
Dieser Tage strömte ein süßer, blumiger Duft durch Berlin-Mitte: Viktor & Rolf waren in der Stadt, um ihr neues Parfum „Flowerbomb Bloom“ vorzustellen.
Zehn Jahre nach Lancierung der großen Schwester war es Zeit für ein zeitgemäßes Update, so die Designer. Während sich die Crème de la Crème der deutschen Bloggerszene rund um den Workshop mit der Pariser Papierblumen-Künstlerin Mathilde Nivet, Fotobox samt Windmaschine und den Schoko-Eclairs auf dem Buffet tummelte, schlüpften Jessie und ich in das Nebenzimmer, um ein Interview mit Viktor Horsting und Rolf Snoeren zu führen. Aufregung!
Aber nur weil man als Modeschöpfer expressive Haute Couture schneidert, bedeutet das noch lange nicht, dass man abseits des Laufstegs eine Plaudertasche ist und gerne stundenlang Interviews mit Journalisten führt. Im Gegenteil: Wir trafen auf zwei unheimlich nette, aber zurückhaltende Kreative – wie wir doch noch das Eis brechen konnten, lest ihr im Interview!
Lexi: Ich bin total aufgeregt euch zu treffen, denn meine erste Fashion Show 2005 war eure Upside-Down-Show in Paris!
Viktor: Uhh! Das ist nicht gerade unsere Lieblingsshow gewesen…
Was, wie bitte? Ich fands total toll!
Rolf: Manchmal hat man eine Idee und ist so davon begeistert, dass man gar nicht merkt, dass man sich darin verfängt und die Ausführung nicht funktioniert. Der Soundtrack, „Upside Down“ von Diana Ross, hat dann auch nicht mehr geholfen.
Also für mich war damals klar, dass ich unbedingt über Mode und Designer schreiben möchte. Dabei nennt ihr euch gar nicht mehr "Designer", sondern "Fashion Artists". Was ist denn der Unterschied?
Rolf: Die Leute haben uns immer gefragt: „Seid ihr Designer oder Künstler?“ Um das zu umgehen haben wir uns einfach „Fashion Artists“ genannt.
Viktor: Das erklärt alles!

Eure aktuelle Kollektion trägt den Namen "Boulevard of Broken Dreams". Das klingt romantisch, aber auch ein bisschen traurig. Was war eure Inspiration und warum ist diese Kollektion besser als die von 2005?


Viktor: Wir haben uns dabei von japanischer Keramik inspirieren lassen. Wir wollen Collagen aus allen erdenklichen Abendkleidern aus dem 20. Jahrhundert machen, die wie japanische Keramik zu neuen Kleidern zusammengeklebt wurden. Die Risse haben wir mit Gold aufgefüllt.
Rolf: Es ging uns darum, die Schönheit der Unvollkommenheit herauszustellen und aus scheinbar wahllos zusammengesuchten Teilen etwas Neues zu kreieren.



