Karriere-Interview: Isabelle Kountoure, Fashion Director Wallpaper* Magazine

Nach Blogger-Ikone Elin Kling und PR-Expertin Svenja Evers freue ich mich auf ein weiteres Karriere-Interview mit einem Branchen-Insider. Die Mode-Redakteurin und Stylistin Isabelle Kountoure kenne ich aus der gemeinsamen Zeit bei der QVEST. Nach Station beim POP Magazine in London ist Isabelle seit Herbst 2012 Fashion Director des Wallpaper* Magazin in London und arbeitet außerdem

Nach Blogger-Ikone Elin Kling und PR-Expertin Svenja Evers freue ich mich auf ein weiteres Karriere-Interview mit einem Branchen-Insider. Die Mode-Redakteurin und Stylistin Isabelle Kountoure kenne ich aus der gemeinsamen Zeit bei der QVEST. Nach Station beim POP Magazine in London ist Isabelle seit Herbst 2012 Fashion Director des Wallpaper* Magazin in London und arbeitet außerdem für L’Uomo Vogue und Interview Russia.

Sowohl ihr Charme als auch ihr Stil fiel nicht nur den besten Streetstyle-Fotografen der Welt, sondern auch Karl Lagerfeld und der französischen Vogue auf. Die in München geborene Deutsch-Griechin wurde letztes Jahr in einer Ausgabe mit dem Schwerpunkt Griechenland auf einer Doppelseite („Une fille – un style“) vorgestellt – ein Ritterschlag. Man muss neidlos anerkennen, dass Isabelle international Karriere gemacht hat. Wie sie das geschafft hat, erfahrt ihr im Interview.

Isabelle, war immer schon klar, dass du im Bereich Mode arbeiten möchtest?

Als Kind wollte ich alle zwei Wochen was anderes sein, das wechselte von Dachdecker zu Lehrer zu Balletttänzer. Aber sagen wir mal so, andere sammelten Popstar-Sticker, meine Freundin Sara und ich sammelten hingegen Ausgaben der amerikanischen und französischen Vogue und tauschten die Chanel-Kampagne mit Linda Evangelista gegen die Versace-Kampagne mit Christy Turlington.

Du bist heute Fashion Director des Wallpaper* Magazins: Worin liegt für dich die Herausforderung, für dieses Heft zu arbeiten?

Dem Heft eine eigene Mode-Identität zu geben, so dass selbst wenn man das Cover abreißt, jeder trotzdem immer erkennen kann, welches Magazin man gerade in der Hand hält. Darüber hinaus ist ja Wallpaper* kein klassisches Modemagazin, sondern bei uns dreht sich primär alles um Design. Ich versuche daher, die DNA von Wallpaper* in die Modeseiten zu integrieren, sprich Architektur, Kunst, Design und Interieur. Ich glaube, wir arbeiten daher mehr konzeptionell und lassen uns weniger von Trends leiten, so wie viele andere Magazine es tun.


Fashion Director ist für viele ein Traumberuf. Die meisten glauben allerdings, dass Leute wie du den ganzen Tag Geschenke auspacken und dann zu den Modeschauen chauffiert werden – wie sieht dein Arbeitsalltag wirklich aus?

Ja, ich weiß was du meinst, die meisten denken, der Job sei Glamour pur. Dabei wird oft unterschätzt wie viel harte Arbeit die eigentliche Realität dieses Jobs mit sich bringt. Ich beschwere mich nicht. Ich bin glücklich, dass ich einen Beruf ausüben kann, der mir Spaß macht, daher stört es mich auch nicht, dass es eigentlich ein 24/7 Job ist – vor allem wenn man wie ich nebenbei noch Beratung und kommerzielle Jobs macht.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?

