingestellt. Die Clutch oder die große Tote von Bottega Veneta will natürlich jeder auf Instagram zeigen. Doch It-Bags kommen und gehen. Wenn man enorm viel Budget darauf verwenden will, kann hier natürlich zuschlagen.

Doch schöne Alltags-Modelle von Wandler, Marni oder Phillip Lim, die nicht nach Marke schreien, sind etwas für eine längere Zeit und kann man auch wirklich benutzen und muss keine Panik bekommen, wenn mal ein Kratzer drin ist oder es anfängt zu regnen.


Welcher Designer oder welches Label ist deiner Meinung nach den anderen voraus und warum? Was können sie besser als alle anderen?

Ich denke da gerade komplett um. Im Moment sehe ich eine Entwicklung, die ich sehr schade finde. Es geht seit längerem in der Mode nur noch um Zugehörigkeit. Team Bottega Veneta oder vor einiger Zeit eben noch Team Balenciaga.

Das liegt natürlich an Instagram und dem verrückten Selbstdarstellungszwang. Modemarken zeigen natürlich immer einen Status, das war auch in der Vergangenheit so. Sonst würde sicher keiner eine Chaneltasche kaufen. Ich schließe mich da nicht aus, aber mittlerweile geht die Individualität komplett verloren. Es muss der eine Bottega Veneta Schuh sein, da den jetzt alle auf Instagram tragen. Wenn ich mir den anziehe, gehöre ich dazu. Wie traurig!

Einen Schrank voller unzähliger Chaneltaschen in allen Farben einiger Blogger. Gähn. Wo bleibt da der Luxus, von dem man träumen kann? Das wirkt für mich eher abstoßend als träumerisch. Auf Instagram sehen Luxusmarken im Moment so oft verbreitet aus wie ein Massenprodukt bei Zara oder H&M. Luxusmarken versuchen gerade zu signalisieren: Jeder kann es sich leisten. Das ist aber einfach nicht real. Welche Berufsanfängerin (im gleichen Alter wie einige Bloggerinnnen) kann im Luxushotel wohnen sich die zwanzigste Luxustasche tragen? Das finde ich schade und deprimiert junge Menschen. Das Gehalt passt nicht zum Bild, dass auf Instagram suggeriert wird.

Deshalb: Mehr Mut zu Neuem!

Deshalb verdient eben im Moment die Marke das meiste Geld, die auch vorher am meisten Marketing betrieben hat. Das ist in der heutigen Zeit ein kalkulierbares Spiel, was es zu durchschauen gilt. In der heutigen Zeit haben neue Brands kaum Chancen, da fehlt das Marketingbudget.

Welche Modenschau für Herbst 2019 hat dir am besten gefallen?

Ich liebe Isabel Marant. Die Kollektionen hat zwar immer einen roten Faden, man erkennt sofort von wem sie ist. Aber sie ist immer neu, schmackhaft und frisch. Außerdem liebe ich außerhalb der Schauen Mara Hoffman und Patou, die wiederbelebte Marke mit einem meiner Lieblingsdesigner Guillaume Henry (vorher Carven und ebenso Nina Ricci). Diese zwei Marken haben ihren eigenen Style, sind wirkliche Lichtblicke in dem Einheitsbrei. Ich freue mich sehr!

Welcher Look funktioniert deiner Meinung nach nur auf dem Laufsteg?

Da bin ich nicht streng. Ich denke fast alle Teile können auch auf der Straße funktionieren, wenn man nicht den gesamten Look trägt. Und selbst wenn. Ich bin für mehr Farbe und Mut in der Mode. Wenn ich einen Look mag, trage ich ihn. Ob sich dann manche den Hals verrenken, ist mir egal. Overdressed ist doch viel schöner als graue Maus.

Wie viel Einfluss hat dein Geschmack auf den Einkauf?

Mein Einkauf ist mein Geschmack. Wenn ich etwas nicht mag, kaufe ich es nicht ein. Hayashi ist kuratiert, deshalb kommen unsere Kundinnen zu uns. Wenn ich neutral alles einkaufen würde, was es gäbe, dann kann man auch in den großen Onlinestores bestellen. Wir sortieren vor und zeigen, was wir mögen. Das ist unser Erfolgsrezept. Die Kundin in diesem riesigem Chaos an unzähligen Möglichkeiten alleine lassen? Nein, viel zu stressig und aufwendig für die Kundin. Wer für einen Store einkauft, muss auch mutige Entscheidungen treffen.