Ich mag euer Konzept der "Conscious Couture", das bedeutet ihr verwendet für eure Entwürfe auch Vintagestoffe. Wie genau funktioniert das?
Rolf: In unseren Kollektionen kommt immer wieder dieses Motiv vor: Aus der Vergangenheit etwas Neues zu schaffen. Wir schmeißen die Vergangenheit also in eine Art Mixer. In einer Kollektion haben wir mit unserem eigenen Stoff-Archiv gearbeitet. Für eine andere Kollektion haben wir tatsächlich mit alten Stoffen gearbeitet, die wir in Geschäften in der Stadt und im Internet gefunden haben. Ob teuer oder billig spielte keine Rolle, wir haben alles gemischt.
Haute Couture gilt nach wie vor als sehr traditionell. Ihr dagegen seid mit eurem Webshop bzw. "Concept Store" und Instagramprofil auch online stark präsent. Bei euch sieht man sogar die Preise! Wieso ist es euch wichtig, sowohl in der alten als auch der neuen Welt stattzufinden?
Viktor: Wir streben immer nach Vielschichtigkeit und mögen keine eindimensionalen Sachen.
Rolf: Wieso sollte man den Preis nicht auf den eigenen Kanälen öffentlich machen? Ich hasse es, wenn ich einen Laden oder Galerie betrete, in dem keine Preise angezeigt werden und ich danach fragen muss.
Bei uns kann man die Kleider wie in jeden anderen Onlineshop auch innerhalb von 14 Tagen zurückschicken, wenn sie nicht passen oder nicht gefallen.
Was ebenfalls anders an euch ist: Ihr lebt und arbeitet nicht in Paris, sondern in Amsterdam. Wir haben erst kürzlich erfahren, dass Vetements nach Zürich umzieht, weil Paris zu teuer und klein ist und angeblich die Kreativität tötet. Wieso habt ihr euch für Amsterdam entscheiden und nicht für die Mutter aller Modestädte?
Viktor: Mode ist eine globale Sprache. Wir präsentieren zwar in Paris, das ist unsere modische Heimat, aber wir müssen nicht dort leben.
Aber jeder junge Designer träumt doch davon, in Paris zu leben und zu arbeiten?!
Rolf: Das stimmt und auch wir sind diesem Traum gefolgt und haben ihn gelebt. Aber nach drei Jahren kamen wir zu dem Schluß, dass wir uns einen Ort suchen müssen, an dem es einfacher ist zu leben und zu arbeiten.
Viktor: Wir sind sehr zurückhaltend und keine Partytiere. Es gab für uns also keinen Grund länger in Paris zu bleiben. Die Fashion Week dauert ja nur 2 Wochen – den Rest des Jahres ist Paris eine ganz normale Stadt.
Jessie: Ich war noch nie in Amsterdam – was gefällt euch so sehr an der Stadt?
Viktor: Sorry, Jessie – ich starre dich die ganze Zeit an, weil du mich sehr an jemanden erinnerst, den ich kenne. (Alle lachen.) Zurück zu deiner Frage: Amsterdam ist für mich wie Disneyland. Es ist eine gemütliche Stadt mit all diesen vielen Kanälen und trotzdem sehr kosmopolitisch.
Lexi: Heute sind wir zusammen in Berlin, weil ihr hier euer neues Parfum "Flowerbomb Bloom" präsentiert. Die große Schwester "Flowerbomb" ist jetzt 10 Jahre alt – wie gelingt es einen so zeitlosen Duft zu kreieren?
Rolf: Wir hatten keine Ahnung, dass Flowerbomb so erfolgreich sein würde und haben es mit der gleichen Intensität geschaffen, mit der wir an alle unsere Entwürfe herangehen. Jedes Projekt ist ein kreativer Versuch. Über den Erfolg sind wir sehr dankbar – er bleibt aber auch ein kleines Mysterium!

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Überhaupt ist eure Zusammenarbeit ein großer Erfolg. Ihr blickt inzwischen auf 25 Jahre gemeinsame Jahre zurück – Glückwunsch! Wie verbindet ihr die Arbeit und eure Freundschaft?
Viktor: Ich finde, das ist unsere größte Leistung: Nach all den Jahren sind wir immer noch Freunde. Wie uns das gelingt? Das ist unser Geheimnis! Wir arbeiten von morgens bis abends zusammen und diskutieren über alles.
Rolf: 25 Jahre sind wirklich eine lange Zeit. Wir kennen uns seitdem wir 18 Jahre alt sind. Unsere Arbeit stand dabei immer im Mittelpunkt.
Viktor: Es ist ein Segen, dass wir uns haben. Ohne Viktor oder Rolf gäbe es Viktor & Rolf nicht.
Unsere letzte Frage: Ihr wart einer der ersten Designer, die mit H&M kooperiert haben. Käme eine solche Aktion für euch nochmal infrage?
Viktor: Nein, das war eine einmalige Sache.
Rolf: Puh, das ist echt lange her.
Viktor: Das Schöne an dieser Kollektion war, dass wir damals auch ein Hochzeitskleid gemacht haben. Jetzt gerade haben wir unsere eigene Bridal Collection lanciert: Viktor & Rolf Mariage.


Jessie: Bridal Wear zu entwerfen muss eine große Herausforderung sein, denn an kein anderes Kleid hegt eine Frau so dermaßen große Erwartungen. Wie geht ihr mit einer "Bridezilla" um?
Viktor: Wir machen Gott sei dank nicht die Anproben – das überlassen wir den Angestellten in den Shops. Wir haben lediglich vor zehn Jahren das Hochzeitskleid von Prinzessin Mabel gefertigt und sie war toll. Wir lieben Hochzeiten!
Und wir erst! Vielen Dank für das Interview, Viktor & Rolf!
(Fotos: Jessie Weiß, viktor-rolf.com)