German Press Days: Designer Christian Wijnants im Interview

Im Rahmen der German Press Days haben wir den sympathischen Christian Wijnants getroffen um mit ihm über seine neue Sommerkollektion, seine Wahlheimat Antwerpen und seine wichtigsten Inspirationsquellen zu sprechen. Wie ihn Diane von Fürstenberg aus der Fassung gebracht hat und was es mit seiner Nominierung für den Swarovski Prize of Innovation auf sich hat, lest

Im Rahmen der German Press Days haben wir den sympathischen Christian Wijnants getroffen um mit ihm über seine neue Sommerkollektion, seine Wahlheimat Antwerpen und seine wichtigsten Inspirationsquellen zu sprechen. Wie ihn Diane von Fürstenberg aus der Fassung gebracht hat und was es mit seiner Nominierung für den Swarovski Prize of Innovation auf sich hat, lest ihr im Interview:

Deine Kollektion trägt dein heimlichen Titel „The Jungle“ – wie bist du auf diese Idee und das Konzept gekommen?

Im Juni habe ich das erste Mal eine Pre-Kollektion entworfen. Dafür habe ich mich mit dem Thema Seenomaden beschäftigt. In verschiedenen Ländern in Südostasien, zum Beispiel an der Küste Thailands, leben sie auf Booten im Einklang mit dem Wasser. Das fand ich wirklich faszinierend. Die Babys können manchmal schwimmen noch bevor sie laufen lernen. 

Für die Sommerkollektion habe ich die Idee weitergesponnen und mich weiter Richtung Australien orientiert. In Amsterdam habe ich eine Ausstellung über Paul Gauguin gesehen und war fasziniert von seinen Dschungel-Bildern. Ich habe mich immer mehr mit dem Thema auseinandergesetzt und mir unter anderem den Film „The Wild Child“ angesehen. Die Vorstellung von einem Leben im Einklang mit der Natur hat mich begeistert. Bezogen auf die Kleidung habe ich mich sowohl von überdimensionalen Blättern aus dem Dschungel, in die man sich einwickeln kann, als auch von wasserdichten Materialien inspirieren lassen. Das Thema ist so vielseitig und hat mich diese Saison wirklich bereichert. 

Welche Headline würde deine Kollektion tragen?

„The Wild Child“ wäre passend. „Überleben“ in der Natur wäre zu negativ, aber der ganze Aspekt vom Leben im Einklang mit der Wildnis spiegelt sich ganz gut in diesem Titel wider.

Die Sommerkollektion von Christian Wijnants

Du bist zusammen mit Designern wie Peter Pilotto und Mary Katrantzou für den Swarovski Collective Prize for Innovation nominiert und hast in deiner Sommerkollektion viel mit Swarovski-Elementen gearbeitet. Wie muss man sich diese Zusammenarbeit vorstellen?

Das ist eigentlich ganz einfach: Swarovski sponsert uns zum einen mit Geld für die Show aber stellt uns ebenso einen riesigen Vorrat ihrer Kristalle zur Verfügung. Ehrlich gesagt wäre ich nie auf die Idee gekommen mit Swarovski-Steinen zu arbeiten. In Rahmen des Projektes habe ich versucht sie etwas subtiler einzusetzen – poetischer und weniger „bling bling“. 

In zwei Saisons gilt dann die Auflage fünf Silhouetten mit Swarovski-Elementen als Teil der Show zu präsentieren. Am Ende des Sponsorings wird dann einer der Designer als Gewinner ausgewählt aber letztendlich geht es mehr um die einjährige Zusammenarbeit. 

Aufwändige Stücke wie die Tops mit tausenden kleinen Swarvoski-Kristallen und Fetzen aus Chiffon, die per Hand aufgestickt wurden, sind das Show Pieces oder werden sie auch für den Verkauf produziert?