Was sind die drei Dinge, auf die du achtest, wenn du dich für ein Teil entscheidest?

Beim Einkauf und damit auch bei der Auswahl zwischen vielen Möglichkeiten, denke ich immer an folgende Dinge:

  1. Welche Farbe macht Sinn, macht sie blass oder einen schönen Teint, lässt sie sich kombinieren, ist sie so neu, dass man sie braucht, obwohl sie eigentlich zu schräg ist?
  2. Ist der Schnitt vorteilhaft, trägt er auf oder mit welchem Schuh ist er tragbar?
  3. Die Qualität muss sehr gut sein. Zieht der Stoff schnell Fäden, fallen Pailletten ab, bleiben die Falten an der richtigen Stellen?

Aber letztendlich ist es ein Bauchgefühl. Ist es Liebe oder ist es ersetzbar?

Hast du einen Trick, wie du Fehlkäufe vermeidest (auch persönlich)? Schließlich geht das ins Geld.

Ich tätige zum Glück keine Fehlkäufe, sonst wäre ich im falschen Job, hehe. Aber es ist ratsam, kurz nachzudenken, ein- und auszuatmen, im schlimmsten Fall eine Nacht drüber zu schlafen. Wenn es immer noch nicht klar ist, im Zweifel: einfach lassen!

Doch meine Impulskäufe ohne Nachzudenken sind bei mir immer meine Lieblingsteile. Ich denke, dass Fehlkäufe eigentlich nur entstehen, wenn man seinen Körper nicht beachtet. Ist das Kleid wunderschön, zwickt aber in der Taille, wird man es nicht tragen. Wenn der Schuh schon im Laden unbequem ist, sollte man ihn nicht nehmen. Und wenn mein Hintern in der Hose riesig wirkt, werde ich mich daran auch später nicht gewöhnen.

Woher hast du deine Inspiration?

Ich mag die aktuellen Streetstyles nicht so sehr. Jedes Mal denke ich: Es ist übereinander gestapelte Kleidung der großen Marken. Da trägt das Kleidungsstück die Person, nicht die Person das Kleidungsstück. Hauptsache die Marketing-Maschine läuft. Deshalb wähle ich ein Bild von Kate Moss aus den 90ern. Genauso will ich jetzt dasitzen. Gemütlicher, cooler Look ohne Logo. Am liebsten mit dem kleinen Hund auf dem Schoß.

Die größte Überraschung dieses Jahr wird sein …

Dass es keine Überraschung geben wird. Ich finde, die Mode im Moment sehr homogen. Das Spannende ist, was wir daraus machen. Deshalb: mehr Mut zur Individualität!

Vielen lieben Dank für die tollen Tipps, liebe Kerstin!

Bilder via PR

Von Alexandra

Schreiben sollte mir eigentlich leicht fallen, könnte man meinen. Doch wenn es darum geht, etwas über mich selbst zu erzählen, bin ich – ja sagen wir mal – überfordert. Wo fange ich an? Ich habe bei Journelles als Praktikantin angefangen. Danach ging es weiter in die Moderedaktion vom Tagesspiegel und dann wieder zurück an die Uni und dann wieder zurück zu Journelles ;-)

Ich mag Mode und Beauty: Ich liebe neue Trends, spannende Outfits und (zugegeben) auch etwas Shopping. Doch fast noch mehr mag ich es, Mode als Phänomen zu betrachten: Wieso gibt es diesen Trend? Woher kommt er? Welchen Einfluss hat die Politik oder Gesellschaft auf die Mode? Und umgekehrt! Ebenso finde ich es spannend, über großartige Frauen und ihre noch so unterschiedliche Errungenschaften zu berichten, sie kennenzulernen, von ihnen zu lernen ...

Wenn ihr meine Texte lesen solltet: Dankeschön! Es gibt nichts Schöneres, als zu wissen, dass meine Artikel gelesen werden. Und bitte seid gnädig mit mir, wenn ich Fehler mache. Ich lerne noch ... das wird sich wohl auch nie ändern ;-)

Kommentare (12) anzeigen

12 Antworten auf „Was wir diesen Herbst tragen? Buyers Interview mit Kerstin von Hayashi“

Ein wirklich ehrliches und authentisches Interview von Kerstin, dass dazu aufruft, sich wieder auf die eigene Individualität zu besinnen.
Ich versuche im Moment Instagram zu meiden, was sehr schwer ist…, aber man lässt sich doch zu sehr beeinflussen, vergisst seinen eigenen Style… am Ende läuft jeder nur noch in Camel, Beige, Schwarz ( Graue Maus- Look) herum und begehrt teure Designerbags und Designerschuhe….