Mein Arbeitsalltag ist schwer zu beschreiben, denn im Durchschnitt bin ich pro Jahr circa drei Monate auf den Schauen (für Wallpaper* gehe ich auf die Frauen- und Männermodeschauen), dann reise ich einen weiteren Monat für Meetings, Shoots, etc.
Mein Alltag während der Modeschauen: Vor allem in Mailand hat man schnell 20 Termine pro Tag, plus Dinner mit einem Designer, Drinks mit einem anderen Label… Mein Kalender ist von 9 Uhr morgens bis 23 Uhr abends mit Terminen voll gepackt und das fast vier Wochen am Stück, ohne Wochenenden, ohne Pausen. Hinzu kommen dann um die hundert Emails pro Tag, die selbstverständlich mit ihrer Antwort nicht bis nach dem Schauen-Marathon warten können.
Mein Alltag in London sieht zumindest etwas ruhiger aus: Um 8:30 Uhr gehe ich aus dem Haus, und meistens schaffe ich es nicht vor 20:30 Uhr zurück, dann esse ich etwas und anschließend browse ich nochmals ’ne Stunde durchs Netz oder arbeite an Konzepten, Shoot-Ideen, etc.
Der Büroalltag ist oft mit Meetings gefüllt, sogenannte „run throughs“. Oft überarbeite ich zusammen mit dem Kreativ- und Artdirektor Layouts. Ich bin ein Kontrollfreak und versuche daher, so viel und so weit wie möglich von A bis Z mitzuarbeiten bzw. zu lenken, weit über den eigentlichen Job eines Stylisten hinaus, sei es Text, Layouts oder auch Inhalte für die Moderubrik auf wallpaper.com.

Wie schöpfst du neue Inspiration?

Zeit zum kreativen Denken habe ich daher eigentlich nur in meiner „Freizeit“. Meine Assistentin kommt jedes zweite Wochenende zu mir ins Studio, wo wir in Ruhe arbeiten können und die nächsten Ideen recherchieren, auf Ausstellungen gehen usw. Die meisten Inspirationen und Shootideen kommen mir in den Sinn, wenn ich gerade nicht mit Mode beschäftigt bin, sondern beim Reisen, auf Ausstellungen, manchmal sogar bei den Nachrichten.

Bitte nenne jeweils drei positive und drei negative Seiten, die der Beruf mit sich bringt.

Positive: Reisen, Menschen, Mode. Negative: Reisen, Menschen, Mode. Das ist so eine Art Hassliebe. Auf der einen Seite liebe ich, dass ich in andere Städte komme, nur das eigentliche Reisen dorthin ist anstrengend, vor allem die Londoner Flughäfen. Man trifft ganz viele interessante und inspirierende Menschen, aber ebenso viele Menschen, die lediglich eine leere Schachtel mit ’ner großen Schleife sind. Und zur Mode: Leider ist nicht alles, was man sieht, gut.

Wir kennen uns aus Berlin, geboren bist du in München – wie hat es dich nach London verschlagen?

Eigentlich war ich nur eine Woche auf Besuch, aber dann sagte mir jemand: „Hey, du musst mal diese Leute kennenlernen, die arbeiten an einem deutschen Magazin aus London…“ (Anm. d. Red: QVEST). Das ist nun fast sieben Jahre her.

 

Isabelle Kountoure in VOGUE Paris

 

Wie bewertest du die Rolle deutscher Modejournalisten und Magazine im internationalen Vergleich?

Jedes Land hat seine eigenen Magazine, die für das Land relevant sind. Auch in Deutschland gibt es gute Magazine, die meiner Meinung nach eine fantastische Bild- und Textsprache haben. Ich persönlich würde mich allerdings freuen, wenn mehr Magazine ihre eigene Identität erstreben würden, eine deutsche Ästhetik finden würden, welche international relevant ist, anstelle die Magazine aus anderen Ländern nachzuahmen. Ich finde so viele interessante und gute Talente kommen aus Deutschland, im Mode und vor allem Design und Kunstbereich. Auch in der Fotografie! Ich stelle immer mehr fest wie sehr meine Ästhetik von Deutschland geprägt ist, von einer Art deutschen Minimalismus.

Was steht immer auf deinem Arbeitstisch?

‚Ne Tasse kalt gewordener Kaffee und eine Flasche Wasser – und in letzter Zeit eine Packung Mandeln.

Wie groß ist dein Wunsch eines Tages wieder nach Deutschland zurück zu kehren?

Sehr groß, ich liebe Deutschland, das ist meine Heimat. Ich sage oft: Wenn ich den gleichen Job in Deutschland machen könnte, wäre ich rundum glücklich. Allerdings lebt mein Freund in Paris – sprich, vorher verschlägt es mich wahrscheinlich erst nochmal dorthin.