Ich mag die Idee von Show Pieces nicht. Ich denke es ist frustrierend für den Konsumenten, wenn er bei meiner Show etwas sieht, das er später dann nicht haben kann. Letztendlich geht es ja auch um Tragbarkeit. Natürlich sind auch einige meiner Teile weniger kommerziell, aber diese Saison hatten wir das Glück wirklich jedes einzelne Stück verkaufen zu können. Bei vielen Designern ist die Modenschau ein riesiges Event und am Ende hängen nur Tops und Röcke im Laden. Bei mir gilt „What you see is what you get“. 

Dieses Top ist mit kleinen Fetzen aus Chiffon und Swarovski-Steinen handbestickt

Gibt es moderne Materialien oder Techniken, die dir besonders gefallen und welches „altmodische“ Material sollte deiner Meinung nach niemals aussterben?

Ich liebe Wolle und natürliche Fasern wie Leinen oder Leder. Ich finde sie haben einen authentischen Look und irgendwie eine „Seele“ aber mir gefällt auch der Kontrast zu moderneren Oberflächen und Texturen. Wir haben für SS15 zum Beispiel mit beschichtetem Leinen gearbeitet, das von außen aussieht wie synthetisches Material, von innen aber den natürlichen Leinencharakter behalten hat. Letztendlich finde ich es aber wichtig auf die Materialien zurückzugreifen, die die Erde für uns produziert.

Was meinst du woher der aktuelle Knitwear Trend kommt? Warum sind plötzlich alle verrückt nach Strick?

Ich denke es geht den Menschen um Komfort – um Kleidung, die leicht zu tragen und nicht steif ist. Mode sollte den Körper nicht einschränken sondern im Gegenteil sich nach unserem Körper richten. Neben Strick gibt es jetzt ja auch überall Sweatshirts und Jogginghosen. Die Kunden wollen sich heute in der Mode wohl fühlen und nicht verkleidet oder eingeschränkt. 

Kümmerst du dich überhaupt um Trends oder sind sie dir völlig egal?

Als Designer bin ich ja glücklicherweise in der Position, dass Menschen eher von mir erwarten, Trends zu setzen anstatt sie zu befolgen. Aber natürlich ist man unterbewusst immer von etwas beeinflusst. 

Trotzdem sind Modejournalisten nicht zu beneiden – was sind Trends denn heute noch? Irgendwie alles und nichts. In den 90ern war alles noch klar aber heute ist es ein einziger Wirrwarr.

Vielleicht stirbt das Wort „Trend“ ja bald aus?

Ja, das denke ich auch. Es gibt so eine große Vielzahl an Designern und Strömungen, dass Trends eigentlich keine große Rolle mehr spielen. 

Mein Lieblingsteil aus der SS15 Kollektion – die Jacke ist mit kleinen „Flößen“ bestickt

Du führst dein eigenes Label seit mehr als einem Jahrzehnt – was hat sich in dieser Zeit verändert?

Die Geschwindigkeit und natürlich das Internet! Als ich angefangen habe, gab es das WWW noch nicht, was aus heutiger Sicht völlig verrückt ist. Es hat alle Prozesse dermaßen beschleunigt – Modeschauen sind sofort online und alles erscheint viel schneller „alt“. Man muss ständig nachliefern und sich wirklich etwas einfallen lassen um Menschen zu begeistern und zu berühren. Früher war eine Kollektion sechs Monate relevant, heute entwerfen Designer vier, manchmal sechs oder acht Kollektionen im Jahr. 

Wie gefällt dir Berlin? Hattest du schon die Gelegenheit etwas anzuschauen?

Ich liebe Berlin, bin aber gerade erst angekommen. Ich wollte nicht nur wegen den Press Days herkommen sondern auch weil ich mir unbedingt die Stadt anschauen möchte. Auf meiner Liste stehen ein paar Vintage Shops und Flohmärkte aber auch einige typische Touri-Sachen. 

Wie wichtig ist Berlin für dich als Location?