Sehr ehrliches Interview und es ist interessant zu sehen, dass sie das Gegenteil sagt, was Hier bei Journelles als Trends angepriesen werden (dad sneaker, dicke boots)

Das fand ich auch sehr amüsant! Sie disst volle Kanne Jessicas neueste Luxutreter von hab-ich-wieder-vergessen.
Längsgestreifter Strick ist in, weil das ihre eigene Marke so als Key Pieces diese Saison im Sortiment hat und die Chucks kauft man am besten im verlinkten Shop ihres Mannes!

Ich mag Kerstin im Grunde genommen sehr. Sie scheint clever zu sein, hat Stil und schafft es in einer Welt, in der der EH vor die Hunde geht, Hayashi erfolgreich durch den Sturm zu segeln.
Aber sie ist auch Teil der Modemaschinerie, die verkaufen will. Heute so, morgen so.Da erinnere ich gut an den Isabel Marant (Étoile?) 90er-Sportblouson-Revivel-Pulli – ein Trendteil par Excellence, schweineteuer noch obendrein und hat sicherlich nicht mal die Saison überstanden, in der er rauskam. Wer frei von Sünde ist, werfe den ersten Stein….

Kerstin ist super und ich liebe ihren Stil, ihre Meinung, ihre Beobachtung der Entwicklungen – hier wird weder gedisst, noch sind wir uns uneinig. Dass manche Teile besser / schlechter funktionieren und man sich an vielem schnell satt gesehen hat, lernt man mit den Jahren – und insofern ist es doch ein wichtiger Appell, sich nicht immer von schnellen Insta-Trends beeinflussen zu lassen. Ich fand die Bottega-Stiefel auch toll (und wir haben hier drüber geschrieben), aber das ist tatsächlich ein sehr teurer one-season-Spaß, der nur an storchbeinigen Frauen gut aussieht. Total fein – aber das zu reflektieren, ist wichtig.

Freut mich total, dass Ihr Euch so gut versteht und wertschätzt!
Aber um bei den Fakten zu bleiben und das ganz ohne Wertung: Journelles schreibt über „Trendwatch Platform Boots“ – Journelles: Jessica führt die neuen Proenza Schouler Platform Chelsea Boots wiederholt und stolz aus – Kerstin sagt: „Im Moment sieht man übergroße Chelsea-Boots, die ich persönlich schrecklich finde. Das sind Boote, keine Boots.“

Jede/r, wie er mag, und hier sind alle Protagonisten alt genug, zu ihren Einstellungen und Entscheidungen zu stehen, aber das diese Verknüpfung von Ereignissen und Aussprachen Unterhaltungscharakter hatte, wird kaum jemand, der einen Funken Sinn für Humor hta, bestreiten wollen.

Ruft bei mir höchstens ein Schulterzucken hervor, weil jeder Trend so individuell interpretiert wird (Kerstin meint zB die wesentlich klobigeren Dinger von Prada, Bottega und Co), aber wenn es dich amüsiert hat: wunderbar 😉

Ach ich mag Kerstin einfach. Sie hat so eine erfrischende Einstellung zur Mode, das ist echt selten geworden.

Danke für das tolle Interview! Ich finde Kerstins erfrischende und sympathische Art einfach klasse. Was sie sagt, hat Hand und Fuß und ist ganz anders als das glattgebügelte 08/15-Modegeschwafel, das man sonst so oft liest.
Und es gefällt mir, dass sie, obwohl sie sich mit ihrem Store preislich in höheren Segmenten bewegt, trotzdem einen realistischen Blick auf Frauen mit normalem Einkommen hat.
(Der ist für mein Empfinden auf Journelles ansonsten in der letzten Zeit leider etwas verloren gegangen.)

„Das ist aber einfach nicht real. Welche Berufsanfängerin (im gleichen Alter wie einige Bloggerinnnen) kann im Luxushotel wohnen sich die zwanzigste Luxustasche tragen? Das finde ich schade und deprimiert junge Menschen. Das Gehalt passt nicht zum Bild, dass auf Instagram suggeriert wird. “ Ich kann mich an einige Leserkommentare erinnern die ähnlich klangen und dann als Hasskommentare gewertet wurden.

Ein tolles Interview mit einer inspirierenden Frau! Das sticht hervor in dem – manchmal laaangweiligen – Modequark.

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.