Von wem lässt du dich gerne fotografieren?

Eigentlich lasse ich mich gar nicht so gerne fotografieren – ich fühle mich meistens sogar eher unwohl dabei. Allerdings hatte ich ein angenehmes Portrait-Shooting mit Karl Lagerfeld, denn er wusste genau, was er wollte und er setzte mich in Position, drei Klicks später hatte er das Bild.

Ein Foto von Karl Lagerfeld?! Wie kam es denn dazu?

Ich war damals in Paris und assistierte auf einem Shoot für die deutsche Vogue. Karl sah mich und fand mein Profil so toll (ich hingegen hasste früher immer meine Nase). Er sagte, ich erinnere ihn an altgriechische Statuen und somit musste ich Portrait sitzen, da konnte selbst ich mich nicht mehr drücken. Das Bild hängt heute bei meinen Eltern.

Es gibt sowieso sehr schöne Fotos von dir – gefällt es dir, selbst vor der Kamera zu stehen?

Wie schon gesagt fühle ich mich nicht wohl vor der Kamera, daher wirkt mein Lächeln auch oft mehr erzwungen. Mich hat schon immer alles mehr hinter der Kamera begeistert.

Machst du dir seit dem Phänomen Streetstyle mehr Gedanken um deine Outfits, wenn du zu den Modenschauen gehst?

Ironischerweise habe ich dadurch sogar eher nachgelassen. Meistens bin ich in Schwarz gekleidet. Je unauffälliger, desto besser.

 

Streetstyle Isabelle Kountoure (Foto: Stockholm Streetstyle)

Dabei sind Mode-Redakteure eine Art „Coolness-Botschafter“ für das Magazin, für das sie arbeiten. Wie empfindest du das?

Ich hoffe immer noch, dass meine Arbeiten die eigentliche Botschaft für das Magazin sind.

Die Modekritikerin Suzy Menkes hat sich in einem Artikel („The Circus of Fashion„) kürzlich negativ über die „Pfauenparade der Mode-Blogger“ während der Fashion Week geäußert: Wie ist deine Meinung?

Im Großen und Ganze stimme ich mit Suzy überein. Inzwischen hat es sich nämlich zu einem riesen Papageien-Auflauf entwickelt und vor der Schau ist teilweise mehr los als in der Schau. Oft fangen die Schauen später an, weil die Hälfte der Redakteure draußen noch posen. Es gibt und gab immer Frauen wie eine Isabella Blow, Anna Piaggi oder Anna Dello Russo – diese Frauen finde ich toll! Grausam finde ich allerdings die Leute die sich eigentlich schlecht anziehen, Hauptsache bunt und schrill, um ja fotografiert zu werden, viele von diesen haben nicht einmal Karten für die Schauen. Daher stimme ich Suzy zu, schließlich bin ich hier gelandet um mich beeindrucken zu lassen und nicht, damit ich andere mit meinen Looks beeindrucke – das überlasse ich den Designern.

Bitte erzähl’ uns von deinem bisher tollsten Shooting, das du auf die Beine gestellt hast – warum bist du wirklich stolz darauf?

Ich glaube, das bisher intensivste Shooting war eine Coverstory für POP mit dem Model Freja Beha Erichsen in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Marina Abramovic. Der Photograph Rene Habermacher und ich sind mit dem ersten Flug in der Früh von London nach New York, direkt ins Studio und am selben Abend wieder zurück. Wir hatten lediglich vier Stunden im New Yorker Studio, um alles unter einen Hut zu kriegen. Aber Freja ist einfach fantastisch, ich glaube es ist fast unmöglich ein schlechtes Bild von ihr zu schießen. Prinzipiell finde ich die Kollaboration mit Künstlern immer am spannendsten, denn man weiß nie so genau, was am Schluss dabei rauskommt. Besonders stolz war ich, als dann unser Cover bei Models.com zu einem der besten Cover 2011 gewählt wurde.

Was sind die klassischen Katastrophen, die bei einem Shoot passieren können?