Tatsächlich wächst unser Erfolg und Bekanntheitsgrad auf dem deutschen Markt am schnellsten. In manch anderen europäischen Ländern kommt alles viel langsamer in Gang. Daher ist es für mich wichtig mir hier vor Ort die Shops anzusehen, in denen meine Kollektion hängt, die Kunden kennenzulernen und mich eben auch mit Journalisten zu treffen. Abgesehen davon ist Berlin natürlich eine Stadt voller Energie und Inspiration, die ich aufsauge bevor ich zurück in‘s dörfliche Antwerpen fahre. 

Christian Wijnants nach seiner SS15 Show in Paris

Dries van Noten, für den du ja mal gearbeitet hast, meinte, dass es für ihn perfekt ist seine Basis in Antwerpen zu haben – einer kleinen Stadt, in der ihn nichts von seiner Arbeit ablenkt. Siehst du das auch so?

Antwerpen ist wirklich mini, aber so zentral in Europa gelegen, dass man in weniger als zwei Stunden in Paris, London, Amsterdam oder Barcelona ist. Man ist auch super schnell mit dem Auto auf dem Land in der Natur. Was ich an Antwerpen schätze ist, dass man im Gegensatz zu Berlin alles in 10-15 Minuten zu Fuß erreichen kann. Hier komme ich andauernd zu spät, da ich die Distanzen falsch einschätze. Im Bus oder der Bahn zu sitzen ist für mich totale Zeitverschwendung – da komme ich wirklich an die Grenzen meiner Geduld (lacht). 

Diane von Fürstenberg, die ja auch ursprünglich aus Belgien kommt, hat einmal zu mir gesagt „Belgien ist so ein langweiliges Land, deswegen sind die Menschen dort so kreativ“. Erst war ich total empört und dachte sie will damit vielleicht mein Talent in Frage stellen aber heute denke ich, dass sie wahrscheinlich Recht hat. Wenn man sich in einem extrem kreativen Umfeld befindet, besteht vielleicht weniger die Notwendigkeit selbst aktiv zu werden und seine Träume wahr zu machen. 

Vielen Dank, lieber Christian Wijnants, für das nette Interview!

Von Julia

Vor 5 Jahren zog ich mit dem Wunsch, Modedesign zu studieren, von Mannheim nach Berlin - im Sommer 2011 dann hatte ich meinen Abschluss am Lette Verein in der Tasche. Um die Modebranche ein wenig besser kennen zu lernen und auch andere Dinge als Nähen, Zeichnen und Schnitttechnik zu probieren, habe ich seit dem redaktionell bei LesMads, Interview Magazin Deutschland und dem Zeit Magazin gearbeitet. Außerdem bin ich als Stylistin - zuletzt u.a. für It‘s Fashion TV - tätig.

Eines der faszinierendsten Dinge an der Mode ist für mich, wie sie die Art, wie wir uns fühlen und bewegen beeinflusst und verändert. Mode ist somit ein Kommunikationsmittel und ein Medium zwischen unserer Identität und unserer Umgebung. Wenn es nach mir geht, muss Mode jedoch nicht immer strengen Kriterien und Anforderungen standhalten. Ich bin absoluter Befürworter von spontanen Gefühlsergüssen beim Anblick eines Kleidungsstückes.

In diesem Sinne gibt es von mir auf Journelles jede Woche das Neueste aus den Onlineshops, alles zum Thema Shopping, Trendjournale und die schönsten Stilikonen.

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2 Antworten auf „German Press Days: Designer Christian Wijnants im Interview“

Christian Wijnants ist neben J. W. Anderson ein Designer, die im Augenblick noch viel zu wenig gewürdigt wird. Aber das kommt, wie man sieht!

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Journelles ist das grösste unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland und wurde 2012 von Jessie Weiß gegründet. Die 37-jährige Unternehmerin legte 2007 den Grundstein für die Modeblogosphäre mit dem Netz-Urgestein LesMads und arbeitet seither als Journalistin, Moderatorin und Kreativdirektorin.