Das kann alles sein: Ein Model, das sich einfach nicht bewegen kann und vor der Kamera keine Gefühle transportieren kann, bis hin zu „dem Look“ um den man eine ganze Story aufbaut, der im Zoll hängen bleibt und somit es nie aufs Shooting schafft. Ich versuche mir immer wieder deutlich zu machen, dass es „nur“ Mode ist und es hier nicht um Leben oder Tod geht, auch wenn wir uns oft alle so benehmen. Dann gilt es ein Lächeln und einen kühlen Kopf zu bewahren und sich der neuen Situation anzupassen – selbst wenn man das monatelang geplante Konzept dann vergessen muss. Oft entstehen so die kreativsten und spannendsten Bilder.

Könntest du dir auch vorstellen einen ganz anderen Job zu machen?

In meinem nächsten Leben würde ich gerne ein kleines Kino in Paris besitzen, mit viel Charakter und Vintage-Charme und mit einer Lounge voller Bücher. Ein Kino, in dem man nach der Vorführung auch noch ein Gläschen Wein bekommt. Ich liebe Filme und Bücher!

Deine Lieblingszeitungen bzw. -zeitschriften?

Obwohl ich nun seit fast sieben Jahren im Ausland lebe, lese ich immer noch am liebsten die Süddeutsche Zeitung. Ich bin halt doch ein Münchner Kindl!

Die fünf wichtigsten Teile in deinem Kleiderschrank?

Schwarze Jeans, schwarzer Blazer, Lederjacke, Oversized-Pullover und ein weißes Männerhemd.

Deine beiden Lieblings-Accessoires zurzeit? 

Meine schwarzen Lack Boots von Saint Laurent und eine schwarze Handtasche von Giorgio Armani mit mit goldenem Verschluss.

Deine Lieblings-Designer?

Martin Margiela, Helmut Lang.

Deine Top 5 Beauty-Produkte?

DMK Deep Pore Cleanser, Environ AVST facial cream, Heliocare SPF 50 Gel, Apivita Refresh Body Milk, Pureology Shampoo und Conditioner.

Dein größter Wunsch für den Sommer 2013?

Wie jeden Sommer in meine zweite Heimat nach Griechenland zu fliegen, dort ins Ägäische Meer einzutauchen und mich frei zu schwimmen.

Von Alexa

Ich liebe schreiben, bloggen und schöne Dinge zu entwerfen, also mache ich all das.

Als Journalistin habe ich für Magazine und Zeitungen wie Business Punk, Fräulein, Gala, FTD/how to spend it, Instyle, Lufthansa Magazin, Stern, Tagesspiegel, Vanity Fair und zitty gearbeitet. Meine Online-Erfahrungen habe ich u.a. Stylebook und styleproofed gesammelt. Mein Blog heißt Alexa Peng, mein Schmuck-Label vonhey. Ich komme aus dem Rheinland und bin in einem Dorf am Waldesrand aufgewachsen, wo nur einmal in der Stunde ein Bus fuhr. Da muss man sich was einfallen lassen, um sich nicht zu langweilen. Meine Tante hatte in der Stadt eine Boutique und einen Schrank voller Kleider, Schuhe und Taschen, mit denen wir Kinder verkleiden spielen durften. Wir haben Modenschauen im Hobbykeller veranstaltet und die ganze Nachbarschaft eingeladen. Dass ich mal was mit Mode machen würde, war also klar. Nach dem Abi habe ich an der AMD in Hamburg Mode-Journalismus studiert und später an der UdK in Berlin einen Master of Arts in Kulturjournalismus gemacht. In Zukunft will ich mein Label weiteraufbauen, die Welt sehen und gute Geschichten schreiben.

(Foto: Sandra Semburg)

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6 Antworten auf „Karriere-Interview: Isabelle Kountoure, Fashion Director Wallpaper* Magazine“

Eine schöne schicke Frau, die nicht so aussieht, als müssen sie krampfhaft jeden Trend bedienen, wie es leider manch andere tun und sehr oft eher lächerlich aussehen. Gute Beispiel, wie man es besser machen kann!

ein sehr interessantes interview. ich lese eure karriere interviews super gerne, immer inspirierend und lehrreich. 🙂

Eine bildschöne Dame mit Stil. Das Interview liest sich auch echt genial. Sie kommt so sympathisch rüber. Toll!

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.